Spät gestartet, dann reichlich geliefert
Wichtige Spahn-Gesetze im Überblick
Sprechzeiten in Praxen, Digitalisierung in Kliniken, neue Stellen in der Pflege: Den Überblick bei den von Gesundheitsminister Spahn auf den Weg gebrachten Gesetzen zu behalten, ist nicht leicht. Versuch einer Bilanz von dreieinhalb Jahren Politik im Turbo-Modus.
Veröffentlicht:Berlin. Jens Spahn (CDU) wurde als „Turbo-Minister“ bezeichnet, noch lange bevor die Coronakrise Anfang 2020 ausbrach und die Pandemie etliche Gesetzesnovellen und Eilverordnungen des Gesundheitsressorts erforderlich machte. Dabei sind Spahn und mit ihm die große Koalition aus Union und SPD spät gestartet: Mehrere Monate vergehen zwischen der Bundestagswahl im September 2017 bis zur Ernennung der Bundesminister im Kabinett „Merkel IV“ im März 2018.
Kurze Zeit danach geht es dann richtig los – für den Gesundheits- und Pflegebereich lässt Spahn die Mitarbeiter seines Ministeriums ein Gesetz nach dem anderen aufschreiben. Die Aussage, mit all den Neuerungen „einen Unterschied“ in der Versorgung machen zu wollen, gerät schnell zum geflügelten Wort des Gesundheitsministers. Der Ausspruch begleitet seine Vorstöße bis heute – und wird von Spahn bei nahezu jeder Gelegenheit verwendet.
Freilich: Nicht alles kann einen Unterschied machen, da nicht alles eins zu eins gelingt. Von der geplanten bundesweiten Öffnung der AOK muss Spahn ablassen – auch nach heftiger Kritik aus den Ländern. Bei der Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) muss Spahn aufgrund technischer Hürden mehrfach neuen Anlauf nehmen – die ePA wird quasi auf mehrere Gesetze „verteilt“.
Spahns 13.000-Pflegestellen-Förderprogramm wird von Verbänden gutgeheißen, bleibt aber ein zähes Projekt angesichts des leergefegten Arbeitsmarktes. Und die angekündigte bessere Entlohnung in der Altenpflege durch flächendeckende Tarifbindung steht aktuell auf mehr als wackeligen Füßen.
Bleibt der Versuch einer Bilanz von dreieinhalb Jahren Gesundheitspolitik im Turbomodus. (hom/af)
Jens Spahn wird zum Bundesminister für Gesundheit ernannt. Bereits einen Monat später lässt er das erste Paragrafenwerk aufschreiben.
Spahn legt den Entwurf für ein Gesetz zur Beitragsentlastung der GKV-Versicherten vor. Am 1. Januar 2019 tritt das Gesetz in Kraft. Kernelemente sind: Paritätische Finanzierung der Versicherungsbeiträge, Abschmelzen hoher Kassen-Finanzreserven verknüpft mit einer Reform des Morbi-RSA.
Im Sommer nimmt der Gesetzeszug Fahrt auf. Spahn legt einen Entwurf für ein Pflegepersonal-Stärkungsgesetz vor. Darin geregelt sind: 13 000 neue Pflegestellen, Einführung von Personaluntergrenzen im Krankenhaus, Neuordnung der Personalvergütung jenseits der DRGs, Ausbau Videosprechstunde. 2019 wird das Gesetz scharf geschaltet.
folgt mit dem Entwurf für ein Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) ein Großaufschlag an Änderungen: Mindestsprechstundenzeiten in Praxen werden von 20 auf 25 Stunden erhöht, eine offene Sprechstunde eingeführt. Die Kassen werden zur ePA verpflichtet, die Festzuschüsse beim Zahnersatz von 50 auf 60 Prozent erhöht.
Parallel bringt Spahn noch Änderungen am Transplantationsgesetz und eine Beitragssatzerhöhung in der Pflege auf den Weg.
folgt der Entwurf für ein Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung. Inklusive sind Stärkung der Bundesoberbehörden bei Qualitätsmängeln oder Fälschungsverdacht von Arzneien und die Verpflichtung der Selbstverwaltung, für Regeln beim E-Rezept zu sorgen.
geht es mit einer Reform der Psychotherapeuten-Ausbildung und dem Implantateregister-Gesetz (beide wirksam ab 2020) weiter.
Für Aufregung sorgt der Entwurf für ein Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz. Darin enthalten: Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs, Zusammenarbeit der Kassenaufsichten und neue Strukturen beim GKV-Spitzenverband. Die umstrittene „Bundes-AOK“ fliegt raus. Im April 2020 wird das Gesetz scharf gestellt.
der Entwurf für ein MDK-Reformgesetz inklusive der Neufassung des Katalogs ambulanter Operationen, der Aufschlag für ein Masernschutzgesetz und ein Entwurf für ein Digitale Versorgung-Gesetz inklusive des Anspruchs auf DiGAs. Alle drei Gesetze treten 2020 in Kraft.
Spahn wendet sich mit dem Entwurf für ein Pflegelöhneverbesserungsgesetz den Pflegebeschäftigten zu. Im Kern werden Maßnahmen der Konzertierten Aktion Pflege auf den Weg gebracht. Ende 2019 tritt das Gesetz in Kraft. Danach folgen Detailgesetze – etwa das 3. Bürokratieentlastungsgesetz und die darin enthaltene Einführung der elektronischen AU.
Die Gesetzgebung des Spahn-Ministeriums steht nun weitgehend im Zeichen der Corona-Pandemie: Das COVID-19-Entlastungsgesetz und mehrere Novellen des Infektionsschutzgesetzes treten in Kraft.
Daneben werkelt das Ministerium aber auch an anderen Baustellen weiter – etwa mit dem Apotheken-Stärkungs-Gesetz, das im Juli 2020 vom Kabinett verabschiedet wird. Darin vorgesehen sind einheitliche Apothekenabgabepreise in Vor-Ort-Apotheken wie Versandapotheken.
Das Digitalisierungs-Gesetz für Krankenhäuser passiert den Bundestag und im Oktober den Bundesrat. Es enthält eine satte Finanzspritze aus Bundesmitteln in Höhe von 3 Mrd. Euro – Länder und Klinikträger können die Mittel aufstocken. Die Kliniken sollen ihre digitale Infrastruktur aufrüsten, Notaufnahmen modernisieren und regionale Versorgungsstrukturen ausbauen.
Nach langem Streit tritt auch das Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz in Kraft. Geregelt wird darin ein besserer Zugang zur geriatrischen Rehabilitation. Außerdem wird im SGB V ein neuer Leistungsanspruch auf außerklinische Intensivpflege eingezogen. Nach massiven Protesten von Patienten- und Angehörigenverbänden muss Spahn seinen Entwurf gleich mehrfach nachbessern, da dieser hohe Hürden für eine häusliche Intensivpflege aufstellt.
Bundestag und Bundesrat bringen das MTA-Reformgesetz auf den Weg. Die MTA-Ausbildung wird damit an neue inhaltliche Anforderungen sowie EU-Recht angepasst. Das Schulgeld wird abgeschafft. Mit dem Gesetz wird auch mehr Rechtsklarheit für Notfallsanitäter geschaffen: Sie dürfen künftig bis zum Eintreffen des Notarztes heilkundliche Maßnahmen durchführen.
Das Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungsgesetz wird verabschiedet. Das Gesetz setzt den Krankenkassen weitere Fristen für die Weiterentwicklung der ePA. Neu eingeführt und finanziert über die Pflegekassen werden zudem digitale Pflegeanwendungen, sogenannte DiPA.
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