Bei Pipeline-Betreibern
Billiges Öl sorgt für volle Taschen
Der Ölpreis ist niedrig. Dennoch steigen die Aktienkurse einiger Branchenunternehmen. Zu Recht, meinen Strategen. Denn diese Konzerne fahren derzeit Top-Gewinne ein.
Veröffentlicht:NEU-ISENBURG. Auf den ersten Blick scheinen da zwei Zahlen nicht zusammenzupassen: Öl ist derzeit fast die Hälfte billiger als vor einem Jahr.
Gleichzeitig verzeichnete der Aktienkurs des US-Branchengiganten Kinder Morgan vergangene Woche ein neues Allzeithoch.
Mit dem Rekordbetrag von umgerechnet 84,9 Milliarden Euro wird der Konzern an der Wall Street bewertet - und Analysten sind überzeugt, dass die auch an deutschen Börse handelbare Aktie noch Luft nach oben hat.
Die US-Investmentbank Barclays hat das Papier gerade mit Übergewichten eingestuft. Credit Suisse und Goldman Sachs raten zum Kauf.
Was den texanischen Konzern so interessant macht: "Kinder Morgan verdient sein Geld nicht mit der Förderung, sondern der Lagerung von Öl", erläutert Michael Blum, Analyst bei der US-Bank Wells Fargo.
Dem Unternehmen gehören Pipelines überall in den USA. Die sind immer stärker ausgelastet, seit sich Öl verbilligt hat.
"Der niedrige Ölpreis treibt den Kraftstoff- und Heizölkonsum und beschert den Dienstleistern höhere Umsätze", sagt David Whitten, Manager des Henderson Horizon Global Natural Resources Fund, in den auch deutsche Anleger investieren können.
Outgesourctes Pipelinegeschäft
Anders als in Europa haben Ölkonzerne in den USA und Kanada vor einigen Jahren das Pipeline-Geschäft in eigenständige börsennotierte Gesellschaften ausgelagert.
"Durch die schwächere Notierung des Rohstoffs hat sich die Preissetzungsmacht von den Fördergesellschaften hin zu diesen Dienstleister verschoben", sagt Whitten.
Deshalb hat er im Portfolio kräftig umgeschichtet: "Wir haben den Anteil der Dienstleister deutlich erhöht." Neben Kinder Morgan wurden auch Aktien des kanadischen Pipeline-Betreibers Enbridge hinzugekauft.
Die ebenfalls auch an deutschen Börsen notierte Gesellschaft unterhält mit 13.500 Kilometer das längste Leitungsnetz der Welt, transportiert täglich Öl und Gas im Gesamtvolumen von rund 318 Millionen Litern.
Höherer Ölpreis schadet nicht
"Das Geschäft beider Unternehmen ist volumenabhängig", sagt Whitten. Es sei aber nicht bedroht, wenn das schwarze Gold wieder teurer werde.
Die Ölkonzerne würden dann die Fördermenge erhöhen, um vom höheren Preis zu profitieren. "Kinder Morgan dürfte seine Dividende bis 2019 jedes Jahr im Schnitt um zehn Prozent steigern", prognostiziert deshalb auch Wells Fargo-Analyst Blum.
"Das dürfte den Aktienkurs weiter treiben."
Die kanadische Scotiabank erwartet, dass Enbridge die Dividende dieses und nächstes Jahr ebenfalls um jeweils rund zehn Prozent anheben wird.
Die Aktie könnte in den kommenden zwölf Monaten somit um mehr als 20 Prozent steigen, schreibt die Bank.
In Europa hingegen werden Pipelines weiterhin von den Fördergesellschaften selbst betrieben. Zu den größten Leitungseignern zählen die norwegische Statoil, die italienische Eni und die russische Gazprom.
Allerdings leiden deren Gewinne unter den gesunkenen Preisen. Eni und Gazprom vermeldeten in ihren jüngsten Quartalsberichten Gewinnrückgänge von 64 und 61 Prozent. Statoil verbuchte in den letzten drei Monaten 2014 sogar einen Verlust von einer Milliarde Euro.
Die französische BNP Paribas und die US-Banken Jeffries und JPMorgan haben jetzt die Eni-Aktie auf Untergewichten zurückgestuft. "Die Dividende dürfte gekürzt werden", sagt Jeffries-Analyst Marc Kofler.
Der Aktienkurs von Gazprom hingegen ist wegen der Ukraine-Krise so stark gefallen, dass der Konzern an der Börse nur noch mit dem zweifachen des Jahresgewinns gehandelt wird, während andere Förderkonzerne beim Zehnfachen notieren.
"Billiger ist derzeit keine Ölaktie", sagt Folker Hellmeyer, Chefvolkswirt der Bremer Landesbank.