Schwarz-rote Sondierungen beginnen

Nachfolge im Gesundheitsministerium: Wer wird‘s?

An diesem Freitag beginnen Union und SPD ihre Sondierungen für eine Koalition: Das ist der Auftakt zum Machtpoker, bei dem es auch um Personalfragen geht.

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Auf dem Weg ins Bundesgesundheitsministerium? Bärbel Bas von der SPD gehört zu den Kandidaten und Kandidatinnen, die als Nachfolger von Karl Lauterbach gehandelt werden.

Auf dem Weg ins Bundesgesundheitsministerium? Bärbel Bas von der SPD gehört zu den Kandidaten und Kandidatinnen, die als Nachfolger von Karl Lauterbach gehandelt werden.

© Michael Kappeler/dpa

Berlin. Deja-vu in Berlin: Schon nach der Bundestagswahl 2021 war Bärbel Bas bei der SPD als Gesundheitsministerin im Gespräch. Damals wurde nichts daraus, weil Kanzler Scholz nicht an Karl Lauterbach vorbeikam, der sich auf X (früher: Twitter) und mit gefühlt Hunderten Talkshow-Auftritten in der Pandemie einen großen Fanclub aufgebaut hatte. Hätte ein anderer (oder eine andere) aus den Reihen der Sozialdemokraten das Ministerium übernommen, hätte er oder sie zudem damit rechnen müssen, dass Lauterbach als „Schattenminister“ seine (oder ihre) Arbeit kommentiert und vielleicht auch mit großer X-Resonanz kritisiert hätte.

Bleibt das BMG ein eigenständiges Ressort?

Vier Jahre später gilt die 56 Jahre alte Bas wieder als Anwärterin für den Chefposten im Bundesgesundheitsministerium (BMG). Fest steht jedenfalls, dass die Krankenkassenbetriebswirtin nicht länger Bundestagspräsidentin sein wird. Dieses Amt steht traditionell der größten Fraktion zu. Und das ist im nächsten Bundestag, der sich Ende März konstituiert, die CDU/CSU, die bei der Wahl vom 23. Februar die SPD als stärkste politische Kraft im Land abgelöst hat. Trotzdem ist es keineswegs sicher, dass Bas wirklich Ministerin wird, auch wenn sie als langjähriges Mitglied im Gesundheitsausschuss das Themenfeld gut kennt.

Zwar liebäugeln manche in der Union mit dem Gedanken, aus dem BMG, dem Ressort für Arbeit und Soziales (BMAS) und dem Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ein „Super-Sozialministerium“ zu machen. Ein solches Mega-Haus effektiv zu führen, wäre aber enorm schwer – ganz gleich, wer an dessen Spitze stünde. Auch deshalb ist die SPD von dem Plan wenig begeistert, der auch in der Union keineswegs ungeteilte Zustimmung findet.

Bärbel Bas wird wichtige Rolle spielen: So oder so

Somit ist es Stand jetzt eher wahrscheinlich, dass die drei Ressorts eigenständig bleiben. Und dann ist völlig klar, was für die Genossen aufgrund ihrer Tradition und ihres Selbstverständnisses Vorrang hat: Das Arbeits- und Sozialressort. Ob Hubertus Heil es weiter führen wird? Er stammt wie Parteichef Lars Klingbeil und Verteidigungsminister Boris Pistorius aus dem mächtigen niedersächsischen Landesverband der SPD. Es könnte also sein, dass Heil weichen muss und dass Bas ihm nachfolgt.

Jedoch sind beide auch für den Vorsitz der SPD-Fraktion im Gespräch. Der wird frei, sobald Klingbeil nach Bildung der schwarz-roten Koalition ins Kabinett wechselt. Dass er ein Ministerium und den Posten des Vizekanzlers anstrebt, liegt auf der Hand. Offen ist nur, welches Ressort der SPD-Chef übernimmt. Wer setzt sich dann wohl beim Fraktionsvorsitz durch? Da favorisieren SPD-Kenner derzeit Bas, die aus Nordrhein-Westfalen (NRW) und damit aus dem größten Landesverband der Partei stammt und zudem bei der Wahl in ihrem Duisburger Wahlkreis ein sehr gutes Ergebnis bei den Erststimmen erzielt hatte.

Merz würde Lauterbach nícht hinterherweinen

Sollten die Sozialdemokraten mit Heil oder einem anderen Politiker aus ihren Reihen weiter die Spitze des Arbeitsministeriums übernehmen, würde die Union beim BMG zum Zuge kommen. Das wäre jedenfalls die klassische Verteilung, wie Union und SPD sie in ihren gemeinsamen Regierungsjahren von 2013 bis 2021 praktizierten. Käme es auch bei der Neuauflage von Schwarz-Rot zu dieser Verteilung hieße das: Karl Lauterbach wäre raus. Das würde CDU-Chef Friedrich Merz gut gefallen. Er ist wütend, dass Lauterbach, wie er sagt, schon zwei Mal „die Nazi-Keule“ gegen ihn geschwungen habe. Deshalb hat Merz im Bundestag betont, dass er Lauterbachs Entschuldigung einmal angenommen habe, aber eben kein zweites Mal.

Wie ist das Szenario für den Fall, dass das BMG an die Union geht und sie nach Hermann Gröhe und Jens Spahn dort wieder das Sagen hat? Dass die CSU dafür den Münchener Ex-Gesundheitsminister Klaus Holetschek ins Rennen schickt, halten Beobachter für unwahrscheinlich. Bei den Christsozialen gelten vielmehr die Digitalexpertin Dorothee Bär, Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und der bayerische Bauernpräsident Günther Felßner als gesetzt. Zudem halten viele Holetschek als Chef der CSU-Landtagsfraktion für unentbehrlich, auch wenn er in Berlin punkten könnte, weil er sich als früherer bayerischer Gesundheitsminister gut in der Gesundheitspolitik auskennt und durchsetzungsstark ist.

Herkulesaufgabe für künftigen Minister

Vielleicht schlägt also bald die Stunde von Karl-Josef Laumann, dem CDU-Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen. Er war schon Bundestagsabgeordneter und lange Jahre Chef des Arbeitnehmer-Flügels der Union. Auch hat der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende in Düsseldorf bewiesen, wie man eine Krankenhausreform macht und dabei die Akteure der Ärzteschaft, der Kassen sowie der Krankenhausgesellschaft klug einbindet – und trotzdem zu substanziellen Ergebnissen kommt. Das wäre die ideale Voraussetzung für die extrem schwierigen Aufgaben, die im Bund in der Gesundheitspolitik anstehen. Der neue Minister oder die neue Ministerin muss ja rasch die miserable GKV-Finanzlage stabilisieren und zugleich längst überfällige Reformen angehen.

Für Laumann spricht auch, dass sich der ehemalige Patienten- und Pflegebeauftragte der Bundesregierung gut in der Pflege auskennt – also der Sozialversicherung, in der die Hütte lichterloh brennt. Gut möglich, dass der aktuelle Pflegebeitrag nicht ausreicht, um die soziale Pflegeversicherung über das laufende Jahr zu bringen. Da käme der erfahrene Politiker als Feuerwehrmann gerade recht.

Die Frage ist nur, ob Laumann nicht in Düsseldorf bleiben muss, um die NRW-Klinikreform zum Abschluss zu bringen. Zudem wäre er neben dem Kanzler in spe Friedrich Merz und CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann (er könnte Fraktionschef der CDU/CSU werden oder ein Ministeramt übernehmen) der dritte NRW-Mann mit einer bedeutenden Position im künftigen Spitzenpersonal-Tableau der Christdemokaten. Und dann ist da ja auch noch der Westfale Jens Spahn, der nach wie vor großen Ehrgeiz hat – auch wenn er selbst schon gesagt hat, dass er nicht wieder Gesundheitsminister werden möchte.

Deshalb machen in Berlin auch die Namen der hessischen CDU-Fraktionschefin Ines Claus und von G-BA-Chef Josef Hecken die Runde. Allerdings ist der Chefsessel im G-BA mindestens so mächtig wie der im BMG. Claus wiederum hat in der Bundespartei wenig Rückhalt, oder besser gesagt: Nicht so viel, wie es angesichts der Herkulesaufgabe zwingend nötig ist. So richten sich in der Union die Blicke auch auf die Abgeordneten Sepp Müller und Tino Sorge, die sich bisher in der Fraktion um die Gesundheitspolitik kümmerten. Beide stammen aber aus dem Landesverband Sachsen-Anhalt, der nicht so groß ist, dass ihn die CDU bei ihrer Personalwahl fürs Kabinett auf jeden Fall beachten müsste. (bwa)

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