Studie
Woher unsere Arznei-Wirkstoffe kommen
Wirkstoffe sollen wieder stärker in Europa hergestellt werden, das möchten auch einige deutsche Gesundheitspolitiker. Eine Studie liefert wichtige Daten – und zeigt, dass das schwierig werden kann.
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Herstellung von Arzneimitteln. In Europa werden immer weniger Arzneimittel produziert, in Asien dagegen immer mehr.
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Berlin. Der „Aufbau einer strategisch positionierten europäischen Gesundheitsindustrie“ zählt zu den gesundheitspolitischen Schwerpunkten der deutschen EU-Ratspräsidentschaft.
Eine aktuelle Studie im Auftrag des Branchenverbands „progenerika“ liefert nun erstmals Daten, wie die Wirkstoffproduktion global aufgestellt ist. Die wichtigste Botschaft lautet: Europa hat in den vergangenen 20 Jahren seine Spitzenposition in der Wirkstoffproduktion weitgehend eingebüßt. Die Zentren dieser Industrie liegen inzwischen in China und Indien. Das mache die Lieferketten anfällig.
Ein überraschendes Ergebnis sei, dass nach wie vor ein Drittel der Wirkstoffproduktion in Europa liege, kommentierte progenerika-Geschäftsführer Bork Bretthauer die Ergebnisse der von der Unternehmensberatung MundiCare erstellten Studie „Woher kommen unsere Wirkstoffe?“. Untersucht wurden ausschließlich generische Wirkstoffe.
Die zentralen Ergebnisse sind:
- Zwei Drittel der für eine Wirkstoffproduktion notwendigen Zulassungen halten Unternehmen in China und Indien; in Deutschland liegen lediglich fünf Prozent.
- Die Produktionsstätten konzentrieren sich auch in Asien an wenigen Standorten, was Klumpenrisiken bedeutet.
- Für ein Sechstel der Wirkstoffe gibt es gar keine europäische Produktion mehr.
- Für mehr als die Hälfte aller Wirkstoffe gibt es weltweit fünf Hersteller oder weniger.
- Die in Europa verbliebene Wirkstoffproduktion konzentriert sich auf niedrige Volumen und komplexe Herstellungsprozesse.
Der Trend zur Verlagerung der Wirkstoffproduktion müsse gestoppt werden, forderte Bretthauer bei der Vorstellung der Untersuchungsergebnisse am Mittwoch in Berlin. Dafür müsse das „Dogma der billigen Arzneimittelpreise“ fallen. Die durchschnittlichen Tagestherapiekosten für die auf dem Markt befindlichen Generika seien bei sechs Cent angekommen.
Nach 30 Jahren Preismoratorien und Festbeträgen liege der Ball im Feld der Politik. Wenn sie Versorgungssicherheit wolle, müsse sich das Einkaufsverhalten nicht mehr nur alleine am Preis, sondern auch an der Sicherheit der Lieferketten und Umweltstandards ausrichten, sagte Bretthauer. „Es darf uns bei der Diskussion über mehr Liefersicherheit nicht nur um Wirkstoffe gehen“, sagte Bretthauer. Das politische Ziel müsse eine alle Fertigungsschritte umfassende Produktion in Europa sein. (af)