Tag der Patientensicherheit

Kleine Veränderung, große Wirkung

Zu Fehlern bei der Medikation kann es angesichts von 20.000 verschreibungspflichtigen Arzneien leicht kommen. Mit welchen Maßnahmen lässt sich die Patientensicherheit erhöhen? Manchmal helfen schon kleine Veränderungen.

Von Susanne Werner Veröffentlicht:
Ein ungeeignetes Medikament, eine falsche Dosierung, die Verwechslung von Arzneimitteln in ähnlichen Verpackungen - alle am Medikationsprozess Beteiligten können Fehler verursachen.

Ein ungeeignetes Medikament, eine falsche Dosierung, die Verwechslung von Arzneimitteln in ähnlichen Verpackungen - alle am Medikationsprozess Beteiligten können Fehler verursachen.

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BERLIN. Rund 20.000 verschreibungspflichtige Arzneien und 2400 Wirkstoffe gibt es aktuell in Deutschland. Hinzu kommen weitere 60.000 Medikamente, die nur in Apotheken verkauft werden dürfen.

Die Zahlen stammen von Professor Wolf-Dieter Ludwig, DEM Vorsitzenden der Arzneimittelkommission (AKdÄ). Er verwies im Vorfeld des Internationalen Tages der Patientensicherheit am 17. September darauf, dass Fehler angesichts des breiten Angebots und des komplexen Verordnungsprozesses leicht entstehen könnten.

Schon bei der Aufnahme können Fehler gemacht werden

Ein ungeeignetes Medikament, eine falsche Dosierung, die Verwechslung von Arzneimitteln in ähnlichen Verpackungen: "Ob Arzt oder Apotheker, Pflegekraft oder Patienten und ihren Angehörigen – alle am Medikationsprozess Beteiligten können Fehler verursachen, betonte Ludwig.

In vielen Einrichtungen hätten die Personalknappheit und Arbeitsverdichtungen dazu geführt, dass nicht mehr ausreichend miteinander gesprochen werde. Besonders gefährdet seien ältere Patienten, die mit gleichzeitig verordneten Medikamenten in einer Klinik aufgenommen werden.

"Bereits bei der Aufnahme können Fehler gemacht werden. Etwa, wenn der Patient keine Angaben machen kann oder die Medikation umgestellt werden muss."

Patientensicherheit oft nicht im Lehrplan

Laut APS liegt die Sterberate derjenigen, die aufgrund von unerwünschten Nebenwirkungen stationär aufgenommen werden, bei zwei Prozent.

Die APS-Vorsitzende Hedwig François-Kettner forderte, die Beschäftigten im Gesundheitswesen und die Patienten besser aufzuklären: "Das Thema Patientensicherheit steht nur bei zwei von 13 Gesundheitsberufen im Lehrplan", kritisierte sie. Länder, Kammern und Bildungseinrichtungen seien gefordert, nachzubessern.

Um kurzfristig den Alltag in Kliniken für die Patienten sicherer zu machen, hat die APS unterschiedliche Handlungsempfehlungen entwickelt. Die Checkliste "Arzneimitteltherapiesicherheit im Krankenhaus" zeigt beispielsweise auf, wie Routineprozesse kritisch zu hinterfragen sind und welche Maßnahmen den Medikationsprozess verbessern können.

Ein Infoblatt verringert vermeidbare Nebenwirkungen

Ein weiteres Infoblatt richtet sich an die Patienten und gibt Tipps rund um die eigene Hausapotheke. "Es sind meist nur kleine Verhaltensänderungen nötig sowie ein gesteigertes Bewusstsein darüber, welche Risiken mit den Arzneimitteln auch verbunden sind", sagte Professor Ulrich Jaehde, Pharmazeut an der Uni Bonn.

Zu einem ähnlichen Schluss kommt Professorin Petra Thürmann, Institutsdirektorin am Helios Uniklinikum in Wuppertal, in einer aktuellen Studie. Thürmann hatte die Medikationsprozesse in zehn deutschen Altenheimen untersucht und potenzielle Fehlerquellen ermittelt.

Darauf aufbauend wurde eine Fortbildung für Pflegekräfte und Hausärzte erarbeitet. Ein Jahr nach Schulung und Umsetzung des Programms hatte sich die Rate der vermeidbaren Nebenwirkungen von zwölf auf 5,5 Prozent im Monat verringert.

Widersprüchliches Bild zur Medikamentenversorgung älterer Patienten

Das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) hat unterdessen neue Zahlen veröffentlicht, die ein widersprüchliches Bild zur Medikamentenversorgung älterer Patienten liefern. Demnach verschreiben Ärzte älteren Patienten zwar seltener Medikamente, die für sie ungeeignet sind oder sogar gefährlich werden können.

Der entsprechende Anteil der AOK-Versicherten ab 65 Jahren ist von 29 Prozent im Jahr 2006 auf knapp 19 Prozent in vergangenen Jahr gesunken.

Gleichzeitig ist der Anteil derjenigen über 65-jährigen Patienten, die fünf oder mehr Wirkstoffe im Quartal verordnet bekommen, von 49 Prozent (2006) auf etwa 55 Prozent (2015) gestiegen. Martin Litsch, Vorstandschef des AOK-Bundesverbandes, warnte angesichts dieses Trends vor den Gefahren einer Polymedikation.

Kostenlose Beratung für Ärzte

Die Polymedikation werde mit der verpflichtenden Einführung des Medikationsplans zum 1. Oktober 2016 stärker in den Fokus rücken. Ärzte müssen dann jenen Patienten, die mindestens drei Medikamente gleichzeitig einnehmen, einen Medikationsplan in Papierform aushändigen.

Nach Angaben des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) werden fast 20 der rund 70 Millionen GKV-Versicherten einen Anspruch darauf haben.

Das WIdO hat auch die Software "pharmPRO" entwickelt, um potenziell gefährliche Kombinationen von Medikamenten bei älteren Versicherten zu erkennen. Sie dient den 100 Beratungsapothekern der AOKs als Grundlage, um Ärzte zu Fragen der Qualität und Wirtschaftlichkeit der von ihnen verschriebenen Arzneimittel kostenlos beraten zu können.

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