Ärztevertreter
Zu weit darf Arbeitsteilung nicht gehen
Engere Zusammenarbeit ja, Substitution nein: So lässt sich die Einstellung vieler Ärztevertreter zur Übertragung ärztlicher Leistungen auf andere Gesundheitsberufe zusammenfassen. Andere europäische Länder sind da offenbar schon weiter.
Veröffentlicht:BERLIN. Dr. Theodor Windhorst, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hat sich für eine stärkere Zusammenarbeit aller Gesundheitsberufe ausgesprochen, hält die Substitution von ärztlichen Tätigkeiten aber für die falsche Antwort auf den Ärztemangel.
"Wir sehen die Diskussion um Substitution sehr kritisch", sagte Windhorst auf dem 44. Symposion der Kaiserin Friedrich-Stiftung für das ärztliche Fortbildungswesen in Berlin.
Die zentrale Rolle des Arztes im deutschen System sei richtig, das beweise die hohe Sicherheit im Vergleich zu anderen Ländern. "Es geht um die Patientensicherheit, es geht um eine qualitativ hochwertige Versorgung."
So zeige ein Blick auf die Hebammen, dass Fehler hier häufiger passierten als bei der Entbindung durch Ärzte. Das erkläre auch den starken Anstieg bei den Prämien für die Berufshaftpflichtversicherungen der Berufsgruppe, sagte Windhorst.
Wie gelingt die Arbeitsteilung?
Rund 100 Juristen und 50 Mediziner nahmen an der Veranstaltung mit dem Titel "Ausübung der Heilkunde - durch wen und wie? Delegation, Substitution, Assistenz" teil.
Auf dem zweitägigen Symposion beschäftigten sich 20 Referenten aus verschiedenen Blickwinkeln mit der Frage, ob und auf welche Weise eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Ärzten und anderen Gesundheitsberufen die Folgen des Ärztemangels in Teilen Deutschlands abfedern kann.
"Es kommen verschiedene Faktoren zusammen, die zur Überlegung Anlass geben, wie wir in der Zukunft die Arbeitsteilung vornehmen", erläuterte Dr. Gisela Albrecht, Geschäftsführerin der Kaiserin Friedrich-Stiftung, einleitend zum Thema der Veranstaltung.
Es stelle sich die Frage, ob die Arbeitsteilung weiter auf die Delegation von Leistungen an andere Gesundheitsberufe beschränkt bleibt oder ob es möglich ist, ärztliche Leistungen in Form der Substitution auszugliedern und auf nicht-ärztliche Mitarbeiter zu übertragen, sagte Albrecht.
Zu den Unterschieden zwischen Substitution, Delegation und Assistenz, sagte der Medizinrechtler Professor Jochen Taupitz: "Bei der Substitution wird eine Tätigkeit in voller rechtlicher Verantwortung durch andere Berufsgruppen durchgeführt.
Wo der Gesetzgeber einen Ärztevorbehalt vorsieht, geht das nicht." Anders sei es bei der Delegation, wo die Anordnungsverantwortung beim Arzt verbleibe und die Pflegekraft nur die konkrete Handlung verantworte.
Bei der Assistenz sei die Zusammenarbeit noch enger, hier gehe es lediglich um untergeordnete Tätigkeiten, so Taupitz. Als einsames Beispiel für Substitution in Deutschland nannte er die Tätigkeit von Hebammen in Geburtshäusern. "Sie werden selbständig tätig", sagte Taupitz.
"Müssen viele Dinge überdenken"
Der Gesetzgeber hat im Paragraf 63 SGB V bestimmte Tätigkeiten der Heilkunde festgelegt, die im Rahmen eines Modellvorhabens von Kranken- oder Altenpflegern ausgeübt werden könnten.
Konkret geht es um Leistungen im Zusammenhang mit Diabetes Typ-1 und Typ-2, chronischen Wunden, Hypertonie und Demenz. Allerdings ist keine vollständige Substitution vorgesehen.
"Es muss eine ärztliche Diagnose und Indikationsstellung geben", sagte Taupitz. Bisher hat es ein solches Modellvorhaben allerdings noch nicht gegeben. Das kritisierte Thomas Meißner, Präsidiumsmitglied im Deutschen Pflegerat.
"Wenn wir Versorgungen verändern wollen, warum machen wir dann nicht mal ein Modell, um herauszufinden, wo die Stolpersteine sind?", fragte er.
Die Notwendigkeit einer Neuorganisation bei der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Heilberufen ergebe sich auch aus den veränderten Anforderungen in der Pflege, so Meißner. "Wir müssen viele Dinge überdenken, aber das ist eine Chance."
Im europäischen Vergleich ist die deutsche Zurückhaltung in Sachen selbstverantwortlicher Tätigkeit medizinischer Fachangestellte die Ausnahme, berichtete Dr. Manfred Richter-Reichhelm, Facharzt für Urologie und Kuratoriumsmitglied der Kaiserin Friedrich-Stiftung.
"Deutschland bildet das Schlusslicht, lediglich Hebammen können ihre Leistungen im Direktzugang erbringen, während dies zum Beispiel in Großbritannien und in den Niederlanden auch Diätassistenten, Logopäden, Ergotherapeuten, Physiotherapeuten und Podologen möglich ist", sagte der ehemalige Vorsitzende der KBV.