Vernetzte Versorgung

Deutschland hinkt hinterher

Deutschland bietet Patienten zwar einen überdurchschnittlich guten Zugang zur Gesundheitsversorgung. Beim Einsatz vernetzter Gesundheitstechnologien liegt es aber hinter Schwellenländern wie Brasilien und Südafrika.

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HAMBURG. Sektorübergreifende elektronische Patientenakten, Telemedizin oder Datentracking durch den Patienten: Neue - und vor allem vernetzte - Gesundheitstechnologien könnten helfen, mit den Herausforderungen des demografischen Wandels besser zurechtzukommen.

Immerhin soll laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) der Anteil der über 64-Jährigen bis 2050 weltweit auf rund 25 Prozent ansteigen, 2010 waren es noch 15 Prozent.

Doch wie gut können Industrie- und Schwellenländer diese Zukunftsaufgabe meistern? Eine Antwort darauf soll der Future Health Index (FHI), den der Elektronikkonzern Philips ins Leben gerufen hat, bieten.

Dieser zeigt: Vor allem die Industriestaaten haben in Sachen Vernetzung Nachholbedarf. Deutschland schafft es beim Gesamtindex, im Vergleich mit zwölf anderen Ländern, mit 54,5 von 100 möglichen Punkten nur auf Rang 11.

Japan liegt mit 49 Punkten sogar auf dem letzten Platz, Frankreich mit 54,6 Punkten auf Platz 10, während die Vereinigten Arabischen Emirate mit 65,3 Punkten klarer Spitzenreiter sind, China auf Platz drei rangiert (58,1 Punkte) und Südafrika mit 56,7 Punkten immerhin Platz acht erreicht.

13 Länder im Vergleich

Hinter dem Index verbirgt sich eine Studie in 13 Ländern, nämlich in Australien, Brasilien, China, Frankreich, Deutschland, Japan, den Niederlanden, Singapur, Südafrika, Schweden, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Großbritannien und den USA.

Dabei wurden über 2650 Angehörige von Gesundheitsfachberufen, darunter vor allem Ärzte und Pflegekräfte, sowie über 25.350 Patienten ab 18 Jahren befragt. Pro Land sei man auf eine Befragungsquote von 200 Angehörigen der Gesundheitsfachberufe und rund 2000 Patienten gekommen, heißt es.

Drei Kriterien wurden über verschiedene Fragen abgeklopft: der Zugang zum Gesundheitssystem, der Stand der Vernetzung sowie die Einführung von Connected Care Technologien im Gesundheitsmarkt.

Dabei wird der Zugang zur Gesundheitsversorgung vom medizinischen Fachpersonal und den Patienten in Deutschland als gut eingeschätzt.

Hier erreicht die Bundesrepublik einen Gesamtwert von 69,2 Punkten. 82 Prozent des befragten Fachpersonals stimmen immerhin der Aussage zu, dass den Patienten alle für den aktuellen wie auch künftigen Gesundheitszustand notwendigen Therapien und Diagnoseschritte zur Verfügung stehen.

Im Vergleich dazu bejahen dies, nimmt man die Antworten aus allen an der Studie beteiligten Industriestaaten, hier nur drei Viertel des Fachpersonals. In Brasilien sind es 25 Prozent. Selbst in Schweden bejaht dies gerade einmal knapp über die Hälfte des befragten Fachpersonals.

Ganz anders das Bild beim Thema Vernetzung: Nicht einmal ein Fünftel der deutschen Patienten findet, dass das Gesundheitswesen gut vernetzt ist.

In Japan - dem Hightechland schlechthin - glauben dies sogar nur zwei Prozent der Patienten. Und selbst in den Niederlanden, die in Sachen elektronische Vernetzung immer als Positivbeispiel gelten, sehen dies nicht mehr als 13 Prozent der Patienten so.

Den höchsten Wert erreichen die Vereinigten Arabischen Emirate: 43 Prozent der Patienten bescheinigen dem dortigen Gesundheitswesen einen guten Vernetzungsstand. In China sind es 28 Prozent und in Singapur 25 Prozent.

Bürokratie bremst Technik aus

Als größte Hürden bei der Einführung neuer Technologien und der Vernetzung im Gesundheitswesen werden neben starren bürokratischen Regeln auch strenge Datenschutzvorgaben genannt.

So sieht in Deutschland die Hälfte des befragten medizinischen Fachpersonals Sicherheitsbedenken als Haupthindernis für die schnelle Übernahme neuer Technologien in die Versorgung. Für 61 Prozent sind aber auch die bürokratischen Hürden zu hoch. In den Vereinigten Arabischen Emiraten empfinden hingegen nur 16 Prozent des Fachpersonals, dass die Bürokratie die Vernetzung blockiert.

Spannend ist auch, dass zwar 79 Prozent der Patienten die 55 Jahre und älter sind meinen, dass die Vernetzung die Versorgung verbessert, genutzt werden gerade Gesundheitsmonitoring-Geräte aber eher von jüngeren Patienten.

Über die Hälfte der 18- bis 34-Jährigen hat bereits ein solches Gerät, dass Gesundheitsdaten erfasst, im Einsatz und tauscht auch Daten mit dem Arzt aus. Wohingegen 72 Prozent der über 55-Jährigen angeben, noch nie Gesundheitsdaten über solche Geräte ihrem Arzt bereit gestellt zu haben.

Dass die Vernetzung die Kosten im Gesundheitswesen senkt, glauben übrigens nur 22 Prozent der deutschen Patienten. Die Hälfte rechnet eher mit einem Kostenanstieg durch die Technik.

Im Schnitt aller Länder sind 44 Prozent der Patienten dieser Meinung, wohingegen 29 Prozent von sinkenden Kosten ausgehen. (reh)

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