Werden Kassensitze für Psychotherapeuten abgebaut?

In Hessen wächst die Sorge vor möglichen negativen Auswirkungen des neuen Versorgungsgesetzes.

Von Sabine Schiner Veröffentlicht:

WIESBADEN (ine). Einen massiven Abbau von mehr als der Hälfte aller Kassensitze für Psychotherapeuten fürchtet Hans Bauer, Vizepräsident der Psychotherapeutenkammer Hessen, wenn das neue Versorgungsgesetz in Kraft tritt. Er fordert, dass zuvor die Bedarfsplanungszahlen neu ermittelt werden - und zwar auf Grundlage der aktuellen Zahl der niedergelassenen Psychotherapeuten.

Bislang können Praxen in überversorgten Gebieten unter bestimmten Bedingungen, etwa, wenn der Praxischef älter als 62 Jahre ist, von den KVen übernommen und stillgelegt werden.

"Das neue Versorgungsgesetz sieht vor, dass dieses Instrument ausgeweitet wird", sagt Bauer im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung". Im Prinzip sei dies vernünftig.

Das Problem: Die grundlegenden Zahlen für die Bedarfsplanung stammten noch aus dem Jahr 1999, als das Psychotherapeutengesetz in Kraft getreten ist. "Damals waren viele Behandler bei der Bedarfsermittlung nicht berücksichtigt worden", sagt Bauer.

Hinzu komme, dass die Zahl der psychisch Kranken in den vergangenen Jahren zugenommen hat. Psychische Erkrankungen seien immer häufiger der Grund für einen langfristigen Krankenstand.

In seiner Praxis in Wiesbaden, das laut Bedarfsplan zu 150 Prozent überversorgt sei, gäbe es jeden Monat 120 bis 150 Behandlungsanfragen von Patienten. "Sechs bis acht können wir annehmen", so Bauer.

Würden keine neue Bedarfsplanungszahlen ermittelt, fielen von den insgesamt 1700 Psychotherapeutensitzen in Hessen 960 weg. Darunter würde auch die Versorgung von Kindern und Jugendlichen leiden.

Noch vor zwei Jahren habe der Gesetzgeber in diesem Bereich eine Unterversorgung festgestellt. Vor allem in ländlichen Regionen waren die Wartezeiten lang.

Daraufhin wurde verfügt, dass in jeder Region mindestens 20 Prozent der Behandler sich um Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen kümmern sollen. Wo dies nicht möglich war, wurden neue Sitze geschaffen. "In Hessen waren das 24", so Bauer. "Das wäre absurd, sie wieder abzubauen."

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Kommentare
Dr. Dieter Wettig 21.06.201110:06 Uhr

PT Honorar einfrieren !

Der Vize der hessischen PT-Kammer, Bauer, malt hier den Teufel an die Wand, wenn er befürchtet, daß jetzt die Hälfte der Kassensitze für Psychotherapeuten abgebaut werden könnte. Das würde gegen jede Besitzstandswahrung verstoßen und ist Märchenstunde pur. Das erinnert mich auch an das Trommeln einschlägiger Ärzteverbände wenn es darum geht Pfründe zu wahren oder zu mehren: "Das große Praxensterben droht oder hat schon begonnen! Ein Drittel der Praxen steht unter Bankkuratel!"

In Bauers Praxis in Wiesbaden gäbe es jeden Monat 120 bis 150 Behandlungsanfragen von Patienten, 6 bis 8 könnten er (und seine drei Kollegen) annehmen. Klingt, als bräuchte man in Wiesbaden 20 mal mehr Psychotherapeuten, um jede Anfrage sofort bedienen zu können. Tatsächlich ist aber (nur) so, daß jeder Patient 10 bis 20 Therapeuten anruft auf der Suche nach einem freien Platz, am Schluß kommen dann doch alle unter.

Ich muss die psychologischen Psychotherapeuten daran erinnern, daß nicht nur sie Psychotherapie betreiben, sondern auch Ärzte und Kliniken. Gerade die Hausärzte kennen ihre Patienten seit vielen Jahren und sind erste Anlaufstelle bei psychischen und psychosomatischen Problemen. Sie üben vielleicht die meiste Psychotherapie aus und sie sind diejenigen, die unter Kürzungen leiden: Etwa 2 Euro für die psychosomatische Grundversorgung pro Quartal pro Patient. Das Geld fließt halt jetzt zu den Psychologen!

Ich will die psychologischen Psychotherapeuten auffordern, endlich ihren Pflichten nachzukommen: Quartalsberichte schreiben (was 90% nicht tun), Vorbefunde vom Hausarzt anfordern (ist mir noch nie passiert), am Notdienst teilnehmen, kostenbewusst handeln (der größte Effekt tritt bis zur 20. Sitzung auf), keine Prarallelbehandlungen in einer anderen Welt betreiben.

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