Gericht

Erneut Streit um gesundheitsbezogene Angaben zu Bier

Darf man Bier in der Werbung als bekömmlich bezeichnen? Das Landgericht Ravensburg hatte im Sommer 2015 im Eilverfahren "Nein" gesagt. Doch nun kommt der Streit erneut vor die Kammer.

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LEUTKIRCH/BERLIN. Die Nutzung von Angaben wie "reich an Vitaminen" oder "zuckerarm" ist in der Europäischen Union (EU) streng geregelt: Lebensmittel-Werbung darf nur versprechen, was sie halten kann. Aber wie sieht es bei dem Adjektiv "bekömmlich" für alkoholische Getränke aus - geht es dabei um Gesundheit oder Genuss?

Darüber streiten eine Bierbrauerei aus dem Allgäu und ein Berliner Verband bereits zum zweiten Mal vor Gericht - und zwar ausgerechnet 500 Jahre nach Entstehung des Deutschen Reinheitsgebots im Jahr 1516.

Worum geht es bei dem Zwist?

Die Brauerei Härle aus Leutkirch hatte auf ihrer Internetseite drei Biersorten mit dem Begriff "bekömmlich" beworben. "Für uns heißt das im Zusammenhang mit unseren Bieren, dass sie gut fürs Wohlbefinden sind", sagte Brauerei-Chef Gottfried Härle vor dem Eilverfahren im Sommer.

Das sah der Verband Sozialer Wettbewerb (VSW) aus Berlin anders: Für ihn ist der Begriff eine "gesundheitsbezogene Angabe" - und die sei bei alkoholischen Getränken nicht erlaubt.

Der Verein erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen Härle und untersagte dem Unternehmen die Werbung mit dem Begriff. Das Landgericht Ravensburg bestätigte das im August 2015.

Worauf berief sich der Verband bei seinem Verbotsantrag?

Auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2012. Der entschied damals: Winzer dürfen nicht mit Werbeslogans wie "bekömmlich", "sanfte Säure" oder "Edition Mild" für ihren Wein werben.

Das sei eine gesundheitsbezogene Angabe, die auf den geringen Säuregehalt und die leichtere Verdauung hinweise, aber die Gefahren beim Trinken von Alkohol verschweige (Rechtssache C-544/10).

Das EU-Recht verbietet für Getränke mit mehr als 1,2 Prozent Alkohol Angaben, die eine Verbesserung des Gesundheitszustands suggerieren. Zum Schutz der Verbraucher dürfen Hersteller weder auf dem Etikett noch in der Werbung solche Begriffe verwenden.

Aber gilt das Urteil zum Wein auch für Bier?

Genau das ist der Streitpunkt zwischen Brauereien und Verband. Der VSW sagt: Ja. Die Firma Härle wiederum argumentiert: Das EuGH-Urteil nehme ganz klar Bezug auf die Zusatzaussage, dass der Wein deshalb bekömmlich sein solle, weil er einen niedrigen Säuregehalt habe.

"Bei Wein kann der Säuregehalt zu Beschwerden führen. Daher ist das dort auch eine gesundheitsbezogene Aussage." Das sei beim Bier nicht der Fall, daher sei das auch nicht vergleichbar.

Das Landgericht Ravensburg entschied im Sommer: Das Wort "bekömmlich" suggeriere, dass Bier für den Körper verträglich sei, und sei damit auch gesundheitsbezogen. Nun muss im Hauptsacheverfahren erneut geurteilt werden. (dpa)

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Kommentare
Dr. Joseph Walenta 22.01.201620:34 Uhr

Wo bleibt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit?

"Bekömmlich" hat sehr viele Synonyme. Dass ein Verein sich mit beispielloser Spitzfindigkeit genau jene Bedeutungen herauszuklaubt, die den Begriff auf eine gesundheitsbezogene Aussage reduzieren, um damit sein Abmahngeschäft betreiben zu können, irritiert mich angesichts der Auswüchse unserer freien Marktwirtschaft nicht. Dass es aber Gerichte gibt, die mit ihrem Urteil dazu beitragen, aus diesem Vorgehen auch noch ein erträgreiches Geschäftsmodell zu machen, das irritiert mich wohl und macht mich auch noch richtig sauer.

Es gibt viele Probleme auf der Welt, die darauf warten endlich angegangen zu werden. Stattdessen befasst man sich hier mit Kinkerlitzchen - was ausschließlich Juristen ernährt.

Als Verbraucher wünsche ich ausdrücklich nicht durch fragwürdige Vereine geschützt zu werden. Ich bin erwachsen und wenn ich beschließe ein Bier zu trinken, dann deshalb, weil es mir bekommt, und nicht, weil es gesund ist!

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