Leitartikel zur Korruption
Die große Lücke zur Privatmedizin
Der Gesetzgeber schließt eine Lücke in der Korruptionsbekämpfung. Er hat dabei nicht nur die Ärzte im Blick. Die strafrechtliche Regelung über das SGB V hinterlässt aber eine große Lücke: für Privatpatienten.
Veröffentlicht:Rund zehn Prozent oder 20 bis 25 Milliarden Euro - das ist die von Transparency International in die Welt gesetzte Zahl über das Ausmaß von Korruption im Gesundheitswesen. Belege dafür gibt es nicht.
Außerdem war bislang - zumindest juristisch - strittig, welche Tatbestände als Korruption anzusehen sind und wer überhaupt korrupt sein kann. Diese Lücke will der Gesetzgeber nun schließen.
Im Zentrum stehen, nolens volens, die niedergelassenen Ärzte, und zwar aus gutem Grund. Denn es gibt nur wenige Berufe, deren wirtschaftliche Hebelkraft so ausgeprägt ist. Verglichen mit dem eigenen Umsatz - rund 30 Milliarden Euro - veranlassen Vertragsärzte ein Vielfaches an Wertschöpfung.
Niedergelassene Ärzte sind somit nicht nur Therapeuten, sondern Einkäufer von Gütern und Leistungen im wirtschaftlichen Sinne, und das auf Kosten Dritter: der GKV und PKV, der Beihilfesysteme und der selbstzahlenden Patienten. Aus dieser Schlüsselposition kann sich Missbrauch ergeben.
Einen solchen Missbrauchsverdacht hatte der Große Strafsenat des Bundesgerichtshofs zu beurteilen: Unterliegt die wirtschaftliche Tätigkeit eines freiberuflichen (Vertrags-)Arztes, der von einer Pharmareferentin 18.000 Euro für die Verordnung bestimmter Arzneimittel angenommen hatte, dem Korruptionstatbestand des Strafrechts?
Das hat der Bundesgerichtshof im März 2012 (GSSt 2/11) verneint. Und damit liegt der Ball beim Gesetzgeber.
Aber wie handelt der Gesetzgeber? Er regelt einen strafrechtlichen Sachverhalt im Spezialrecht, dem SGB V - und greift damit zu kurz ...