Grüne Fragen

IGeL bleiben stachelig

Was tun gegen IGeL? Nichts, sagt die Bundesregierung - und lässt damit eine Offensive der Grünen im Parlament ins Leere laufen. Lediglich über die "IGeL-Seminare" für Ärzte will die Regierung noch mal nachdenken.

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Oft im Grünen anzutreffen: Igel.

Oft im Grünen anzutreffen: Igel.

© Alexander Erdbeer / fotolia.com

BERLIN (sun). Die Grünen haben beim umstrittenen Thema der Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) versucht, die Bundesregierung aus der Reserve zu locken. Gelungen ist ihnen das aber nicht so richtig.

Die Debatte um die Leistungen ist damit dennoch neu aufgerollt. Die Grünen hatten parlamentarische Anfragen an das Bundeswirtschaftsministerium und das Bundesgesundheitsministerium gestellt.

Aus den Antworten der beiden Ministerien geht hervor, dass sie keinen besonderen Interventionsbedarf bei IGeL sehen. Das kritisierte Grünen-Politikerin Birgitt Bender scharf.

Die Regierung verharmlose das Thema, so ihr Vorwurf. Schließlich hätten Ärzte jährlich 1,5 Milliarden Euro Einnahmen durch IGeL. Aus Sicht Benders gibt es einen "sichtbaren Trend zur Kommerzialisierung der Arzt-Patienten-Beziehung".

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) konterte am Montag auf Anfrage: "Ärzte entscheiden nach medizinischer Notwendigkeit, was sie ihren Patienten verschrieben." Ein sorgsamer Umgang mit IGeL sei jedoch zwingend erforderlich, so KBV-Sprecher Roland Stahl.

Auslöser für diesen Disput ist die Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums: Daraus geht hervor, dass das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, kurz BAFA, Seminare fördert, in denen Ärzte darin geschult werden, ihren Patienten kostenpflichtige Leistungen zu verkaufen.

Der GKV-Spitzenverband reagierte empört und forderte eine umgehende Abstellung der Förderung. "Wenn Ärzte Verkaufsstrategien trainieren, belastet das das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient", sagte Verbandssprecherin Ann Marini der "Ärzte Zeitung".

Auch der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Frank Ulrich Montgomery, wandte sich gegen die Seminare: "Ärzte sind keine Kaufleute und deshalb brauchen wir auch keine Verkaufsseminare für IGeL", erklärte er in Berlin.

Die Bundesregierung betonte am Montag, sie werde ihre Förderung von Seminaren, in denen Ärzte für den Verkauf der IGeL geschult werden, überprüfen.

Förderung auf dem Prüfstand

Grundlage für die bisherige Förderpraxis sei eine Richtlinie zur Entwicklung unternehmerischen Know-hows für kleine und mittlere Betriebe sowie freie Berufe, erklärte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums in Berlin.

Danach könnten auch Seminare für Ärzte gefördert werden, in denen es um das Angebot von IGeL gehe. Dies enthebe die Ärzte aber nicht von ihrer Pflicht, den Patienten nur medizinisch sinnvolle Leistungen anzubieten, betonte die Ministeriumssprecherin.

Genau aus diesem Grund überprüfe das Wirtschaftsministerium derzeit zusammen mit dem Gesundheitsministerium die bisherige Förderpraxis.

Grünen-Politikerin Bender hatte die staatliche Förderung von Igel-Verkaufstrainings bereits zuvor scharf kritisiert: Die Bundesregierung rechtfertige dies damit, dass Ärzte zum antragsberechtigten Kreis der freien Berufe gehörten und dass konkrete Produkte und Dienstleistungen vor einer Förderentscheidung grundsätzlich nicht bewertet werden würden.

"Damit macht es sich die Bundesregierung zu einfach", sagt Bender. Solche Verkaufstrainings unterstützten "eine einseitige, tendenziöse Aufklärung" der Patienten.

Die KBV warnte hingegen vor zu viel Hysterie beim Thema IGeL. Die Leistungen seien nicht per se schlecht, sagte der Sprecher Roland Stahl.

Darüber hinaus sieht das Bundesgesundheitsministerium keine Notwendigkeit, bei den IGeL eine Protokoll- oder Meldepflicht einzurichten. Die vertragsärztliche Tätigkeit sei durch die Privatbehandlungen nicht beeinträchtigt, heißt es in der Antwort des Gesundheitsministeriums.

Zudem werde die Arzt-Patienten-Beziehung künftig auch durch das geplante Patientenrechtegesetz geregelt. Darin ist unter anderem vorgesehen, dass es künftig einen Behandlungsvertrag geben muss. Das Patientenrechtegesetz soll Anfang 2013 in Kraft treten.

Die KBV begrüßte, dass es keine Meldepflicht für IGeL geben soll. Ärzte bräuchten nicht noch mehr Bürokratie, sagte Stahl. Bereits jetzt klagten viele Ärzte darüber, dass ihnen zu wenig Zeit für ihre Patienten bleibe.

Mit Material von dpa

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Kommentare
Dr. Birgit Bauer 20.09.201211:42 Uhr

Blitzmerkerin !

-Aus Sicht Benders gibt es einen "sichtbaren Trend zur Kommerzialisierung der Arzt-Patienten-Beziehung"-. Ich fass es nicht, sie hat es tatsächlich begriffen ! Nur ist es nicht nur ein Trend, sondern seit Jahren Tatsache.
Wer in einem Solidarsystem von Wettbewerb und Markt faselt , nimmt die Kommerzialisierung des Systems auf Kosten der Patienten billigend in Kauf oder sollte seinen IQ überprüfen lassen.
M.f.G. B.Bauer

Klaus-Dieter Thill 30.07.201217:19 Uhr

Negativ-Diskussion zu IGeL: Von den Ärzten selbst verursacht

IGeL sind wieder in die Schlagzeilen geraten. Ärzte, die sie anbieten, stehen unter Rechtfertigungszwang. Verantwortlich für diese Situation ist vor allem die Ärzteschaft selbst und ihre Informationspolitik. Von Anfang an wurde seitens vieler Mediziner vernachlässigt, den Nutzen dieser Angebotsform in den Patientengesprächen adäquat herauszustellen. Fast jede IGeL-Broschüre oder Homepage-Information begann – und beginnt immer noch – mit der Erklärung, dass IGeL eine Versorgungsform sind, deren Kosten die Krankenkassen nicht übernehmen. Das ist zwar richtig, aber als Einstiegs-Information kaum geeignet. Zunächst wäre wichtig gewesen, die Patientenvorteile herauszustellen. Da dies nicht geschah, erhielten IGeL von Beginn an einen Negativ-Stempel. Vergleicht man die IGeL-Arbeit von Praxisinhabern, die diese Leistungen sehr erfolgreich offerieren (etwas 25% aller IGeL-Anbieter), mit den Bemühungen der übrigen IGeL-Praxen, so liegt der Unterscheid nicht in intensiverem Marketing oder aggressiverem Verkauf, sondern in klaren, patientenverständlichen Nutzenbeschreibungen. Zudem haben gerade diese Ärzte in Schulungen ihrer Mitarbeiterinnen investiert, um professionell und umfassend zu informieren. Eine derartige Ausbildung fehlt jedoch in den meisten anderen Praxen. Kein Wunder also, dass Patienten und die Öffentlichkeit skeptisch bis ablehnend reagieren.

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