Corona-Maßnahmen
Unmut und Unverständnis über Reinhardts Masken-Aussagen
In einer Talkshow zweifelt der BÄK-Chef Klaus Reinhardt den Sinn von Alltagsmasken an. Viele Ärzte und Kammern stören sich an diesen Aussagen. Es gibt sogar Rücktrittsforderungen.
Veröffentlicht: | aktualisiert:Köln. Mit seinen Äußerungen zum Sinn von Alltagsmasken hat der Präsident der Bundesärztekammer Dr. Klaus Reinhardt in der Ärzteschaft für Unmut gesorgt. Einige Landesärztekammern und der Marburger Bund sind nicht glücklich mit der Positionierung von Reinhardt.
Er hatte in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“ am Mittwochabend die Alltagsmasken zwar nicht generell abgelehnt, aber Zweifel daran geäußert, dass ihr großflächiger Einsatz ein wirksames Instrument zur Eindämmung der Corona-Pandemie ist. Er sei von den Alltagsmasken nicht überzeugt, „weil es auch keine tatsächliche wissenschaftliche Evidenz darüber gibt, dass die tatsächlich hilfreich sind, schon gar nicht im Selbstschutz und wahrscheinlich auch nur ganz wenig im Schutz, andere anzustecken.“
Reinhardts eigene Kammer widerspricht
Das sehen viele Landesärztekammern offensichtlich anders. Der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL), Dr. Hans-Albert Gehle, appelliert an die Bevölkerung, die empfohlenen Schutzmaßnahmen uneingeschränkt zu befolgen. „Auch die Alltagsmasken helfen und schützen“, sagt er. Während beim Umgang mit infektiösen Patienten in Kliniken und Praxen eine FFP2-Maske erforderlich sei, würden im Alltag auch einfache Masken das Übertragungsrisiko für alle Infektionskrankheiten senken. „Das Tragen von Masken im Alltag hilft dabei, die Ausbreitung von COVID einzudämmen“, betont Gehle.
Das Pikante: Reinhardt ist sein Vize an der Spitze der ÄKWL. Gehle bezieht sich in seiner Stellungnahme nicht direkt auf ihn, sondern stattdessen auf die stark steigenden Infektionszahlen in Nordrhein-Westfalen. Auf sie verweist auch der Präsident der Ärztekammer Nordrhein, Rudolf Henke. Er ist mit seiner Reaktion auf den BÄK-Präsidenten noch zurückhaltender und geht nicht explizit auf die Masken-Thematik ein. „Für die Wirksamkeit der fünf wichtigsten Regeln gibt es überzeugende Belege: Abstand halten, Hygieneregeln beachten, in jedem Gedränge Alltagsmasken tragen, regelmäßig lüften und die Corona-Warn-App nutzen“, sagt er allgemein. Allerdings schiebt Henke hinterher: „Ich danke allen Ärztinnen und Ärzten, die tagtäglich für die Akzeptanz dieser Maßnahmen werben.“
„Erste Bürgerpflicht“
Die Präsidenten der Ärztekammern Rheinland-Pfalz und des Saarlandes haben mit einer gemeinsamen Pressemitteilung reagiert. Die bundesweiten Maßnahmen solle jeder befolgen, das sei „erste Bürgerpflicht“, fordern Dr. Günther Matheis und Dr. Josef Mischo – „aus gegebenen Anlass“. Auch sie betonen, dass die Wirksamkeit des Mundnasenschutzes eindeutig belegt sei.
Auch Bayerns Ärztekammer-Präsident Dr. Gerald Quitterer ist „nicht glücklich“ über die Äußerungen seines Bundesvorsitzenden. Sie konterkarierten die Bemühungen, Patienten die Sinnhaftigkeit des Mund-Nasen-Schutzes nahezubringen, sagte er dem „Münchner Merkur“. Er selbst trage auch außerhalb seines Praxis-Alltags eine Maske, da es „infektiologisch sinnvoll“ sei.
Johna: Maßnahmen werden diskreditiert
Die Vorsitzende des Marburger Bundes Dr. Susanne Johna ist mit ihrer Kritik expliziter. „Gerade in der jetzigen Phase der Pandemie kommt es darauf an, mit klaren Botschaften die Bevölkerung über den notwendigen Infektionsschutz aufzuklären“, sagt sie. Leider habe der BÄK-Präsident jüngst den Eindruck erweckt, dass für ihn Alltagsmasken zum Schutz vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus nur von geringem Wert seien. „Diese persönliche Auffassung des Bundesärztekammer-Präsidenten steht im Widerspruch zur aktuellen Studienlage und ist geeignet, das seit Monaten wirksame und evidenzgestützte Konzept zur Minimierung von Infektionen zu diskreditieren.“Lauterbach sieht unentschuldbare Wortwahl
Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach bezeichnete Reinhardts Wortwahl „Vermummungsgebot“ auf Twitter als „unentschuldbar“ für den „ranghöchsten deutschen Ärztefunktionär“. „Aus meiner Sicht ein Rücktrittsgrund, wenn er das nicht sofort zurücknimmt“, schrieb er. Reinhardt hatte im weiteren Verlauf gesagt: „Wenn wir darüber nachdenken, dass in den Siebzigerjahren ein Vermummungsverbot ausgesprochen wurde, und jetzt haben wir ein Vermummungsgebot, dann glaube ich, dass das etwas mit einer Gesellschaft macht.“
Ebenfalls im Kurznachrichtendienst Twitter äußern viele Ärzte Unmut und Empörung über Reinhardts Aussagen. So schreibt dort beispielsweise Dr. Cihan Çelik, Funktionsoberarzt auf der Isolierstation für COVID-19-Kranke im Klinikum Darmstadt: „Wer unter der Behauptung ‚persönliche Meinung‘ als Präsident der Bundesärztekammer zur besten Sendezeit unwissenschaftliche Statements zu Masken abgibt, die geeignet sind, die öffentliche Gesundheit auf Spiel zu setzen, schadet allen und auch der Ärzteschaft“.
In einer ersten Pressemitteilung am Donnerstagmittag hatte die BÄK im Namen von Reinhardt und seinen beiden Vizepräsidentinnen mitgeteilt, „dass in allen Situationen, in denen kein ausreichender Abstand gewahrt werden kann, zum Beispiel in geschlossenen Räumen oder im Öffentlichen Nahverkehr, das Tragen eines Mund-Nase-Schutzes sinnvoll ist“.
Am Freitagnachmittag legte die BÄK erneut nach. Jetzt namens ihres Präsidenten Reinhardt, des gesamten Vorstands sowie der Präsidenten aller Landesärztekammern und zahlreicher Fachgesellschaften wurde der Nutzen eines Mund-Nasen-Schutzes betont.
Kurz darauf ließ Reinhardt sogar noch eine persönlichen Erklärung verbreiten. Er bedaure die erheblichen Irritationen, die er mit seinem Zweifel am wissenschaftlichen Evidenznachweis der Schutzwirkung von Mund-Nasen-Masken hervorgerufen habe. Die aktuelle Evidenz aus vielfältigen Studien spreche für einen Nutzen einer solchen Gesichtsmaske. „Meine Absicht war zu keinem Zeitpunkt, die Gefahren der Pandemie zu bagatellisieren“, so Reinhardt. (bar/iss/dpa)