Finanzielle Lage der GKV
Zusatzbeiträge 2025: Hiobsbotschaften im Tagesrhythmus
Die Krankenkassen legen in diesen Tagen ihre Zusatzbeiträge für 2025 fest. Die GKV-Ausgaben sind aus dem Ruder gelaufen, Kassen mussten Rücklagen an den Gesundheitsfonds abführen. GKV-Mitglieder erhalten jetzt die Quittung.
Veröffentlicht: | aktualisiert:Berlin. Bei den 95 gesetzlichen Krankenkassen steht in der Regel eine XXL-Erhöhung der Zusatzbeiträge an. Die Entscheidungen der Verwaltungsräte, die überwiegend bis Mitte Dezember den kassenindividuellen Zusatzbeitrag für 2025 festlegen, bedeuten schlechte Botschaften für die Mitglieder und für ihre Arbeitgeber: Es stehen zumeist Beitragssatzsprünge an – unterm Strich wird für viele Beschäftigte trotz Entlastungen an anderer Stelle weniger netto vom brutto bleiben.
Knappschaft muss auf 4,4 Prozent erhöhen
Anfang dieses Jahres variierten die Zusatzbeiträge je nach Kasse noch von 0,9 bis maximal 3,28 Prozent – die rote Laterne trug bisher die Kaufmännische Krankenkasse (KKH). Dieser Höchstwert wird jetzt pulverisiert.
Der Auftakt der Erhöhungsspirale für 2025 fiel vor wenigen Tagen spektakulär aus: Die Knappschaft mit rund 1,4 Millionen Versicherten muss nach Medienberichten ihren bereits überdurchschnittlichen Zusatzbeitrag von 2,7 auf 4,4 Prozent erhöhen. Der Gesamtbeitragssatz erreicht damit einen Rekordwert von 19 Prozent (siehe nachfolgende Tabelle).
Täglich werden in den kommenden drei Wochen die Entscheidungen weiterer Kassen bekannt – es werden in der Regel Hiobsbotschaften sein. Zusätzlicher Treibsatz für die Kassenbeiträge sind die höheren Beitragsbemessungsgrenzen, die vom Gesetzgeber für 2025 festgelegt wurden. Statt wie in diesem Jahr maximal 62.100 Euro werden ab 2025 bis zu 66.150 Euro der Kassenmitglieder verbeitragt – monatlich 5.512,50 Euro statt bisher 5.175 Euro.
Wirtschaftliche Rahmendaten sind schlecht
Den Auftakt der Erhöhungsrunde hatte Mitte Oktober der Schätzerkreis beim Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) gemacht. Die Fachleute aus Behörde, GKV-Spitzenverband und Bundesgesundheitsministerium (BMG) empfahlen, den durchschnittlichen Zusatzbeitrag für 2025 um 0,8 Prozentpunkte auf 2,5 Prozent zu erhöhen. Das BMG ist Anfang November dieser Empfehlung gefolgt.
Veröffentlichung im Bundesanzeiger
Jetzt amtlich: Durchschnittlicher Zusatzbeitragssatz bei 2,5 Prozent
Die GKV verzeichnet in diesem Jahr bereits nach drei Quartalen ein Defizit von rund 3,6 Milliarden Euro. Der GKV-Spitzenverband geht aktuell nach Angaben der Verbandsvorsitzenden Doris Pfeiffer aufs gesamte Jahr gesehen von einer Lücke von 4,0 bis 4,5 Milliarden Euro aus.
Unterdessen sind auch die wirtschaftlichen Rahmendaten für 2025 düster. Der Sachverständigenrat – die „Wirtschaftsweisen“ – erwarten für 2025 nur ein Mini-Wachstum von 0,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Die Arbeitslosigkeit wird demnach auf 6,1 Prozent steigen, das Beschäftigungswachstum zum Erliegen kommen. Folge davon: Die Einnahmen der Sozialkassen werden nur noch dank steigender Beitragssätze zunehmen.
Stark verschlechterte Finanzsituation der Krankenkassen
Nach drei Quartalen: GKV mit rund 3,6 Milliarden Euro im Minus
Bereits im Herbst dieses Jahres hatten 53 Kassen seit Jahresbeginn ihren Zusatzbeitrag erhöht. Eine Novität ist, dass 23 Kassen diesen bei ihren Mitgliedern unbeliebten Schritt sogar zweimal vornehmen mussten.
Ein Grund dafür ist, dass der Schätzerkreis im Herbst 2023 mit seiner Prognose für 2024 massiv danebengelegen hat. Statt 1,7 Prozent hätte der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz in diesem Jahr bei 2,0 Prozent liegen müssen.
Rücklagen teils unter 20 Prozent einer Monatsausgabe
Zur Jahresmitte verfügten 21 Kassen nicht einmal mehr über die gesetzlich vorgeschriebene Mindestrücklage von 20 Prozent einer Monatsausgabe. Paragraf 260 SGB V schreibt vor, dass die betroffenen Kassen im Folgejahr – also 2025 – den Fehlbetrag mindestens zur Hälfte wieder auffüllen müssen, um wieder eine Mindestrücklage zu erreichen.
Dies ist ein Faktor, der zusätzlich Druck auf die Zusatzbeiträge ausüben wird. Besonders niedrig war die Rücklagenquote bereits zur Jahresmitte bei den Innungskassen (sieben Prozent) und bei der Knappschaft (elf Prozent).
Das Bundesamt für Soziale Sicherung – es überwacht die Finanzen von 59 der bundesweit 95 Kassen – will sich auf Anfrage der Ärzte Zeitung nicht dazu äußern, wie viele Krankenkassen dieses Jahr mit einem Defizit abschließen werden. Eine Aussage darüber sei erst möglich, wenn deren Haushaltspläne für 2025 abschließend geprüft worden seien.
Das BAS genehmige den Zusatzbeitragssatz einer Krankenkasse nur, wenn diese die vorgeschriebene Auffüllung der Rücklage im Haushaltsplan vorgesehen hat, teilt die Bonner Behörde mit. Unterjährig überwache das BAS zunächst die Finanzentwicklung durch Anforderung und Auswertung von Daten und Stellungnahmen. Im Einzelfall werde eine Kasse auch „aufsichtsrechtlich beraten“.
Nimmt das Fusionskarussell Fahrt auf?
Die prekäre Finanzlage könnte in der GKV ein Treiber für Fusionen sein. Seit 2022 habe es bei den bundesunmittelbaren Kassen nur einen Zusammenschluss gegeben, ein weiterer zeichne sich bisher für 2025 ab, heißt es von Seiten des BAS. Fusionen hat es in den vergangenen zwei Jahren ausschließlich unter mehrheitlich kleinen Betriebskrankenkassen gegeben.
Es sei aber „nicht unrealistisch“, dass die zunehmend schwierige finanzielle Situation vor allem kleinere Kassen zu diesem Schritt nötigt, erklärt die Behörde. Die Vorgaben der Aufsicht seien dabei immer die dieselben: „Die neue Krankenkasse muss finanziell stabil sein und die für alle Krankenkassen geltenden vermögensrechtlichen Anforderungen erfüllen.“
Mit der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 ist zunächst gesundheitspolitischer Stillstand programmiert. Bis eine neue Bundesregierung sich sortiert hat, wird die GKV auf Sicht fahren müssen.
Frank Plate, Präsident des BAS, beschreibt die Konsequenzen für die Arbeit seiner Behörde so: Es sei zu befürchten, dass die finanzielle Situation der Krankenkassen auch im kommenden Jahr angespannt bleibt. „Für das BAS bedeutet dies umso mehr, dass die Entwicklung jeder einzelnen Krankenkasse genau beobachtet werden muss.“ (fst)