MPU
Abstinenznachweis kann Betroffene und Ärzte verwirren
Die neuen Regeln für die Medizinisch-Psychologische Untersuchung finden in den Alltag. Der Abstinenznachweis für Kandidaten, die nach Alkohol oder Drogen am Steuer den Führerschein wieder erhalten wollen, stellt allerdings komplexe Anforderungen an die Beteiligten.
Veröffentlicht:BERLIN. Seit etwa zwei Jahren wird die Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) überarbeitet, um sie für die jährlich etwa 80.000 Betroffenen transparenter zu machen.
Hintergrund ist, dass nach Führerscheinverlust durch Alkohol oder Drogen am Steuer der Betroffene einen Abstinenznachweis erbringen muss, um seine Fahrerlaubnis wiederzuerlangen.
Dieser wird meist im Rahmen einer MPU gefordert. Bei der MPU wird nach Angaben der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), die die Begutachtungsleitlinien herausgibt, geprüft, ob der Kandidat aus seinen Fehlern gelernt hat und sich sein fehlerhaftes Verhalten geändert hat.
Gutachter gehen laut BASt davon aus, dass Menschen sich nur dann erfolgreich - ausreichend erprobt und stabil, in der Regel zwischen sechs Monaten und einem Jahr - verändern können, wenn geklärt ist, was sie genau falsch gemacht haben und warum sie es so und nicht anders gemacht haben.
Am 1. Mai trat eine Neuauflage der Beurteilungskriterien in Kraft. Doch seither herrscht nach den Erfahrungen der Laborärztlichen Arbeitsgemeinschaft für Diagnostik und Rationalisierung (LADR) sowohl bei den Klienten als auch bei vielen Ärzten Unklarheit über Kosten, geeignete Begutachter und Zuständigkeiten.
So dürfen laut LADR Ärzte und Toxikologen nur noch dann eine Fahreignungsbegutachtung durchführen, wenn sie über eine spezielle Fortbildung oder Qualifikation verfügen. Derartige Kurse würden derzeit in Teilen Deutschlands jedoch nur selten angeboten.
Probennahme nicht beim Hausarzt
Ein essenzielles Kriterium bei der MPU ist laut LADR die spezielle Weiterbildung, die ein Dienstleister benötige, wenn er nicht zum Beispiel in ein entsprechend aufgestelltes Labor eingebunden ist.
Da die entnehmende Stelle dem Klienten gegenüber neutral sein müsse, seien der behandelnde Arzt, suchttherapeutische Beratungsstellen oder ein Therapeut von der Durchführung der Probennahme und des Programms ausgeschlossen, wie Dr. Lars Wilhelm, Leiter der Abteilung Toxikologie bei der LADR GmbH in Geesthacht, verdeutlicht.
Nach Ansicht Wilhelms bergen die neuen Beurteilungskriterien "die Gefahr, dass es zu einer Überregulierung kommt." Gleichzeitig sei jedoch zu befürchten, dass sie zu einer Unterversorgung in ländlichen Gebieten führten, da es dort derzeit nur wenige Ärzte mit den entsprechenden Qualifikationen gebe.
Am 1. Mai 2014 trat die 3. Auflage der "Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung - Beurteilungskriterien", die von der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie (DGVP) und der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin (DGVM) herausgegeben wird, in Kraft.
Die neuen Qualitätsanforderungen zum Abstinenzprogramm sehen laut LADR vor, dass die Durchführung des Programms bzw. die Probennahme verantwortlich durch einen Arzt mit der Gebietsbezeichnung Rechtsmedizin, einen Arzt in einer Begutachtungsstelle für Fahreignung, einen Arzt/Toxikologen in einem für forensische Zwecke akkreditiertem Labor oder einen Arzt der öffentlichen Verwaltung, der die hierfür erforderliche Qualifikation besitzt, erfolgt.
Alternativ könne das Programm von einem anderen in Paragraf 11 (2) Fahreignungsverordnung genannten Arzt verantwortlich durchgeführt werden, der unter anderem seine spezifische Qualifikation für forensische Abstinenzkontrollen durch einschlägige Weiterbildungen darlegen könne.
Verweis an TÜV oder Gesundheitsamt ratsam
Obwohl der gesamte Prozess umfangreich geregelt sei, blieben viele Fragen. "Das liegt auch daran, dass die durchführende Stelle ein Arzt mit entsprechender Fortbildung sein kann, der Gutachter aber in einer ganz anderen Einrichtung wie dem TÜV sitzt", so Wilhelm.
Dies mache das System für die MPU-Klienten unübersichtlich. Sie seien oft generell im Unklaren darüber, welche Anlaufstellen es gibt, wenn ein Abstinenznachweis erbracht werden müsse.
Sie könnten sich an den TÜV, die DEKRA oder ähnliche Einrichtungen wenden. Auch Gesundheitsämter und Rechtsmedizinische Institute führten die Probennahmen durch. "An diese Stellen sollte der behandelnde Arzt seine Patienten verweisen, wenn diese sich erkundigen", rät Wilhelm Hausärzten.
Dass sich die MPU durchaus lohnen kann, zeigt die Tatsache, dass 2013 rund 57 Prozent der Betroffenen wieder als geeignet für den Straßenverkehr eingestuft wurden.