Neues Verfahren
Wie Hausärzte die Angststörung effektiver vertreiben
Hausärzte behandeln die meisten Angstpatienten. Die Uniklinik Jena hat dazu eine verhaltenstherapeutische Intervention entwickelt. Es zeigt sich: Diese hilft besser als die Standardtherapie.
Veröffentlicht:BERLIN. Hausärzte können Patienten mit Angst- und Panikstörungen besser helfen, wenn sie ein verhaltenstherapeutisches Kurzprogramm einsetzen. Dies ist das Ergebnis einer Studie des Instituts für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Jena.
Demnach hatten 34 Prozent der Patienten aus der Interventionsgruppe zwölf Monate nach der Behandlung keine Symptome mehr. Nach der Standardbehandlung war dies nur bei 16 Prozent der Betroffenen der Fall.
Zudem hatten die Patienten der Interventionsgruppe 182 angstfreie Tage und somit 30 Tage mehr als diejenigen mit der Standardbehandlung.
"Für die meisten Patienten der rund zehn Millionen Deutschen mit Panik- und Angststörungen ist der Hausarzt der einzige Behandler", sagt Professor Jochen Gensichen, Direktor des Jenaer Institutes für Allgemeinmedizin und Leiter der Studie "Jena-PARADIES" (Patient Activation for Anxiety Disorders).
419 Patienten mit Angst- und Panikstörungen sowie 73 Hausarztpraxen hatten daran teilgenommen. Das Bundesministerium für Forschung hatte die 2012 gestartete und jetzt abgeschlossene Untersuchung gefördert.
Sie sollte klären, ob Hausärzte mit neuen Instrumenten und einem gestuften Verfahren, ihre Patienten effektiver behandeln können als mit der Standardtherapie.
Knapp 15 Jahre vergehen bis zur Diagnose Angststörung
Professor Matthias Berger, Neurologe an der Uniklinik Freiburg, spricht von einer "massiven Unter- und Fehlversorgung der Angstpatienten im ambulanten Bereich".
Laut Studien der TU Dresden würden durchschnittlich 14,7 Lebensjahre verstreichen, bevor eine Angststörung diagnostiziert und behandelt wird. Hausärzte und Internisten seien gefordert, die Patienten frühzeitiger zu erreichen und zu versorgen. Für etwa 70 Prozent der Betroffenen seien sie die erste Anlaufstelle, so Berger.
Für die Studie war "Jamol" (Jena-Anxiety-Monitoring-List) als zentrales Arbeitswerkzeug für das Praxisteam entwickelt worden. Darin findet sich beispielsweise ein einfaches Ampelschema, um bei der Diagnostik die Antworten des Patienten nach Dringlichkeit zu ordnen.
Auch ist darin das therapeutische Vorgehen erläutert. Der Arzt klärt zunächst mit dem Patienten, was bei ihm die Ängste auslöst und wie sich diese äußern. Gemeinsam simuliert er dann mit dem Patienten die körperlichen Reaktionen - sei es nun Herzrasen, Zittern oder Atemnot.
Der Patient erfährt so - begleitet durch den Arzt - , dass die körperliche Erregung bald wieder abfällt. In der Folge soll er mithilfe eines Manuals allein die Körperübungen durchführen und über die Exposition seine Angst steuern lernen.
Hausärzte und MFA intensiv eingebunden
Neben dem Hausarzt, der an insgesamt vier Terminen die Patienten berät und behandelt, ist auch die Medizinische Fachangestellte intensiv eingebunden.
Sie übernimmt das Monitoring des Patienten und hält neben einem persönlichen Gespräch zu Beginn in zehn weiteren Telefonaten den Kontakt zu ihm. Sie erfasst, ob der Patient trainiert, notiert seine Erfahrungen und unterrichtet wiederum den Arzt über den Verlauf.
Brigitte Klein-Grünert, Hausärztin in der Region Hof, war an der Studie beteiligt und ist begeistert. "Das Vorgehen ist sehr gut und wirkt lang anhaltend", sagt sie.
Viele der Patienten seien zudem sehr dankbar für die Unterstützung gewesen. Eine Abrechnung des Programms ist laut Studienleiter Gensichen über die psychosomatische Grundversorgung möglich.