Münsteraner Kreis

Weg mit dem Heilpraktikerberuf!

Der neu gegründete "Münsteraner Kreis", eine Gruppe von 17 Wissenschaftlern um die Medizinethikerin Bettina Schöne-Seifert, fordert aktuell das Ende für die "unangemessene Ausbildung und die meist unhaltbaren Krankheitskonzepte" der Heilpraktiker – mit zwei Handlungsoptionen.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Gehört zum Repertoire vieler Heilpraktiker: Die Behandlung mit Homöopathika.

Gehört zum Repertoire vieler Heilpraktiker: Die Behandlung mit Homöopathika.

© Ideenkoch / stock.adobe.com

MÜNSTER. Der neu gegründete "Münsteraner Kreis" um Bettina Schöne-Seifert, Professorin für Medizinethik an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, plädiert für die Abschaffung des Heilpraktikerberufes oder alternativ die Einführung sogenannter "Fach-Heilpraktiker". Dies sind nach Ansicht der 17-köpfigen Expertengruppe die einzigen Optionen, um das "Missverhältnis von Qualifizierung und Befugnissen der Heilpraktiker zu korrigieren, ohne dabei die Selbstbestimmungsrechte der Patienten ungebührlich zu beschränken", wie es in dem "Münsteraner Memorandum Heilpraktiker" heißt.

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Weg mit den Heilpraktikern?

Der an den Gesetzgeber gerichtete Appell zur Reform des Heilpraktikerwesens zum Nutzen der Patienten richtet sich gegen die nach Auffassung des Gremiums "unangemessene Ausbildung und die meist unhaltbaren Krankheitskonzepte" der Heilpraktiker. Der Münsteraner Kreis verweist im Zusammenhang einer Beschränkungslösung, die Heilpraktikern gemessen am Status quo weitere ärztliche Tätigkeiten verbieten würde, auf einen konsentierten Vorstoß des Deutschen Ärztetages vom Mai. "Vom derzeit zulässigen Tätigkeitsumfang von Heilpraktikern sind alle invasiven Maßnahmen (wie chirurgische Eingriffe, Injektionen und Infusionen) sowie die Behandlung von Krebserkrankungen auszuschließen", forderte der 120. Deutsche Ärztetag in Freiburg in einer Entschließung zur Reform des Heilpraktikerwesens.

Der Ärztetag verband das gleichzeitig mit der Forderung an den Gesetzgeber, "eine Definition der Heilkunde an geeigneter Stelle gesetzlich zu verankern, die eine deutlichere Abgrenzung von Paramedizin und dem Heilpraktikerwesen erlaubt."

"Überwiegend unwissenschaftliche Gedankenwelt"

Um eben diese Abgrenzung geht es auch den Vertretern des Münsteraner Kreises, der gar von Parallelwelten – der Welt der akademischen Medizin und der Welt der Heilpraktiker – spricht. Während die akademische Medizin nach Evidenzbasierung und begründetem Fortschritt strebe, seien Heilpraktiker in der, wie die Kritiker betonen, überwiegend unwissenschaftlichen Gedankenwelt der Komplementären und Alternativen Medizin (KAM) verankert. Erschwerend hinzu komme die deutliche Inkongruenz der Ausbildungsgänge mit dem langen Medizinstudium auf der einen und der kurzen, weitgehend unregulierten Ausbildung zum Heilpraktiker auf der anderen Seite.

Die Experten um Schöne-Seifert befürchten mit Blick auf die medizinische Qualifikation, dass Patienten hier in der Regel nicht klar zu unterscheiden vermögen. "Da Heilpraktiker das Etikett ‚staatlich anerkannt‘ bekommen, können Patienten leicht den falschen Eindruck gewinnen, es handle sich bei Medizinern und Heilpraktikern um gleichwertige Alternativen", so die Wissenschaftler.

Drehe der Gesetzgeber an der Stellschraube der Qualifizierung, so strebt dem Kreis "die Kompetenzlösung der Fach-Heilpraktiker mit wissenschaftsorientierter Ausbildung und staatlicher Prüfung" vor. Staatlich anerkannter Fach-Heilpraktiker solle dann nur werden können, wer bereits eine Ausbildung in einem der speziellen nicht-akademischen/teilakademischen Heilberufe absolviert hat wie Ergo- oder Physiotherapeuten. Diese sollten "auf Fachhochschul-Niveau eine zusätzliche, fachspezifische Ausbildung erhalten", die sie zum Fach-Heilpraktiker qualifiziere – beschränkt auf ihr jeweiliges, originäres Tätigkeitsfeld.

Heilpraktikergesetz

» Gesetzeslage: Im Dezember 2016 hat der Gesetzgeber mit dem Dritten Pflegestärkungsgesetz (PSG III) das Heilpraktikergesetz und die Erste Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz geändert.

» Leitlinien: Bis Ende 2017 sollen unter Beteiligung der Länder einheitliche Leitlinien erarbeitet werden, auf deren Grundlage künftig die Kenntnisprüfung von Heilpraktikeranwärtern durchgeführt werden soll.

» Ursprung: Das Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz) trat zum 21. Februar 1939 in Kraft.

Lesen Sie dazu auch: Alternativmedizin: Ruf nach konsequentem Patientenschutz

Kommentare
Katja Stumpp 29.08.201714:08 Uhr

Anspruchsvolle HP-Ausbildung

Ja, es gibt sie die anspruchsvolle HP-Ausbildung. Ich durchlaufe aktuell selbst eine (zunächst!) dreijährige HP-Ausbildung - die sicher durch die Wahl von Schwerpunktthemen noch um ein paar Jahre verlängern wird. Selbstverständlich ist diese nicht vergleichbar mit einem Studium der Humanmedizin - ich möchte ja auch keine Medizinerin werden. Dennoch ist die HP-Ausbildung auf dem von mir gewählten Weg medizinisch anspruchsvoller als der bisher von mir erlernte Beruf (MFA/Schwester Unfallchirurgie,medizin.Akademie Rehagallmanagerin u.a...). Selbstverständlich vermitteln meine Dozenten schulmedizinisches Wissen und verstehen unser Fach als wertvolle Ergänzung der Schulmedizin - nicht Ersatz derselben. Es stimmt mich traurig, dass HPA wie mir der Weg - die wir verantwortungsvoll viel Zeit und Geld in den Weg zu einem sinnvollen Therapeutenberuf (so er gut vermittelt wird) investieren, pauschal scheinbar der gesunde Menschenverstand und das Verantwortungsbewusstsein gegenüber unserer Patienten abgesprochen wird. Die Amtsarztprüfung - der Name verrät es - von Ärzten abgenommen wird und eine Durchfallquote von 70-90% sprichtdoch für sich, sodass die geringen Zulassungsvoraussetzungen kein Argument mehr sein dürften. Die Notwendigkeit für eine bundeseinheitliche Ausbildung - ist m.E. dennoch unabdingbar, um diese immer wiederkehrenden Diskussionen zu beenden und Verunsicherung seitens der Patienten zu nehmen. Was spricht dagegen hier ein eigenständiges Berufsbild als qualifizierten Ausbildungsberuf zu beschließen, wenn eine bundeseinheitluche Ausbildung und qhalitativ hochwertige Ausbildung dann endlich nachweislich sicherhestellt würdeswegen soll eine Verknüpfung mit

Dr. Robert Künzel 29.08.201713:38 Uhr

Ich glaube da steckt etwas gaaanz anderes dahinter, denn...

.... die wackeren Münsteraner verweisen ja darauf, daß es in Deutschland schon einmal die "Abschaffung" eines Medizinalberufes gegebenhat, und zwar die des Dentisten in den 50er Jahren.

Da wird nun ein Schuh draus, denn wer sich einmal mit der Geschichte der Dentisten befasst wird sehen, daß diese mitnichten "abgeschafft" wurden. Ganz im Gegenteil, es gab eine sehr großzügige Übergangsregelung für die Dentisten, diese konnten sich mit recht moderaten "Zusatzqualifikationen" zu veritablen ordentlich bestallten Zahnärzten aufwerten lassen.

Nun gibt es ja seit Jahr und Tag schon diverse Pläne, die viel zu teuren und überqualifizierten Ärzte wegzurationalisieren und statt dessen "Physician Assistants", "Practising Nurses", "Doctors of Osteopathy" und was weiß ich noch für wunderliche neue Berufe zu schaffen und auch zu etablieren. Aus dem örtlichen Klinikum (in privater Trägerschaft) erhalte ich z.B. aus der Abt. f. Handchirurgie schon seit geraumer Zeit "Arzt"-Briefe, die von einem "Physician Assistant" statt eines Assistenzarztes ausgefertigt werden.
Nur woher all diese Leute schnellstmöglich herzaubern ?
Da bieten sich doch die Heilpraktiker geradezu an. Natürlich nicht die "bösen" unqualifizierten HP, die man ja gerade erst abzuschaffen gedenkt. Nein, durch "staatlich kontrollierte" Nachqualifikation zieht man diesen "Schmuddelkindern" schnell neue saubere Kleidchen an und macht aus Ihnen ordentlich approbierte Medizinalpersonen, ganz genauso wie seinerzeit aus den geschmähten Dentisten plötzlich veritable approbierte Zahnärzte wurden.
Nun kann man all die Stellen mit preiswerten "Fachkräften" besetzen, die bisher Ärzten vorbehalten waren und zugleich durch eine reguläre Ausbildungsordnung auch den Nachwuchs für die Zukunft sichern.

Ein wahrlich genialer Plan, der vordergründig viele aktuelle Probleme zu lösen verspricht und analog der Dentisten kräht schon nach kurzer Zeit kein Hahn mehr danach, welche Ausbildung dieser frisch approbierte Heiler denn durchlaufen haben mag.

Also nach meinem Dafürhalten wird hier ein Masterplan zur Etablierung einer neuen Generation (teil)approbierter Medizinalpersonen quasi auf FH-Ebene durchgezogen mit dem Ziel, schnell und billig bisher rein ärztliche Tätigkeiten zu substituieren. Schöne neue Welt.

Dr. Thomas Fein 29.08.201708:36 Uhr

Mal wieder Münster!

Vor 30 Jahren waren es Irmgard Oepen und Otto Prokop in Münster, die ähnliche Forderungen hatten. Es ist nichts draus geworden, niemand kennt sie heute mehr. Also einfach Ruhe bewaren!

Henning Fischer 29.08.201708:03 Uhr

13 Schuljahre, 6 Jahre Studium, 5 Jahre Facharztausbildung, volle Haftung


Grundschule, irgendeine Lehre, unbestimmte Ausbildung, keine Fachprüfung, keine Verantwortung (Narrenfreiheit)

Wer zum Heilpraktiker geht läßt seinen Mercedes S-Klasse auch an der Tankstelle warten.

Ganz schön blöd

PD Dr. Immo Schroeder-Printzen 28.08.201714:09 Uhr

Typische Hybris der Schulmedizin

Auch die Schulmedizin kann bei vielen Krebspatienten nicht helfen, es sei denn eine Lebensverlängerung um wenige Wochen zählt als Hilfe. Ein pauschales Verbot ist daher nicht sinnvoll.

Ich glaube wenn mann die falsch behandelten Patien ten ins VErhältnis zu allen Behandelten setzt kommt keine schlechere FEhlerquote als bei den Medizinern raus. Warum dann ein Verbot, nur weil es ein paar gibt, die über das ZIel hinausschießen?

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