Der Standpunkt zum Honorarstreit

Warum die Wut verständlich ist

Nur 0,9 Prozent mehr Honorar - das Verhandlungsergebnis ist dürftig. Dass unter den Ärzten der Zorn auf den GKV-Spitzenverband wächst, ist verständlich, meint Helmut Laschet. Er findet: Kassen sind keine Banken!

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Der Autor ist stellv. Chefredakteur und Ressortleiter Gesundheitspolitik bei der Ärzte Zeitung. Schreiben Sie ihm: helmut.laschet@ springer.com

Wut und Empörung der Ärzte über das dürftige Honorarverhandlungsergebnis von gerade einmal 0,9 Prozent sind nachvollziehbar. Und der Zorn auf den GKV-Spitzenverband wächst - nicht nur bei Ärzten.

Nachdem bekannt geworden ist, dass die Kassen allein im zweiten Quartal einen Überschuss von 2,7 Milliarden Euro gemacht haben - das ist mehr als das Neunfache dessen, was den Vertragsärzten an Honorarzuwachs für das Gesamtjahr 2013 zugestanden worden ist! - hat Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr erneut vor einer Bunkermentalität gewarnt.

Zu Recht: Kassen sind keine Banken!

Die Politik des GKV-Spitzenverbandes kapriziert sich auf eine einzige Maxime, die dem kleinsten gemeinsamen Nenner aller Krankenkassen entspricht: Zusatzbeiträge ohne Rücksicht auf Verluste zu vermeiden.

Der Rest ist Nihilismus. Versorgungsdefizite werden ebenso negiert wie Kostensteigerungen in den Praxen. Innovation und wachsende Morbidität, die Mehrleistungen von Ärzten fordern, werden bestritten. Ärzte, die auf IGeL ausweichen, weil der Kassenstandard nicht alles bietet, werden der Kommerzialisierung geziehen. Mit grobschlächtigen Argumenten - Hauptsache, es reicht für eine Schlagzeile.

In dieser Situation hat das System zentraler Kollektivvertragsverhandlungen zwischen zwei Monopolisten - KBV hier, GKV-Spitzenverband dort - Grenzen. Die KBV, die sich darauf kapriziert hatte, vor allem einen Ausgleich für Kostensteigerungen seit 2008 zu verhandeln, hat ihr Ziel weit verfehlt. Zu fragen ist, ob sie nicht eine bessere öffentliche Flankierung erreicht hätte, wenn sie stärker die Versorgungsleistung der ambulanten Medizin in den Vordergrund gestellt hätte.

Denn das muss sich auch der GKV-Spitzenverband ins Stammbuch schreiben lassen: Anders als die PKV, über die man so gerne die Nase rümpft, haben die gesetzlichen Krankenkassen einen Versorgungsauftrag. Doch viele - nicht alle! - Kassen verstecken sich hinter der Monopolmacht ihres Spitzenverbandes.

Lesen Sie dazu auch: "Honorarskandal": Ärzte rüsten zum Kampf Kurz-Interview: So sehen Kassen-Chefs den strittigen Honorar-Beschluss

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 03.09.201200:21 Uhr

Es ist zum betriebswirtschaftlichen „Mäuse Melken“

Der Vorstand des GKV-Spitzenverbandes forderte mit einem vermutlich von zweckentfremdeten Versichertengeldern finanzierten Prognos-Gutachten Umsatzkürzungen Minus 7% bei allen Vertragsärzten und -Psychotherapeuten. Die Schweizer Prognos AG hatte schon im GKV-Auftrag 2011 von sich Reden gemacht, als sie die ersatzlose Streichung von bis zu 12.000 Vertragsarztsitzen in Deutschland forderte - zu finanzieren durch die KVen selbst. Vgl.
https://www.gkv-spitzenverband.de/upload/Gutachten_Aufkauf_Arztpraxen_110630_16991.pdf

Das aktuelle, weitaus dilettantischere Prognos-Auftragsgutachten -vgl.
http://www.springermedizin.de/prognos-gutachten-seltsame-zahlen-tollkuehne-ableitungen/3187080.html
-wird dann noch dazu verwendet, betriebswirtschaftlich begründete KBV-Forderungen von 11% Steigerung des GKV-Orientierungspunktwertes zu diskreditieren. Diese 11% würden in der betriebswirtschaftlichen Analyse (BWA) bei Praxiskosten von durchschnittlich 50% in der Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR) nur mit einem Plus von 5,5% zu Buche schlagen.

Die jetzt als Verhandlungsergebnis präsentierten, lächerlichen plus 0,9% konterkarieren auf groteske Weise den BWL-Klartext: Bei durchschnittlich 50% Kostenanteil in allen Vertragsarztpraxen bleiben für den/die Vertragsarzt/-ärztin gerade mal 0,45% als in der Progression zu versteuerndes Zusatzeinkommen. Kalkulationen der Vertragspsychologen und -Psychotherapeuten habe ich mangels Erfahrung weglassen.

"Die Kassen-Katze lässt das Vertragsarzt-Mausen nicht!"

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Dr. Thomas Georg Schätzler 02.09.201223:29 Uhr

Es ist zum betriebswirtschaftlichen "Mäuse melken"!

Der Vorstand des GKV-Spitzenverbandes forderte mit einem vermutlich von zweckentfremdeten Versichertengeldern finanzierten Prognos-Gutachten Umsatzkürzungen Minus 7% bei allen Vertragsärzten und -Psychotherapeuten. Die Schweizer Prognos AG hatte schon im GKV-Auftrag 2011 von sich Reden gemacht, als sie die ersatzlose Streichung von bis zu 12.000 Vertragsarztsitzen in Deutschland forderte - zu finanzieren durch die KVen selbst. Vgl.
https://www.gkv-spitzenverband.de/upload/Gutachten_Aufkauf_Arztpraxen_110630_16991.pdf

Das aktuelle, weitaus dilettantischere Prognos-Auftragsgutachten -vgl.
http://www.springermedizin.de/prognos-gutachten-seltsame-zahlen-tollkuehne-ableitungen/3187080.html
-wird dann noch dazu verwendet, betriebswirtschaftlich begründete KBV-Forderungen von 11% Steigerung des GKV-Orientierungspunktwertes zu diskreditieren. Diese 11% würden in der betriebswirtschaftlichen Analyse (BWA) bei Praxiskosten von durchschnittlich 50% in der Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR) nur mit einem Plus von 5,5% zu Buche schlagen.

Die jetzt als Verhandlungsergebnis präsentierten, lächerlichen plus 0,9% konterkarieren auf groteske Weise den BWL-Klartext: Bei durchschnittlich 50% Kostenanteil in allen Vertragsarztpraxen bleiben für den/die Vertragsarzt/-ärztin gerade mal 0,45% als in der Progression zu versteuerndes Zusatzeinkommen. Kalkulationen der Vertragspsychologen und -Psychotherapeuten habe ich mangels Erfahrung weglassen.

"Die Kassen-Katze lässt das Vertragsarzt-Mausen nicht!"

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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