Klinik-Hygiene

Viele Krankenhausinfektionen wären vermeidbar

Auch dreieinhalb Jahre nach der Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes haben sich die Hygienestandards zur Vorbeugung von Nosokomialinfektionen nicht wesentlich verbessert. Menschliches Verhalten ist der Schwachpunkt.

Von Susanne Werner Veröffentlicht:
Eine der effektivsten Hygienemaßnahmen: Händedesinfektion.

Eine der effektivsten Hygienemaßnahmen: Händedesinfektion.

© Witt / Fotolia.com

BERLIN. Ein Großteil der Krankenhausinfektionen und deren Folgeschäden sind vermeidbar. Davon ist Karl-Josef Laumann (CDU) überzeugt.

Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung appellierte zu Beginn der Tagung "Krankenhausinfektionen - Hintergründe, Gefahren und Strategien" in Berlin an alle Beschäftigten einer Klinik, an das medizinische Personal wie auch an die Patienten, jeweils Verantwortung zu übernehmen.

Zwar sei das Infektionsschutzgesetz verschärft worden, dennoch habe sich nichts Nennenswertes verändert. "Ich sehe kein Gesetzesproblem, sondern ein Verhaltensproblem", sagte Laumann.

Risiko durch Antibiotika-Resistenz

Laut Bundesgesundheitsministerium infizieren sich jährlich im Krankenhaus 400.000 bis 600.000 Menschen. 10.000 bis 15.000 sterben daran. 2011 reagierte der Gesetzgeber unter anderem mit schärferen Regeln für Hygiene und Kontrolle.

Denn im Krankenhaus oder auch ambulant erworbene Infektionen durch resistente Erreger machen die Behandlung von Patienten immer schwieriger und erhöhen die Sterblichkeitsrate.

Die zunehmenden multiresistenten Erreger geben der Medizin immer weniger Behandlungsoptionen an die Hand.

Martin Mielke vom Robert-Koch-Institut verwies darauf, dass die Wirkung neu entwickelter Antibiotika angesichts der rasch sich darauf einstellenden Erreger relativ schnell wieder nachlasse.

Dies liege auch daran, dass viel zu häufig Antibiotika verordnet würden und oft auch bei falscher Gelegenheit. Die Entwicklung neuer Stoffe sei für die Pharmaindustrie nicht lukrativ genug, kritisierte Mielke.

Die Antibiotikaresistenz von Erregern sei, so Mielke, ein globales Problem. Im Vergleich zu Ländern des Mittelmeerraumes wie Italien oder Griechenland stehe Deutschland bei den Infektionsraten relativ gut da, es sei aber vor allem durch den intensiven Tourismus gefährdet.

Junge Patienten wie Frühgeborene sowie besonders alte und schwerkranke Patienten zählten im Krankenhaus zu den besonders gefährdeten Personengruppen, sagte Mielke.

Niederlande bleiben Vorbild

Unter Hygieneexperten gelten die Niederlande als Vorbild, da es dort deutlich niedrigere Infektionsraten gibt als in Deutschland.

Dr. Inka Daniels-Haardt vom Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen arbeitet als Koordinatorin im grenzübergreifenden Verbund EUREGIO MRSA-net, der seit zehn Jahren die Akteure in der Region Münsterland/Twente vernetzt.

Die Fachärztin für Hygiene und Umweltfragen verwies besonders auf die strukturellen Unterschiede zwischen Deutschland und den Niederladen.

So gebe es im Nachbarland zwar weniger Klinken und weniger Behandlungen, aber deutlich mehr Personal in den stationären Einrichtungen.

Der höhere Personalschlüssel erleichtere es den Beschäftigten auch, die Hygienevorschriften einzuhalten: "Auf den Intensivstationen ist jeweils ein Pfleger für einen Patienten zuständig. Es herrscht dort eine wohltuende Ruhe", sagte Daniels-Haardt.

Weiter nannte sie die intensive Zusammenarbeit über die Sektoren hinweg, wie sie in den Niederlanden üblich ist, als einen der zentralen Erfolgsfaktoren im Kampf gegen die Krankenhauskeime.

Weiter würden auch der umsichtige Umgang mit den Antibiotika, die Transparenz der Versorgungsqualität sowie die konsequente Ausrichtung des Systems auf die Patientenperspektive dazu beitragen, dass die Infektionsraten niedrig seien. (mit Material von dpa)

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 10.03.201518:47 Uhr

Die Erde ist keine infektiologische Scheibe!

Auch für Karl-Josef Laumann (CDU), "seit 2014 Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit sowie Beauftragter der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten sowie Bevollmächtigter für Pflege", gilt, "dass wir (k)ein Gesetzesproblem ... sondern ein Verhaltensproblem“ haben.

Und ich möchte als beruflich aktiver Vertreter einer h a u s ä r z t l i c h e n individualisierten Humanmedizin, wo in K l i n i k und Praxis angeblich 700 bis 800 Tonnen Antibiotika pro Jahr eingesetzt werden, auf keinen Fall mit den in der Veterinärmedizin eingesetzten 1.700 Tonnen Antibiotika pro Jahr verglichen werden. Diese gehen, wie dem landwirtschaftlich erfahrenen Karl-Josef Laumann von der CDU durchaus bekannt sein sollte, mehrheitlich auf das Konto von umfangreichen Massentierhaltungen, großen Aufzuchtanlagen, Fleisch-Großproduzenten und durchaus dubiosen Antibiotika-Bezugsquellen o h n e jegliche veterinärmedizinische Verordnungspraxis mit Schwerpunkten nicht nur in den Neuen Bundesländern.

Multi-resistente Keime kommen nicht aus heiterem Himmel und werden ausschließlich von unsachgemäß hantierenden, "unhygienischen" Krankenhaus- und Praxismitarbeitern auf arglose Patienten übertragen. Sondern diese Keime müssen selbst auch irgendwo her kommen. Und sie werden zu einem relevanten Anteil von a u ß e n in Klinik und Praxisräume hinein getragen. Der englische Fachbegriff "communicable diseases" trifft es: Übertragbare Krankheiten, die durch interagierende, kommunizierende Personen übertragen werden.

Jeder Landwirt aus einem Tiermastbetrieb, jeder Krankenhausbesucher mit Straßenschmutz an den Schuhen, jeder Tierhalter, egal ob Hund, Katze, Maus, Pferd o. ä., jeder Klempner, Müllwerker und Entsorger, aber auch Lehrer, Erzieher und alle, die mit vielen Menschen beruflich oder privat zu tun haben, könnten Träger von potenziell multiresistenten Keimen sein. Sogar Menschen, die nur kontaminiertes Putenfleisch kaufen, gehören zum Kreis der "Verdächtigen".

Weitere Risikofaktoren lieferten Infektiologen und Mikrobiologen aus Leipzig mit Daten von Fernreisenden: Die Erreger werden oft mit nach Hause gebracht (J Med Microbiol 2015; 305: 148). Über 12 Monate wurde in einer infektiologischen Studie am Universitätsklinikum Leipzig (UKL) das Risiko des Erreger-Imports durch Fernreisen untersucht. "Wir konnten dabei erstmals für Deutschland in einer größeren Kohorte zeigen, dass fast ein Drittel der Reisenden nach der Heimkehr aus Gebieten mit hoher Erregerdichte tatsächlich Träger multiresistenter Erreger ist", so Dr. Christoph Lübbert, Leiter des Fachbereichs Infektions- und Tropenmedizin am UKL.

In den Arbeitsschwerpunkten Gastroenterologie, Infektiologie und Tropenmedizin ergab eine Datenanalyse von 225 Reisenden zwischen Mai 2013 und April 2014 vor und nach einer Fahrt in Gebiete mit hohem Vorkommen multiresistenter Erreger (MRE): "Colonization with extended-spectrum beta-lactamase-producing and carbapenemase-producing Enterobacteriaceae in international travelers returning to Germany". C. Lübbert et al. belegten, dass Fernreisende häufig multiresistente Keime beherbergen können, wenn sie in ihr Heimatland zurückkehren.

Zum Vergleich am Uniklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) in Kiel: Seit Mitte Dezember ist bei 31 Patienten der Klinik das Bakterium Acinetobacter baumannii in multiresistenter Form nachgewiesen worden. Es waren bis dato 14 Todesfälle zu beklagen, wovon in 9 Fällen der Keim als Todesursache ausgeschlossen werden konnte. Das ist mit den Leipziger Erkenntnissen vergleichbar: Der Keim wurde zuerst im Dezember 2014 durch einen Schleswig-holsteinischen Urlauber, der nach einem Unfall in der Türkei nach Kiel verlegt wurde, eingeschleppt. Infektiologische Angaben aus der Türkei dazu fehlten. Bei einer nächtlichen Not-Operation des Patienten sei es dann zur Ausbreitung des Acinetobacter baumannii gekommen.

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