Weiterbildung

Zank um Zusatzbezeichnung Homöopathie

"Esoterische Heilslehre" oder "Garant für Patientensicherheit"? Der "Münsteraner Kreis" fordert, die Zusatzbezeichnung Homöopathie abschaffen - das treibt die homöopathischen Ärzte auf die Barrikaden. Im Kern geht es beiden um die Evidenz.

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Beim Thema Homöopathie scheiden sich die Geister.

Beim Thema Homöopathie scheiden sich die Geister.

© monropic / stock.adobe.com

MÜNSTER/BERLIN. Der vor knapp zwei Jahren neugegründete "Münsteraner Kreis" um die Medizinethikerin Professor Bettina Schöne-Seifert appelliert in seinem am Freitag veröffentlichten "Münsteraner Memorandum Homöopathie" an den im Mai bevorstehenden 121. Ärztetag in Erfurt, die Musterberufsordnung zu novellieren.

Das Ziel: Die Abschaffung der Zusatzbezeichnung Homöopathie!

"Der Ärztetag ist eine gute Gelegenheit, dem eigenen Anspruch an Wissenschaftlichkeit gerecht zu werden und endlich mit der Adelung der esoterischen Heilslehre Homöopathie Schluss zu machen", heißt es in dem Memorandum.

Die Gruppe von Medizinern, Ethikern, Juristen und Philosophen setzt sich nach eigenem Bekunden für das konsequente Anbieten evidenzbasierter medizinischer Therapien ein.

Das Expertengremium sieht es als kritisch an, wenn Ärzte komplementäre und alternative Medizin (KAM) – "nichtwissenschaftliche Heilslehre" – anbieten.

Lebhafte Diskussionen

Im August vergangenen Jahres sorgte der Münsteraner Kreis bereits mit seinem "Münsteraner Memorandum Heilpraktiker" für Aufsehen und eine lebhafte Diskussion auch in Fachkreisen. Die Wissenschaftler forderten darin das Ende für die "unangemessene Ausbildung und die meist unhaltbaren Krankheitskonzepte" der Heilpraktiker.

"Nun war es nur konsequent, auch gegen die Ärzte vorzugehen, die komplementäre und alternative Medizin anbieten", erläuterte Schöne-Seifert das aktuelle Vorgehen im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Erwartungsgemäß kein Verständnis für das Begehr des Münsteraner Kreises hat der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ).

"Die von den Ärztekammern verliehene Zusatzbezeichnung Homöopathie hat sich seit Jahrzehnten in der deutschen Ärzteschaft bewährt. Mit Blick auf die Qualitätssicherung und die Patientensicherheit ist die Zusatzbezeichnung Homöopathie ein Garant für eine gute und sichere Versorgung der Patienten", konterte die DZVhÄ-Vorsitzende Cornelia Bajic.

Nach ihren Angaben führen aktuell rund 7000 Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen in Grund- und Regelversorgung die Zusatzbezeichnung Homöopathie.

Die Nachfrage nach ärztlicher Homöopathie sei in den vergangenen 20 Jahren enorm gestiegen. Darüber hinaus sei die Homöopathie im SGB V rechtlich verankert.

"Die mit der Bundesärztekammer eng abgestimmten Lehrinhalte gewährleisten eine kompetente Behandlung der Patienten", so Bajic weiter.

BÄK: Forderungen werden intensiv diskutiert

Wie die Bundesärztekammer (BÄK) auf Anfrage mitteilte, würden die Münsteraner Forderungen "in die Beratungen zur Gesamtnovelle der Musterweiterbildungsordnung einbezogen und intensiv diskutiert".

Knackpunkt beim Handeln der Homöopathie-Ärzte ist für den Münsteraner Kreis die fehlende wissenschaftliche Evidenz.

Wie er ausführt, lägen homöopathische Präparate entsprechend der Lehre des Begründers dieser Fachrichtung, Dr. Samuel Hahnemann, bereits ab dem ersten Dynamisationsgrad in so starker Verdünnung vor, dass es vollkommen unerheblich sei, welche Einzelsubstanz, welche Pflanze oder welches Tier als Ausgangsmaterial dienen.

Die Homöopathie führe die Wirkung ihrer Mittel deshalb auch nicht auf pharmakologische Mechanismen zurück, sondern auf den heilsamen Einfluss immaterieller, geistartiger Wirkkräfte.

"Wenn die Musterweiterbildungsordnung für die Vergabe der Zusatzbezeichnung ‚Homöopathie‘ den Erwerb einer ‚fachlichen Kompetenz in Homöopathie‘ fordert, dann fordert sie nichts anderes als eine ‚Kompetenz‘ im Umgang mit geistartigen Kräften.

Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus wäre es dann ebenso gerechtfertigt, eine Zusatzbezeichnung ‚Gesundbeten‘ für die ‚Kompetenz‘ zu vergeben, welche Gebete zu welchen Heiligen bei welchen Krankheiten zur Anwendung kommen sollen", heißt es launisch in dem Memorandum.

Verweis auf Patientennachfrage

Das Gegenargument der DZVhÄ-Vorsitzenden Bajic: "Homöopathische Ärzte bekennen sich zur Wissenschaftlichkeit. Die ärztliche Homöopathie ist wirksam und evidenzbasiert. Das ist durch zahlreiche Studien belegt. In ärztlicher Hand ist sie ein wichtiger Bestandteil einer Integrativen Medizin, die das Beste aus der konventionellen Medizin und der ärztlichen Homöopathie zum Wohle des Patienten verbindet."

Die ärztliche Homöopathie werde zudem von tausenden Ärzten seit über 200 Jahren erfolgreich angewendet, und sie werde – wie in sozialwissenschaftlichen Befragungen hinreichend belegt – auch von den Patienten gefordert, so Bajic. (maw)

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Kommentare
Dr. Günther Müller 09.03.201821:00 Uhr

Wissenschaft??

Mein persönlicher Antrag für den kommenden Ärztetag, mit hoffentlich der gleichen öffentlichen Aufmerksamkeit, ist die Einführung der Positivliste von Wirkstoffen und Therapien. Und dann ist nur noch zulässig was durch expliziten wissenschaftlichen Beweis wirksam ist. Allerdings bedeuted wissenschaftlich auch die Vorgehensweise in der anerkannten Systematik. Nach diesem weltweit seit geraumer Zeit anerkanntem Vorgehen wundere ich mich über die "Münsteraner". Zunächst würde die Wirkweise der Homöopathie als Arbeitshypothese gelten. Danach würde durch Versuch und Experiment diese entweder bestätigt oder entkräftet. Dies geschähe ohne eine Präferenz oder Voreingenommenheit der "Wissenschaftler". Hier wird aber argumentiert nach dem unwissenschaftlichen Prinzip: "es kann nicht sein was nicht sein darf". Spätestens ab hier versteht jeder warum Prof. F. Sauerbruch in der etablierten Medizin seiner Zeit und Wissenschaft "Persona non grata" wurde.
Wäre in der Physik nach den gleichen Maßstäben vorgegangen worden, gäbe es keine allgemeine und/oder spezielle Relativitätstheorie, sowie die Erkenntnis, dass die Quantenmechanik sowieso nochmal eine andere Welt ist. Wenn die jetzige etablierte medizinische Wissenschaft nicht in der Lage ist die Wirkweise von Homöopathie und/oder Akupunktur zu erklären, so ist das nicht ein Problem für deren Verfechter und Protagonisten, sondern eher ein Zeugnis von Unfähigkeit, inkompletten Verständnis und Erkenntnis der menschlichen Gesamtheit und des biologischen Lebens als Ganzes. Unbestritten in der Praxis und dies teilweise seit Jahrhunderten, ist die vorhandene Wirkung dieser Therapien. Es gibt einen wahren Satz zur Mahnung: " Wissenschaft ist die permanente Irrtumskorrektur". Liebe "Münsteraner" sorgen Sie lieber dafür, dass die vielen hunderttausend Krankenhauseinweisungen wegen falscher und wechselwirkender Medikationen bei Patienten aufhört und zukünftig vermieden werden kann. Von der Anzahl der dadurch verstorbenen Personen ganz abgesehen. In diesem Kontext ist es direkt bösartig lächerlich die Aufmerksamkeit auf einem Ärztetag auf die Abschaffung der Homöopathie zu setzen. Wenn es keine Wirkung gibt, gibt es auch keine Nebenwirkung !!! Stellen Sie als medizinischer Arbeitskreis lieber Anträge zum Wohle der Patienten. Jeder weitere Kommentar ist überflüssig.

Björn Bendig M.A. 09.03.201814:12 Uhr

Berücksichtigen Sie doch die Stellungnahme der homöopathieschen Ärzte zum Thema

Der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) würde es begrüßen, wenn die Ärzte Zeitung auch die seit gestern veröffentlichte Pressemitteilung der homöopathischen Ärzte berücksichtigt (wie die dpa und andere):

https://www.homoeopathie-online.info/zusatzbezeichnung-homoeopathie-fuer-aerzte-ein-garant-fuer-patientensicherheit/

Berlin, 8. März 2018. Homöopathie-Kritiker des „Münsteraner Kreises“ behaupten aktuell, ärztliche Homöopathie sei eine „unwissenschaftliche Heilslehre“ und fordern eine „Abschaffung“ der durch die Ärztekammern verliehenen Zusatzbezeichnung Homöopathie.
Dazu erklärt Cornelia Bajic, 1. Vorsitzende des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte (DZVhÄ): „Die von den Ärztekammern verliehene Zusatzbezeichnung Homöopathie hat sich seit Jahrzehnten in der deutschen Ärzteschaft bewährt. Immer mehr Ärzte führen sie, aktuell sind es rund 7000 Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen, in Grund- und Regelversorgung.
Die Nachfrage nach ärztlicher Homöopathie ist in den letzten 20 Jahren enorm gestiegen. Mit Blick auf die Qualitätssicherung und die Patientensicherheit ist die Zusatzbezeichnung Homöopathie ein Garant für eine gute und sichere Versorgung der Patienten. Darüber hinaus ist die Homöopathie im Fünften Sozialgesetzbuch (SGB V) rechtlich verankert. Die mit der Bundesärztekammer eng abgestimmten Lehrinhalte gewährleisten eine kompetente Behandlung der Patienten.
Homöopathische Ärzte bekennen sich zur Wissenschaftlichkeit. Die moderne Evidenzbasierte Medizin (EbM) stützt sich per Definition auf drei Säulen: auf die klinische Erfahrung der Ärzte, die Werte und Wünsche des Patienten und den aktuellen Stand der klinischen Forschung. Die ärztliche Homöopathie wird von Tausenden Ärzten seit über 200 Jahren erfolgreich angewendet – soweit die klinische Erfahrung, sie wird von Patienten gefordert, was sämtliche sozialwissenschaftliche Befragungen zeigen. Und eine zusammenfassende Betrachtung klinischer Forschungsdaten belegt hinreichend einen therapeutischen Nutzen der homöopathischen Behandlung[1].
Die ärztliche Homöopathie ist wirksam und evidenzbasiert. Das ist durch zahlreiche Studien belegt. In ärztlicher Hand ist sie ein wichtiger Bestandteil einer Integrativen Medizin, die das Beste aus der konventionellen Medizin und der ärztlichen Homöopathie zum Wohle des Patienten verbindet.“
Der DZVhÄ ist der Berufsverband der homöopathischen Ärzteschaft und der älteste Ärzteverband in Deutschland, gegründet 1829 in Köthen/Anhalt. Seit Jahrzehnten trägt der DZVhÄ zu einer von den Ärztekammern anerkannten, fundierten und praxisorientierten Aus- und Weiterbildung im Bereich Homöopathie bei – der Zusatzbezeichnung Homöopathie.


[1] Forschungsreader der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Homöopathie (WissHom, 2016): „Der aktuelle Stand der Forschung zur Homöopathie“, einsehbar unter: https://www.homoeopathie-online.info/category/wisshom/

Rudolf Hege 09.03.201813:43 Uhr

Neue Heilslehre mit Namen Wissenschaft?

Es gab eine Zeit, da verfolgten die Gläubigen die Wissenschaftler. Und nun verfolgen die Wissenschaftler die Gläubigen. Die neue Inquisition ist da kaum besser als die alte. Kaum ein Patient nimmt an, dass die Homöopathie eine Naturwissenschaft ist. Also lasst den Leuten die Wahl, wie sie behandelt werden wollen. Es ist schließlich ihr Leben und ihre Gesundheit.

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