Corona-Impfstrategie
„Wir brauchen mehr Mut beim Impfen“
In Großbritannien werden jetzt bereits die unter 50-Jährigen geimpft. Das liegt vor allem an einer mutigeren Impfstrategie. Teil 7 unserer Serie in Kooperation mit IGES.
Veröffentlicht:Berlin. Die britische Variante des Coronavirus heißt bekanntlich nicht nur so, sondern kommt auch von dort und hat im Vereinigten Königreich (UK) wie ein Orkan gewütet. Der Inzidenzanstieg im Dezember in Deutschland war im Vergleich dazu ein laues Lüftchen. Unter Umständen kann dies auch hier passieren, muss es aber nicht.
Die Briten haben zu Beginn des Dezember-Ausbruchs nicht nur einen Lockdown verhängt, sondern am 7. Dezember auch ihr fantastisches Impfprogramm gestartet. Vier Wochen später ließ der Sturm bei den Infektionen nach. Während hierzulande die Corona-Fallzahlen wieder steigen, sinken sie auf der Insel beständig. Dort sind jetzt die unter 50-Jährigen mit dem Impfen dran. Bei uns bremst die Sorge um eine seltene Nebenwirkung der AstraZeneca-Vakzine das ohnehin langsame Impfprogramm weiter aus.
Kosteneffizienz versus Sparfuchs bei der Impfstoffbeschaffung
Was ist passiert? Die Briten haben offensichtlich klarer erkannt, dass man durch Impfen die Krise überwinden kann. Daran haben sie ihr Beschaffungsprogramm ausgerichtet und vorausgesetzt, dass die Ausgaben für ein komplettes Impfprogramm im Promillebereich des Bruttoinlandsproduktes liegen, die Folgen eines ausgedehnten Lockdowns aber leicht den Unterschied von zehn Prozent zwischen Wachstum und Rezession ausmachen können. In der Sprache der „Health economics“ (bekanntlich eine britische Disziplin): „It’s cost efficient“, und zwar so deutlich, dass man darüber nicht lange diskutieren muss. Das hat man in Europa offensichtlich anders gesehen, als im vergangenen Jahr der Sparfuchs mit am Verhandlungstisch saß.
Mut zu verzögerter Zweitimpfung in Großbritannien
Noch etwas haben die Briten anders gemacht: Sie haben offensichtlich darauf vertraut, dass man die Zweitimpfung erheblich später geben kann, und dennoch eine deutliche Wirkung erzielen kann. Der extrem steile Rückgang der Infektionszahlen – der von deutlich rückläufigen Todesfallzahlen begleitet wird – gibt ihnen Recht. Bei einer Quote von 42,1 Prozent bei den Erstimpfungen, liegt die Quote bei den Zweitimpfungen lediglich bei 3,7 Prozent, also 11:1 für die Erstimpfung. In Deutschland sind die entsprechenden Quoten 9,6 zu 4,2 Prozent, also 2:1 für die Erstimpfung (jeweils Stand vom 23. März) – wie zu erwarten, wenn man sich streng an die Zulassung der Wirkstoffe hält. Was die Briten machen, ist sicherlich kühn. Aber bislang überwiegen die Hinweise, dass sie damit weiterkommen als wir. Hätte man diese Strategie in Deutschland angewendet, hätten wir heute rund 15 Prozent der Bevölkerung geimpft – immerhin das Doppelte von heute, aber immer noch weniger als die Hälfte von dem, was die Briten geschafft haben.
Professor Dr. Bertram Häussler ist Vorsitzender der Geschäftsführung des IGES-Instituts
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