Geplante Klinik-Holding in Hessen
Ein schwieriger Spagat
Hessens Sozialminister will 43 kommunale Kliniken in eine Holding überführen. Doch die Interessen der Kliniken gehen auseinander. Viele Häuser wollen nicht zwangsverheiratet werden.
Veröffentlicht:NEU-ISENBURG. Im vergangenen Jahr hat das Land Hessen einen Konzern öffentlicher Krankenhäuser vorgeschlagen.
Doch viele der 43 in Frage kommenden Kliniken haben dem überregionalen Verbund eine Absage erteilt - und kooperieren auf eigene Faust. Ist das Projekt von Sozialminister Stefan Grüttner (CDU) ein Rohrkrepierer? Zu Ende, bevor es angefangen hat?
Der Vorschlag des Landes sieht so aus: Die einzelnen Kliniken werden als wirtschaftliche Einheit in einer Management-Holding zusammengefasst, die das operative Geschäft erledigt.
Größere Einheiten, so Grüttners These, sind effektiver, wirtschaftlicher und damit eine gute Alternative zu Privatisierungen. Ein Zweckverband soll dafür sorgen, dass die Kliniken ihren Versorgungsauftrag erfüllen, und eine Stiftung soll sich darum kümmern, dass die Entscheidungen, die im Verbund getroffen werden, weitgehend frei von politischen Einflüssen sind.
Holding-Pläne bereiten Politikern und Klinikchefs Bauchschmerzen
Es sind die Holding-Pläne, die einigen Kommunalpolitikern und Klinikchefs Bauchschmerzen bereiten. Sie fürchten um ihre Eigenständigkeit. Und sie fürchten, dass Kliniken, die wirtschaftlich gut da stehen, für die, denen es schlechter geht, bezahlen müssen.
Um das Zepter nicht aus der Hand geben zu müssen, werden sogar die Landesgrenzen ignoriert, an der hessischen Bergstraße zum Beispiel. Dort kooperieren einige Kliniken mit Unikliniken im benachbarten Baden-Württemberg.
Oder in Hanau: Der SPD-Oberbürgermeister Claus Kaminsky hat sich Anfang Juli für eine Kooperation mit Krankenhäusern in Bayern entschieden - und damit gegen die Holding des Landes: Er bevorzugt nach eigenen Angaben die Kooperation mit Kliniken, die ähnlich gute ökonomische Voraussetzungen haben.
Grüttners Konzept fehlt teils der Tiefgang
Das Problem von Grüttners Konzernidee: Das Konzept bleibt vage, was die wirtschaftlichen Fakten angeht. Alle am Verbund teilnehmenden Kliniken sollen zum Zeitpunkt ihres Beitritts die gleichen Mindestkriterien erfüllen.
Derzeit sind es 13 Träger, die sich für das Holding-Konzept interessieren und die vom Land bewertet werden, ob sie sich für einen solchen Verbund eignen würden.
"Im Prinzip geht es darum festzustellen, welche Altschulden bei den Trägern verbleiben, wenn das Holding-Konzept umgesetzt wird", heißt es auf Nachfrage beim Sozialministerium. Ziel sei, eine "teilweise Entschuldung der Kliniken vorzunehmen, ohne dass wirtschaftlich besser dastehende Krankenhäuser für Schulden anderer einstehen müssen."
Das läuft auf einen Spagat hinaus. Ob er gelingt, ist zweifelhaft. Zumal für das Konzept keine zusätzliche Förderung vom Land vorgesehen ist. Ganz anders als beim kommunalen Rettungsschirm, für den das Land für insgesamt 3,23 Milliarden Euro den Kommunen und Landkreisen einen Teil ihrer Altschulden abnimmt, um sie über 30 Jahre zu tilgen.
Kein Wunder also, dass es Kliniken gibt, die sich keine Vorteile von einem öffentlichen Konzern versprechen, bei dem die Interessen der einzelnen Häuser dem großen Ganzen untergeordnet sind.
Da es sich aber mittlerweile bis in die entlegensten Landkreise herumgesprochen hat, dass künftig vor allem kleinere und nicht-spezialisierte Krankenhäuser in ihrer Existenz gefährdet sind, ist der Handlungsdruck für die Kommunen groß: Im Jahr 2010 lagen 18 Prozent der öffentlichen Häuser im Minus.
Zum Vergleich: Bei den frei-gemeinnützigen waren es neun Prozent, bei den privaten zwei.
Kooperation unter Gleichgesinnten wird bevorzugt
An Alternativen zu Grüttners Konzept fehlt es nicht. Es vergeht kein Monat, in dem nicht Häuser, die bislang erbitterte Konkurrenten waren, regionale Kooperationsvereinbarungen treffen - immer sehr darauf bedacht, ihre Eigenständigkeit zu erhalten.
Jüngstes Beispiel ist die Ankündigung der Krankenhäuser in Darmstadt, Dieburg und Groß-Umstadt, Gespräche über eine Zusammenarbeit aufzunehmen.
Beliebt sind auch Verbünde mit Gleichgesinnten: Beispielsweise haben sich 34 Akut- und Rehakliniken in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft zum Klinikverbund Hessen zusammengetan.
Die Gesellschafter erhalten für ihre Beiträge eine Plattform für Beratungen, Wissensaustausch und Unterstützung bei Mitarbeiter-Schulungen.
"Clinotel" geht noch einen Schritt weiter. In dem Verbund haben sich öffentliche und frei-gemeinnützige Kliniken, die nicht in Konkurrenz zueinander stehen, zusammengeschlossen. Elf Kliniken aus Hessen sind dort Mitglied. Sie bleiben rechtlich und organisatorisch selbstständig, tauschen aber intime Daten wie Qualitätskennzahlen und Sterblichkeitsraten aus.
Ziel ist, Synergien zu nutzen, etwa bei der Qualitätssicherung oder bei der Abrechnung. "Wir sind eine gute Alternative zu privaten Ketten, die ja auch zentrale Dienstleistungen oder ein Benchmarking anbieten", sagt "Clinotel"-Geschäftsführer Udo Beck. Es gehe darum, die Wettbewerbsfähigkeit der Krankenhäuser zu verbessern.
Damit ist der Verbund gar nicht so weit weg von dem Ziel, das sich auch Hessens Sozialminister zum Ziel gesetzt hat. Aufgenommen werden in den "Clinotel"-Verbund allerdings nur wirtschaftlich gut aufgestellte Kliniken: "Es geht darum, von den Besten zu lernen", so Beck.
Ladehemmung wegen Landtagswahl?
Die Chancen für die Umsetzung von Grüttners Modell stehen schlecht, wenn der Trend im Land weiter dahin geht, dass sich gut aufgestellte Häuser starke Partner suchen.
Nur mit wirtschaftlich schwachen Häusern lässt sich ein überregionaler Klinikkonzern nicht stemmen. Ob vor den Landtagswahlen am 22. September noch Bewegung in die Sache kommt, ist mehr als fraglich.
Falls dem Sozialminister wirklich daran liegt, die angeschlagenen kommunalen Krankenhäuser auf Kurs zu bringen, sollte er sich in die Karten schauen lassen. Stattdessen hält er sich bedeckt und wagt nicht einmal eine Prognose, ob und wie viele Träger sich für sein Konzept entscheiden werden.