Medizinstudentin Solveig Mosthaf

Ernährung: Von einem Extrem ins andere

Solveig Mosthaf wundert sich, warum immer mehr Menschen zu Veganern werden und völlig ungeprüft Informationen von selbsternannten Experten aus dem Internet übernehmen. Ein Gutes hat der neue Hype um die Ernährung aber, findet die Medizinstudentin. Was, das schreibt sie in ihrem zweiten Gastbeitrag für die "Ärzte Zeitung".

Von Solveig Mosthaf Veröffentlicht:

Solveig Mosthaf

Ernährung: Von einem Extrem ins andere

© Konstantin Güldner

Solveig Mosthaf ist 24 Jahre alt und im 10. Studien-/8. Fachsemester in Freiburg.

Zurzeit ist sie an Kinderheilkunde, Frauenheilkunde oder Allgemeinmedizin interessiert. Sie fühlt sich in der sprechenden Medizin wohler als z.B. in der reinen Chirurgie.

Außerdem ist sie aktiv in der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V. (bvmd).

"Ich lebe jetzt mal gesund, ich bin jetzt vegan", meinte ein Kommilitone neulich. "Oh wow, cool!" und "Spinnst du jetzt auch?!" waren die Reaktionen. Und schon ging die Diskussion los.

Die Lösung lautet: Prävention!

Einen Großteil des ärztlichen Tagesgeschäfts machen bisher die Menschen aus, die viel Fleisch essen und sich tafelweise Schokolade gönnen, den Kuchen am Nachmittag mit der nötigen Portion Schlagsahne versehen und die Pommes gleich Kartoffeln als Gemüse verstehen.

Die Schachtel Zigaretten pro Tag ist so selbstverständlich wie die zwei, drei Feierabendbierchen.

Passend dazu finden wir in den Krankenhäusern die Folgen dieses Verhaltens: Patienten mit Herzinfarkt, Hypertonie, Adipositas, Diabetes. Metabolisches Syndrom. Das sind noch vor allem ältere Patienten, doch zunehmend betreffen diese Krankheiten auch jüngere Generationen.

Die einzige Lösung lautet Prävention: Eine gesündere Lebensweise beugt vor. So hat die Lebensstilberatung im medizinischen Alltag inzwischen eine sehr große Bedeutung erlangt. Doch was ist der "richtige" Lebensstil?

Längst schon hat sich das Thema über die rein medizinischen Aspekte hinweggesetzt. Das Internet ist voll von Lebensstilexperten. Gesunde und ausgeglichene Ernährung sowie ausreichend Sport sorgen nämlich nicht nur für ein längeres Leben, sondern machen auch noch schön und erfolgreich.

Es gibt Diätratgeber und vegane Koch- oder Backbücher. Vegane Würstchen, vegane Schokolade und veganer Käse finden sich inzwischen in den meisten Supermärkten. In der Folge sehen wir zunehmend Menschen mit erheblichem Mangel an Vitaminen, Eisen und anderen Spurenelementen.

Ein Gutes hat der Vegan-Wahn

Und so kommen wir von einem Extrem ins andere. Die einen essen völlig unvoreingenommen das, was die Industrie ihnen vorsetzt: geschmacksverstärkte Fertigprodukte, überzuckerte Fruchtdrinks und Snacks, die beinahe nur aus Fett und Salz bestehen.

Die anderen entwickeln eine fast schon krankhafte Fixierung aufs Essen, meiden Fleisch, Fisch, Eier und Milchprodukte komplett und ernähren sich so einseitig, dass ihre Reserven nach einigen Jahren ausgezehrt sind.

Ein Gutes hat der Vegan-Wahn: Es wird nun über Ernährung geredet und nachgedacht, und zwar nicht nur von Ärztinnen und Ärzten, sondern in weiten Bereichen der Gesellschaft.

Anstrengend wird es dann, wenn die verschiedenen Gruppen mit ihren Ansichten missionieren gehen und die neuesten "Expertenmeinungen" aus dem Internet dem gesamten Umfeld aufgetischt werden.

Es gilt, sich einzupendeln auf eine Mitte. Bewusste Ernährung ist absolut notwendig. Doch ich finde, bei diesem Thema darf man ruhig den altklugen Spruch wieder auspacken: Alles in Maßen statt in Massen.

Lesen Sie dazu auch: Mosthaf: "Doktorarbeiten - oft eine Farce!"

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Kommentare
Rudolf Hege 18.08.201614:30 Uhr

Kontrollillusion?

Wir leben in einer Zeit, in der wir überinformiert sind. Ständig prasseln "wissenschaftliche Erkenntnisse", Experten-Meinungen, Statistiken usw. über uns herein. Schon als "Fachpersonal" fällt es schwer relevantes von unwichtigem zu trennen. Noch mehr trifft das auf die Normalbevölkerung zu. Das erzeugt ein permanentes Bedrohungsgefühl. Alles, was man macht könnte falsch und schädlich sein - je nach dem, wen man fragt.

Und Kontrolle ist nun mal ein Urbedürfnis der Menschheit. Waren es früher Messen und Amulette, die das Schicksal günstig stimmen sollten, so sind es heute "Check-ups" und "gesunde Lebensweise." Und wer einmal - für sich - etwas als richtig eingestuft hat, vertritt es mit missionarischem Eifer. Auch das ein typisch menschliches Verhalten: Nur der eigene Gott, der eigene Glaube darf der richtige sein. Wäre es anders, dann würde er ja die Funktion als sicherer Hafen verlieren. Nur der richtige Glaube, das richtige Verhalten garantiert einen Platz im Jenseits (bzw. heute ewige Jugend und Gesundheit).

Schlugen sich früher die Katholiken mit den Protestanten, die Sunniten mit den Schiiten, so sind es jetzt bei uns die Veganer mit den Frutariern - und alle zusammen gegen die Fleischfresser.

Monika Uszkoreit 18.08.201610:55 Uhr

WIR BRAUCHEN EINE HUNGERSNOT

Das hat mein Vater immer gesagt, wenn die Dinge aus dem Ruder liefen. Sowohl die Fixierung darauf, was man essen und nicht essen darf und kann als auch darauf, dass man all das, was früher rar war, in sich hineinstopft zeigt doch, dass in unserer Gesellschaft und bei ihren Individuen etwas aus dem Ruder gelaufen ist. Mein Vater hätte auch sagen können, es geht uns einfach zu gut. NUR - wie stellt man das ab?

Uwe Herrmann 18.08.201610:38 Uhr

Sie mögen teilweise Recht haben, aber...

Es ist schon bemerkenswert. In der BRD scheint es nur zwei Haltungen zur Ernährung zu geben, nämlich unkritisch alles in sich hineinzustopfen (mit den entsprechenden Folgen) oder aber den Veganismus-Wahn. Mal abgesehen davon, dass die Mehrzahl der VeganerInnen psychiatrisch nicht auffällig ist, ist diese Aussage so oft wiederholt worden, dass es kaum noch ein Medium gibt, das sich diesem Trend nicht angeschlossen hätte. Dennoch wird die Aussage dadurch nicht gehaltvoller oder sogar wahr. Denn Veganismus ist weder ein Wahn, noch eine Sekte oder ähnliches. Der weitaus überwiegende Teil der VeganerInnen hat gute Gründe für den Verzicht auf tierische Nahrungsbestandteile, als da wären Ethik, Gedanken an Umweltschutz, Gedanken an die Ressourcen auch für kommende Generationen u.v.m

Vielmehr ist es so, dass von gerade namhaften Organisationen eine überwiegend oder ausschließlich pflanzliche Ernährung durchaus befürwortet wird. Unter anderem sagt die amerikanische Association of Nutrition and Dietetics (A.N.D.), dass "eine ausgewogene und gut geplante vegane Ernährung für alle Lebensphasen geeignet ist". Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung" stimmt dem inhaltlich zu. Sicher sollten VeganerInnen bestimmte Nahrungsbestandteile supplementieren, aber das spricht immer noch nicht gegen Veganismus. Und seien Sie sich sicher, VeganerInnen müssen nicht öfter zum Arzt als Menschen, die Tierisches auf dem Speisezettel stehen haben.

Also Frau Mosthaf, werfen Sie nicht alle Menschen, die sich über ihre Ernährung Gedanken machen, welche über den eigenen Tellerrand hinausgehen, in einen Topf. Extreme sind generell falsch, Verallgemeinerungen aber auch.

Mit ironischen Grüßen von einem Vegan-Wahn Befallenen
Uwe Herrmann

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