Betriebliches Gesundheitsmanagement
Bald nur noch Prävention light in Betrieben?
Eine geplante Änderung im Einkommensteuergesetz könnte das Betriebliche Gesundheitsmanagement für Unternehmen erheblich verteuern. Denn: Es droht der Zertifizierungszwang.
Veröffentlicht:In dem Bemühen um die Gesunderhaltung ihrer Belegschaften drohen vielen Unternehmen in Deutschland jetzt krasse Einschnitte – und zwar bei Angeboten im Rahmen ihres Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM). Grund ist eine im Zuge des Jahressteuergesetzes 2019 anstehende Änderung des Paragrafen 3 Nr. 34 Einkommensteuergesetz (EStG). Darin ist bisher geregelt, dass Angebote des Arbeitgebers zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands und der betrieblichen Gesundheitsförderung steuerfrei sind, „die hinsichtlich Qualität, Zweckbindung und Zielgerichtetheit den Anforderungen der §§ 20 und 20a des Fünften Sozialgesetzbuchs genügen, soweit sie 500 Euro im Kalenderjahr nicht übersteigen.“
Das im Juli 2015 in Kraft getretene Präventionsgesetz, das die Weichen für eine umfassende arbeitsmedizinische Prävention stellen sollte, hat die bisher referenzierten Paragrafen aber teils obsolet gemacht, sodass die Neufassung zwingend ist. Wird die vom Bundesrat am 21. September beschlossene Version des betreffenden EStG-Paragrafen Gesetz, so wäre den Betrieben künftig nur noch Steuerfreiheit für BGM-Angebote gewährt, wenn diese nicht nur in der Qualität, Zweckbindung und Zielgerichtetheit den Anforderungen der §§ 20 und 20b SGB V entsprechen, sondern auch eine Zertifizierung vorweisen. Somit werden die Anforderungen an die – rein unternehmensseitig finanzierten – BGM-Angebote an die der – teils kassenfinanzierten – Leistungen der Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) angehoben.
Konterkarierter Paradigmenwechsel
Die Bundesregierung intendierte mit dem Präventionsgesetz einen Paradigmenwechsel – mehr Gesundheitsförderung in Lebenswelten wie Kitas oder Betrieben anstatt der bis dato vorherrschenden Kurse zur Verhaltensprävention. Fakt ist aber auch, wie zum Beispiel der Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte (VDBW) immer wieder moniert, dass vor allem bei den kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) in Deutschland bereits ein großes arbeitsmedizinisches Präventionsdefizit herrscht.
Das ist zum einen der Tatsache geschuldet, dass es keine eigene arbeitsmedizinische Abteilung gibt. Zum anderen schrecken nicht wenige Inhaber schlicht die Kosten für entsprechende Angebote ab. Die intendierte Gesetzesänderung könnte also den erhofften Paradigmenwechsel in der Prävention konterkarieren.
Erwartungsgemäß hat das Ansinnen des Bundesfinanzministeriums zur Änderung des Einkommensteuergesetzes die Arbeitgeber quer durch die Republik auf die Barrikaden getrieben – so zum Beispiel den Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC). „Viele Unternehmen unserer Branche bieten BGF-Maßnahmen an, die sich an dem Leitfaden Prävention des GKV-Spitzenverbandes orientieren, aber nicht durch eine Krankenkasse zertifiziert sind.
Das macht auch Sinn, da diese Maßnahmen unternehmens- und tätigkeitsspezifisch ausgerichtet sind. Eine solche Passgenauigkeit können zertifizierte Standard-Programme oft nicht leisten“, heißt es in einer BAVC-Stellungnahme. Im Übrigen hält auch der GKV-Spitzenverband die Zertifizierungspflicht für nicht zielführend und lehnt sie in einer Stellungnahme ab.
Notfalls muss der Mitarbeiter ran
Jens Haselow, Personalleiter der PCK Raffinerie in Schwedt/Oder, die ihren Mitarbeitern viele Screenings, spezifische Kurse und andere BGM-Maßnahmen anbietet, verdeutlicht im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“ die Konsequenzen eines Zertifizierungszwanges.
„Entfällt unter Umständen die Steuerbefreiung, müssten wir den finanziellen Vorteil, den ein Mitarbeiter aus der Nutzung einer Gesundheitsmaßnahme erhalten hat, bewerten und der Lohnsteuer unterwerfen. Am Ende zahlt damit auch der Mitarbeiter mehr. Die betrieblichen Gesundheitsmaßnahmen verlören also deutlich an Attraktivität“, so Haselow.
Nächste Woche steht die Gesetzesänderung auf der Agenda des Finanzausschusses. „Unsere Mitgliedsunternehmen engagieren sich sehr für die Gesundheit ihrer Beschäftigten. Wir brauchen eine Formulierung des § 3 Nr. 34 EStG, die die Steuerfreiheit von Maßnahmen der Verhältnisprävention und der Verhaltensprävention im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung regelt“, mahnt Nora Schmidt-Kesseler, Hauptgeschäftsführerin des Arbeitgeberverbandes Nordostchemie.
Am 9. November findet im Bundestag die zweite und dritte Lesung des zustimmungspflichtigen Gesetzes statt, am 23. November ist der Bundesrat dran.