Gericht verteidigt Prozessführung gegen Mechthild Bach

Freunde und Bekannte beklagen die lange Verfahrensdauer gegen die Ärztin. Der Landtagspräsident sieht eine "Perversion des Rechtsstaats". Und auch der Justizminister sieht "bedauerliche Verzögerungsphasen".

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Mechthild Bach mit ihrem Verteidiger am letzten Tag vor ihrem Suizid vor Gericht: Von vielen Seiten werden Vorwürfe erhoben, das Verfahren habe zu lange gedauert.

Mechthild Bach mit ihrem Verteidiger am letzten Tag vor ihrem Suizid vor Gericht: Von vielen Seiten werden Vorwürfe erhoben, das Verfahren habe zu lange gedauert.

© dpa

HANNOVER (cben). Nach dem Selbstmord der Hannoveraner Internistin Dr. Mechthild Bach am Montag vergangener Woche haben Freunde und Bekannte der Ärztin aber auch Politiker schwere Vorwürfe gegen die Justiz erhoben, vor allem wegen der langen Dauer des Verfahrens. Bach war wegen 13-fachen Totschlags angeklagt. Das Verfahren dauerte acht Jahre.

Niedersachsens Justizminister Bernd Buseman (CDU) verteidigte indessen das Verfahren. "Die Justiz hat Frau Bach nicht in den Tod getrieben. Die Angeklagte hatte offenbar Angst vor lebenslanger Haft, aber dafür kann die Justiz nichts", sagte Busemann in einem Interview der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" (HAZ).

Er räumte allerdings "bedauerliche Verzögerungsphasen" ein. "Selbst bei komplizierten Straffällen sollte es nicht acht Jahre dauern", so Busemann. Neben der langen Verfahrensdauer hatten Kritiker die Ankündigung des Gerichtes moniert, Bach könnte in zwei Fällen auch wegen Mordes angeklagt werden. Bis dahin war stets von Totschlag die Rede.

Menschlich bleibe Bachs Selbstmord ein tragisches Geschehen, sagte Gerichtssprecher Matthias Kannegießer dem NDR: "Diese so genannte Zwischenbilanz musste zu diesem Zeitpunkt so erfolgen". Das Gericht sei verpflichtet, darauf hinzuweisen, wenn es besondere rechtliche Gründe sehe.

"Und deshalb hat das Gericht auf seine vorläufige Würdigung der Sach- und Rechtslage hinzuweisen gehabt." Auch Staatsanwältin Katrin Söfker verteidigte die Dauer des Verfahrens. Alle Fälle seien sorgfältig begutachtet worden.

Die Verfahrensdauer erkläre sich auch aus der großen Anzahl von 78 Fällen, die zu Beginn des Prozesses hatten untersucht werden müssen - eine bisher beispiellose Größenordnung, hieß es.

Allerdings räumte Söfker auch ein, dass wegen Personalmangels kein Staatsanwalt ausschließlich für den Prozess gegen Mechthild Bach eingesetzt worden sei.

Freunde und Bekannte der Ärztin haben am vergangenen Samstag in einer Todesanzeige schwere Vorwürfe gegen das Gericht erhoben. Auch Jürgen Gansäuer (CDU), Präsident des Niedersächsischen Landtages, hatte im Fall Bach laut Presseberichten von der "Perversion des Rechtsstaates" gesprochen. Die Dauer des Verfahrens sei "menschenunwürdig" gewesen, so Gansäuer.

Das Verfahren gegen Bach hatte insgesamt acht Jahre gedauert. Die verhandelten Fälle stammten aus den Jahren 2001 bis 2003. Allein fünf Jahre dauerte es, bis das Gutachten der Anklage vorgelegt wurde.

Wegen Befangenheit des Gerichts und wegen der Erkrankung eines Richters war ein erster Prozess geplatzt. Bach war vor dem Landgericht Hannover wegen des Todes von 13 schwer kranken Patienten angeklagt, den sie durch überhöhte Gaben von Morphium verursacht haben soll.

In der Nacht zum Montag vergangener Woche hatte Bach sich mit der Infusion von rund 100 Milligramm Morphium selbst getötet. Mechthild Bach wird am kommenden Freitag in Langenhagen bei Hannover bestattet.

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Kommentare
Dieter Döring 03.02.201110:53 Uhr

Tod von Frau Dr. Mechthild Bach

Da viele, aber auch einige Kollegen, nicht wissen, dass bei einem multimorbiden Patienten eine Morphininjektion immer tödlich sein kann und eine suffiziente Schmerzbehandlung immer auf einen schmalen Grad stattfindet, und im Vorfeld schon eine Fehlbeurteilung der Statistik (nur 15 % der niedergelassenen Hausärzte haben Btm - Rezepte), ist es dann zu diesen furchtbaren Prozeß gekommen.
Zu einer Klärung von vielen, für einen Hausarzt und Palliativmediziner wichtigen Fragen, ist es im Prozeß nicht gekommen. Eine noch schlechtere Versorung und Schmerzbehandlung hat der Prozeß aber mit Sicherheit gebracht, da die meisten Ärzte vor so einen Prezeß eine riesige Angst haben.
Für mich war das ein juristischer Mord von der Staatsanwältin und dem Richter.

Dr. Thomas Georg Schätzler 02.02.201117:04 Uhr

Tragödie der Justiz oder Justiztragödie?

Ganz gleich wie tragisch die Ereignisse um ihren Suizid waren,
1. hätte Frau Dr. Mechthild Bach, was auch immer sie getan hat, jederzeit einen Rechtsanspruch auf einen fairen Prozess und eine gute anwaltliche Beratung gehabt. Beides ist durchaus diskussionswürdig und mit vielen Fragezeichen zu versehen
2. hätte ein nachvollziehbarer Prozessverlauf und ein abwägendes Urteil Präzisierungen, Handlungsanleitungen und Rechtsverbindliches für die Palliativmedizin, für Sterbebegleitung und Differenzierung zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe bedeuten können.
3. Frau Dr. med. M. Bach war wegen 13-fachen Totschlags angeklagt. Das Verfahren dauerte acht Jahre. Dabei sind 5 Jahre allein für die medizinischen Gutachten verstrichen. Das war sicher unzumutbar lang.
4. Ihr Anwalt hätte wissen müssen, dass bei der so genannten Zwischenbilanz des Gerichts ein drohendes "Heimtückemerkmal" wegen der "Wehr- und Arglosigkeit der Patienten" evtl. strafverschärfend auftauchen würde.
5. Der Totschlagvorwurf in 13 Fällen nach § 212 StGB ist mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren und in besonders schweren Fällen mit lebenslanger Freiheitsstrafe justiziabel. Die Voraussetzungen eines "minderschweren Falls" nach § 213 StGB waren niemals anwendbar.

Bei der Schwere der Vorwürfe und der Heftigkeit der gutachterlichen Differenzen war die Prozessführung des Vorsitzenden Richters eher sachlich-nüchtern. Dabei von einer "Perversion des Rechtsstaates" zu sprechen, ist bei einem Präsident des Niedersächsischen Landtages, auch wenn er der CDU angehört, eher populistisch.

Mit kollegialen Grüßen, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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