Gesetzliche Krankenversicherung
Bilanz für 2024: Über sechs Milliarden Euro Defizit der Krankenkassen
Im vierten Quartal 2024 sind die Ausgaben bei den gesetzlichen Kassen völlig aus dem Ruder gelaufen. Das Gesamtdefizit der GKV wird bei über sechs Milliarden Euro liegen. Kassen-Chefs fordern ein Stabilisierungsprogramm für die GKV.
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Die Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung sind zum Jahresende in mehreren Leistungsbereichen zweistellig gestiegen.
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Berlin. In der Gesetzlichen Krankenversicherung zeichnet sich für 2024 ein Rekorddefizit ab. Die Ersatzkassen (rund 28,5 Millionen Versicherte) verbuchen nach vier Quartalen ein Minus von knapp 2,5 Milliarden Euro. Die AOK-Gemeinschaft (rund 27,5 Millionen Versicherte) hat das vergangene Jahr mit einem Defizit von 1,5 Milliarden Euro abgeschlossen.
Für die Betriebskrankenkassen (rund 11,2 Millionen Versicherte) werden rote Zahlen in Höhe von 1,4 Milliarden Euro gemeldet. Die Innungskrankenkassen (5,1 Millionen Versicherte) schließen das Vorjahr mit einem Minus von 662 Millionen Euro ab. Von der Knappschaft liegen der Ärzte Zeitung noch keine Zahlen vor.
Damit zeichnet sich GKV-weit ein Minus von über sechs Milliarden Euro ab (siehe nachfolgende Grafik). 2023 hatte der Fehlbetrag 1,9 Milliarden Euro betragen.
Allein im letzten Quartal 2024 hat das Defizit in der GKV um 2,4 Milliarden Euro zugenommen – nach drei Quartalen stand noch ein Minus von rund 3,6 Milliarden Euro in der Bilanz.
Viertes Quartal ist der Defizit-Turbo gewesen
Das vierte Quartal hat bei den Kassen massiv ins Konto geschlagen: Die Ersatzkassen melden in einzelnen Leistungsbereichen Steigerungsraten von bis zu 24 Prozent. Im letzten Quartal des Vorjahres betrug der Anstieg je Versicherten bei Arzneimitteln 11,1 Prozent und 12,8 Prozent im Krankenhausbereich.
Zu den Kostentreibern zählten dort gestiegene Vergütungen durch erhöhte Pflegeentgeltwerte und Psychiatrieentgelte sowie durch höhere Landesbasisfallwerte. Von Oktober bis Ende Dezember hat sich das Minus bei den Ersatzkassen allein auf 1,2 Milliarden Euro addiert.
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Auch in der AOK-Familie ist das Defizit im letzten Quartal nochmals um 500 Millionen Euro gestiegen. Die Leistungsausgaben entwickelten sich dynamisch, im vierten Quartal betrug das Plus 6,9 Prozent. Bei den Ersatzkassen beläuft sich für das Gesamtjahr 2024 die Veränderungsrate auf 6,3 Prozent je Versicherten.
Da konnten die Einnahmen nicht mithalten – sie legten im gleichen Zeitraum um 5,2 Prozent je Versicherten zu. Bei den Innungskassen entstand zwischen Oktober und Ende Dezember ein Defizit von über 253 Millionen Euro.
Die Betriebskrankenkassen berichten über einen Anstieg der Leistungsausgaben um „insgesamt rund zehn Prozent“. Die Entwicklung im stationären Sektor (plus elf Prozent) und bei Arzneimitteln (plus zwölf Prozent) falle sogar noch höher aus. Für den drittgrößten Leistungsbereich, die Ärztehonorare, wird ein Anstieg um fast acht Prozent angegeben.
Expansive Ausgabenpolitik rächt sich jetzt
Der Tenor der Verbandschefinnen von AOK-Bundesverband und vdek fällt mit Blick auf die Finanzergebnisse gleichlautend aus: „Hier rächt sich die expansive Ausgabenpolitik der letzten Jahre, die GKV-Finanzen sind aus dem Lot.
Deshalb brauchen wir direkt nach der Bundestagswahl ein Sofortprogramm zur kurzfristigen Stabilisierung der GKV-Finanzen mit Wirkungen sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite“, sagt Dr. Carola Reimann für die AOK-Gemeinschaft.
„Trotz stabiler Einnahmensituation galoppieren die Kosten davon“, konstatiert Ulrike Elsner für die Ersatzkassen. Alarmierend sei für sie, dass 47 Prozent des gesamten Defizits der Ersatzkassen allein auf das vierte Quartal 2024 entfielen.
„Wir brauchen eine sofortige Trendumkehr in der Ausgabenpolitik und Maßnahmen, die die Versorgung verbessern und nicht nur immer weiter verteuern“, fordert Elsner. Sie mahnte, so schnell wie möglich wieder zu einer stabilitätsorientierten Ausgabenpolitik zurückzukommen.
Anne-Kathrin Klemm, Vorständin des BKK Dachverbands, weist darauf hin, dass sich die Prognosen des Schätzerkreises vom Oktober 2024 abermals als zu optimistisch herausstellen. Der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz von 2,5 Prozent „ist bereits jetzt Makulatur“, so Klemm. Auch sie fordert einen „Reboot“ bei den GKV-Finanzen. Dabei gehe es nicht um Leistungskürzungen, „sondern um eine sachgemäße, verfassungskonforme und vor allem faire Finanzierung der GKV-Leistungen“, so die Vorständin.
Ende Dezember hatte der GKV-Spitzenverband angekündigt, für 2026 sei mit weiteren Beitragserhöhungen zu rechnen. Unklar ist bisher, ob die teils massiven Aufschläge beim Zusatzbeitrag seit Jahresbeginn ausreichen werden oder ob Krankenkassen bereits unterjährig wieder an der Beitragsschraube drehen müssen. (fst)