Abwanderung

Darum ist Ärztemangel Österreichs große Dauerbaustelle

Österreichs neue Regierung hat sich in puncto Gesundheitsversorgung einiges vorgenommen. Doch dann kam Corona. Vor allem Klinikärzte warten auf Arbeitsentlastung. Wie es aussieht, spielen Ärzte aus dem Ausland aber weiter eine wichtige Rolle in der stationären Versorgung.

Von Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
„Aus Verantwortung für Österreich“, so heißt das Regierungsprogramm des Bundeskanzlers Sebastian Kurz.

„Aus Verantwortung für Österreich“, so heißt das Regierungsprogramm des Bundeskanzlers Sebastian Kurz.

© HANS KLAUS TECHT / APA / picturedesk.com / picture alliance

Wien. Was macht Österreich falsch in puncto Nachwuchsmediziner? Laut OECD schließen, wie die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) hinweist, pro Jahr in der Alpenrepublik im Schnitt 14,4 Personen pro 100.000 Einwohner ein Medizin-Studium ab, im OECD-Schnitt sind es 13,1. „Das primäre Problem ist die Abwanderung der Medizin-Absolventen ins Ausland“, heißt es in einer Stellungnahme der ÖÄK anlässlich des Regierungsprogramms, das Bundeskanzler Sebastian Kurz im Januar für die Jahre 2020 bis 2024 vorgestellt hat.

In der Tat zieht es nicht wenige österreichische Ärzte nach Studium und Approbation in der Heimat für eine längere oder dauerhafte berufliche Tätigkeit in die Schweiz oder nach Deutschland. Vor allem eine Niederlassung gilt vielen Nachwuchsmedizinern als unattraktiv. Im Nebeneffekt führt die Abwanderung der einheimischen Ärzte dazu, dass immer mehr Ärzte aus dem Ausland nach Österreich kommen, sie inzwischen vor allem aus der stationären Versorgung nicht mehr wegzudenken sind.

Mehr als 2000 Ärzte aus Deutschland

Ausweislich der ÖÄK-Ärztestatistik arbeiteten im Jahr 2018 – aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor – insgesamt 5291 Ärzte aus dem Ausland in Österreich, die meisten von ihnen in den Spitälern und damit in der stationären Versorgung. Der Löwenanteil davon, 2151, kam aus Deutschland.

Die ÖÄK sieht die neue Regierung in der Pflicht, auf mehreren Feldern vom Medizinstudium bis zur Gestaltung der Versorgungslandschaft grundlegende Korrekturen vorzunehmen. „In Anbetracht des europaweiten Wettbewerbs um Ärztinnen und Ärzte ist es dringend geboten, den Standort Österreich für Ärztinnen und Ärzte von der Ausbildung an zu attraktivieren“, heißt es im entsprechenden Positionspapier.

Verbunden ist dies mit dem Warnhinweis, dass die bereits angekündigte Erhöhung der Zahl der Medizinstudienplätze auch bedeute, „dass mehr Ressourcen in der Arztausbildung in den Spitälern notwendig sind.“

Für einen kühlen Kopf in Kliniken

Im Regierungsprogramm nimmt der Komplex Gesundheit zwar nur wenig Platz ein, für die ÖÄK lässt sich daraus aber der politische Wille zum Handeln durchaus ablesen. Nur geht es offensichtlich im Moment nicht so schnell voran, wie es ärztlicherseits zu wünschen wäre. Denn auch in Österreich dominiert derzeit – wie fast überall auf der Welt – die Corona-Pandemie die politische Tagesordnung.

Die Pandemie könnte nach Ansicht der ÖÄK zum Anlass genommen werden, Krankenhäuser zu modernisieren – zum Wohle der Patienten wie auch der dort arbeitenden Ärzte.

Die medizinische Ausbildung wird attraktiver gestaltet und durch eine Stipendienvergabe unter der befristeten Verpflichtung, in Österreich tätig zu sein, ergänzt.

Aus dem österreichischen Regierungsprogramm 2020 – 2024

„Dass die Regierung mit einem Sanierungspaket den Schulen zu mehr Energieeffizienz und besserer Luft verhelfen will, ist gut und richtig“, so ÖÄK- Umweltmedizinreferent Heinz Fuchsig. Die Regierung solle diese Maßnahme auch für Altenheime und Krankenhäuser angehen, fordert der Umweltmediziner, da es einen zusätzlichen Benefit gebe, wenn nicht nur künstlich belüftet, sondern auch gekühlt werde. „In Hitzephasen gibt es wesentlich mehr Spitalsaufnahmen und eine hohe Sterblichkeit“, wirbt Fuchsig für das ÖÄK-Ansinnen. Bei Gesundheitseinrichtungen sei die Kühlung mittelfristig alternativlos. „Das hilft nicht nur den Patientinnen und Patienten, sondern schützt Ärztinnen und Ärzte sowie das Pflegepersonal bei seiner Arbeit vor dafür unerträglichen Temperaturen von über 30°C“, verdeutlicht Fuchsig.

Konkrete Ausgestaltungsvorschläge schiebt er gleich nach: „Dämmen, Abschatten – möglichst mit Photovoltaik, damit eine Kühlung auch bei einem Blackout gleich mit eigenem Strom gesichert betrieben werden kann – und Klimatisierung könnten wir in einem Hitzesommer bei einer neuerlichen Corona-Welle doppelt brauchen.“

Facharzt für Allgemeinmedizin?

Edgar Wutscher, innerhalb der ÖÄK Obmann der Bundessektion Allgemeinmedizin, will der Regierung gerne mit Rat und Tat zur Seite stehen, wenn sie, wie im Regierungsprogramm angekündigt, den Facharzt für Allgemeinmedizin neu einführen sollte – ein Herzensanliegen der ÖÄK. „Wir haben in der Ärztekammer alle notwendigen Beschlüsse zur Einführung des Facharztes für Allgemeinmedizin einstimmig gefasst. Diese wurden vor wenigen Monaten der Regierung übermittelt“, verdeutlicht Wutscher – und fordert mehr Tempo bei der Realisierung des Vorhabens ein.

„Diesen Schritt nun zu machen, ist eminent wichtig für eine nachhaltige Aufwertung der Allgemeinmedizin und Attraktivierung der Niederlassung“, postuliert Wutscher. Dabei sei das Fachgebiet des Allgemeinmediziners schon jetzt klar definiert: „Es umfasst alle bisherigen Tätigkeiten sowie die intensive Betreuung in der Familien- und Sozialmedizin“, so der Obmann.

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