Jahresbericht
Tötung auf Verlangen – Zahlen in Holland sinken
Erstmals seit 2002 ist im vergangenen Jahr die Zahl der Menschen, die in den Niederlanden auf eigenen Wunsch getötet wurden, gesunken – auf 6126.
Veröffentlicht:DEN HAAG. In den Niederlanden ist im Vorjahr die Zahl der Menschen, die auf Basis des Sterbehilfegesetzes auf eigenen Wunsch getötet wurden, erstmals gesunken. Die Zahl der Fälle von Tötung auf Verlangen ging von 6585 auf 6126 zurück. Das geht aus dem Jahresbericht der staatlichen Kontrollkommission (Regionale Toetsingscommissies Euthanasie) hervor.
Damit handelte es sich bei vier Prozent (2017: 4,4 Prozent) der landesweit 153.328 Todesfälle im vergangenen Jahr um Tötungen im Rahmen der Sterbehilferegelung, die als eine der „liberalsten“ weltweit gilt.
Die weit überwiegende Zahl der 5126 Menschen, die auf eigenen Wunsch getötet wurden, hatte Krebs (4013), Parkinson, Multiple Sklerose oder ALS (382), Herzkreislauf-Erkrankungen (231, Lungenkrankheiten (189) oder eine Kombination davon.
67 Patienten, die im vergangenen Jahr in den Niederlanden um Tötung baten, waren psychisch krank. In solchen Fällen, heißt es im neuen Jahresbericht der staatlichen Kontrollkommission,“muss der Arzt große Vorsicht walten lassen“.
144 Menschen mit einer beginnenden Demenz haben im Vorjahr den Antrag auf Tötung gestellt, bei zwei Patienten mit fortgeschrittener, schwerer Demenz bildeten frühere, schriftliche Willensbekundungen offenbar die Grundlage für ihre Tötung, heißt es im Jahresbericht.
67 der 6126 Menschen waren nach Maßgabe der Berichte ihrer Ärzte psychisch krank. In 34 dieser Fälle stammten die Meldungen an die Kontrollkommission von Psychiatern, in 20 weiteren Fällen von Hausärzten. Die größte Gruppe der auf eigenen Wunsch Gestorbenen (1986) war zwischen 70 bis 80 Jahre alt, weitere 1960 über 80 Jahre. 25 Meldefälle betrafen Patienten, die jünger als 30 Jahre alt waren. Ganz überwiegend ist der Hausarzt derjenige gewesen, der die Tötung vollzogen hat (85 Prozent). Dies geschah ganz überwiegend zu Hause (80 Prozent), im Hospiz (acht Prozent), im Pflegeheim (3,9 Prozent), im Krankenhaus (2,8 Prozent) oder in anderen Einrichtungen.
Ärzte, die Patienten auf deren Wunsch hin töten, müssen bestimmte „Sorgfalts-“ und Berichtspflichten einhalten. In 18 Fällen in den Jahren 2017 und 2018 geschah dies dem Bericht zu Folge nicht. So muss der Arzt sich beispielsweise versichern, dass es sich um einen freiwilligen Entschluss des Patienten handelt, der zudem „unerträglich leiden“ muss. In 13 dieser Fälle stellte die Kontrollkommissionen indes kein ärztliches Verschulden fest, in zwei der übrigen Fälle hat die Staatsanwaltschaft inzwischen Ermittlungen aufgenommen.
Die sinkende Zahl von Fällen der Tötung auf Verlangen hat im Parlament (Tweede Kamer) nicht etwa Erleichterung, sondern die Besorgnis ausgelöst, insbesondere Hausärzte wiesen zunehmend Anfragen von Patienten mit Todeswunsch zurück.
Im November 2018 verwies Gesundheitsminister Hugo de Jonge darauf hin, dass Patienten immer häufiger auf Spezialeinrichtungen („Levenseindekliniek“) ausweichen. Dort gebe es bei Menschen mit psychischen Leiden, die sterben wollten, „Wartezeiten von manchmal einigen Monaten“, so de Jonge. Im August des Vorjahres wurde der neu gefasste „Euthanasie-Kodex“ an landesweit 12.000 Ärzte versandt. Es gehe nun darum, „Ärzte und Bürger angemessen über Sterbehilfe und andere Probleme am Lebensende zu informieren“, so der Minister.
Sterbehilfeorganisationen haben in den Niederlanden mit der NVVE eine starke Lobby. Die Organisation wurde bereits 1973 gegründet, nachdem ein Arzt wegen der Sterbehilfe bei einem Patienten zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden war. Heute hat die NVVE nach eigenen Angaben landesweit 167.000 Mitglieder. 30 festangestellte Mitarbeiter würden allein über Mitgliedsbeiträge in Höhe von jährlich 17,50 Euro finanziert, teilt die Organisation mit. Als eines ihrer zentralen Ziele proklamiert die Organisation: „Förderung der Inanspruchnahme und der gesellschaftlichen Akzeptanz der bestehenden legalen Möglichkeiten für die freie Entscheidung zur Beendigung des Lebens.“