Impfen in Sachsen-Anhalt
Kassenstreit auf dem Rücken der Ärzte?
Falsch verbuchte Impfstoffe könnten Haus- und Kinderarztpraxen in Sachsen-Anhalt viel Geld kosten. Das Problem: Das Problem ist die Abrechnung von Sprechstundenbedarf, zu dem auch Impfstoffe gehören.
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Sorgt in Sachsen-Anhalt gerade für Wirbel: Impfen.
© Mathias Ernert
MAGDEBURG. Müssen die Vertragsärzte in Sachsen-Anhalt Differenzen zwischen Ersatz- und Primärkassen ausbaden? Die Ersatzkassen des Landes erwarten einen Millionenschaden, weil ihnen zwischen 2008 und 2010 deutlich mehr Abrechnungen für Impfstoffe (Sprechstundenbedarf) ins Haus geflattert sind. Es gebe eine Diskrepanz zwischen Impfleistungen und verordneten Impfstoffen. Was bei den Ersatzkassen zu viel, wurde offensichtlich bei Primärkassen zu wenig in Rechnung gestellt.
Da zum Jahresende die Frist auf mögliche Ansprüche ausläuft, zogen Ersatzkassen die Notbremse und beantragten Wirtschaftlichkeitsprüfungen.
Betroffen sind 1688 von landesweit rund 3600 Arztpraxen. Die meisten von ihnen sind Hausärzte, die höchsten Rückforderungen allerdings haben Kinderärzte zu befürchten: bis zu 200.000 Euro je Praxis.
Zwar beteuert Dr. Klaus Holst, Leiter der VdeK-Landesvertretung, dass sich die beantragte Überprüfung "nicht gegen die medizinische Leistung der Ärzte" richtet, jedoch müsse der Sachverhalt aufgeklärt und korrigiert werden.
"Jede Krankenkasse muss auch beim Sprechstundenbedarf für den tatsächlichen Verbrauch ihrer Versicherten aufkommen." Jahrelange Verhandlungen mit den Profiteuren der fehlerhaften Verordnungen, an denen auch die Landesregierung und die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt (KVSA) beteiligt waren, seien nämlich erst einmal gescheitert.
KVSA spricht von Kollateralschaden
Holst appellierte deshalb an die Primärkassen, eine gemeinsame Lösung zu finden. Dann könnten auch die Prüfanträge zurückgenommen werden.
Bis 2010 war der Sprechstundenbedarf, zu dem Impfstoffe gehören, für Ersatz- und Primärkassen bei unterschiedlichen Zulieferern bestellt worden.
Abgerechnet wurde entsprechend des Patienten-Verhältnisses. Eine Splittung, die nach Ansicht der Ersatzkassen fehlerhaft ist. Seit einer Neuregelung im Jahr 2012 regeln die Kassen die Aufteilung der Kosten untereinander.
Was bleibt, ist die Verunsicherung der Ärzte. KVSA-Vorstand Dr. Burkhard John spricht von einem "Kollateralschaden".
"All unsere Bemühungen, Hausärzte zu gewinnen, werden durch solche Aktionen zunichte gemacht. Wer lässt sich schon in einem Land nieder, in dem Arzthonorare beschnitten werden und Regressandrohungen auf der Tagesordnung stehen?" (zie)