Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe
Versicherungsschutz außerhalb von GKV und PKV?
Der Streit um Krankenabsicherung mit Hilfe einer Solidargemeinschaft geht zum Bundesverfassungsgericht.
Veröffentlicht:KARLSRUHE.Neben der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung lässt das Sozialgesetzbuch auch eine "anderweitige Absicherung" zu. Über die Voraussetzungen für sogenannte Solidargemeinschaften liegt dem Bundesverfassungsgericht (BVerG) in Karlsruhe nun eine Beschwerde vor, wie das Gericht auf Anfrage bestätigte.
Konkret geht es um die Samarita Solidargemeinschaft. Der eingetragene Verein mit Sitz in Bremen berechnet seine Beiträge nach Einkommen und Kinderzahl. Derzeit liegen sie für Alleinstehende zwischen 265 und 475 Euro monatlich. Ein Teil der Beiträge fließt in eine herkömmliche Rückversicherung. Mit Ärzten rechnet die Samarita nach der GOÄ ab. Für Hilfsmittel, Psychotherapie und Therapien wie Massagen müssen Mitglieder einen Eigenanteil von 20 Prozent bezahlen. Bundesweit haben sich nach Angaben ihres Dachverbands in vier Solidargemeinschaften 20.000 Menschen zusammengeschlossen. Wegen einer "rechtlichen Sondersituation" nimmt die Samarita derzeit allerdings keine neuen Mitglieder auf.
Vor den Sozialgerichten war ein Musterfall aus Bayern durch alle Instanzen ohne Erfolg. Anwalt der Klägerin ist der Rechtsanwalt und frühere Bundesinnenminister Otto Schily. Die heute 59-Jährige ist selbstständig erwerbstätig und war freiwillig gesetzlich versichert. 2009 kündigte sie ihre Kassenmitgliedschaft, um der Samarita beizutreten. Doch die Krankenkasse wies die Kündigung zurück. Diese setze eine "anderweitige Absicherung" voraus. Eine Absicherung in der Samarita Solidargemeinschaft reiche aber nicht aus, weil es dort keinen Rechtsanspruch auf Leistungen gebe.
Sozialgericht und Landessozialgericht (LSG) in München waren dem gefolgt. "Eine ausreichende ‚anderweitige Absicherung‘ ist nämlich nur dann gegeben, wenn der Versicherte im Krankheitsfall einen Rechtsanspruch auf Leistungen erhält und diesen auch (gerichtlich) durchsetzen könnte", heißt es im LSG-Urteil. Das aber sei nach der Samarita-Satzung nicht der Fall. Ein solcher Rechtsanspruch bestehe dort ausdrücklich nicht. Der Schutz hänge letztendlich "von tatsächlichen Zufälligkeiten ab". Leistungsklagen seien ausgeschlossen. Die Samarita habe zudem nur gut 300 Mitglieder. Das reiche trotz der Rückversicherung wegen des dortigen Eigenanteils nicht aus, auch hohe Krankheitsrisiken aufzufangen.
Die hiergegen eingelegte Revision wies das Bundessozialgericht in Kassel ab, ohne sich inhaltlich mit dem Streit zu befassen. Die Revision sei unzureichend begründet und daher unzulässig gewesen. Hiergegen legte Schily nun für seine Mandantin Verfassungsbeschwerde ein. Zuständiger Berichterstatter ist der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Paul Kirchhof. Ein Termin für die Entscheidung steht noch nicht fest. (mwo)
LSG München, Az.: L 4 KR 27/13; BSG: B 12 KR 18/15 R; BVerfG, Az.: 1 BvR 2026/16