Sonderbedarfszulassung
Nephrologe zieht vors Bundesverfassungsgericht
Einsprüche gegen eine Sonderbedarfszulassung können nur binnen einer Jahresfrist seit ihrer Erteilung erhoben werden, urteilte das Bundessozialgericht. Ein Nephrologe reichte Verfassungsbeschwerde ein.
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Nun soll das Bundesverfassungsgericht entscheiden, ob die Ein-Jahres-Widerspruchsfrist rechtens ist.
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SAARBRÜCKEN. Was tun, wenn einem die KV einen Konkurrenten direkt vor die Nase setzt? Gegen die Zulassung des neuen Kollegen in der Nachbarschaft kann man zwar unter bestimmten Voraussetzungen Widerspruch einlegen und klagen, doch dann kann es nach neuester Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) schon zu spät sein.
Der Saarbrücker Nephrologe Dr. Michael Daschner zieht deshalb vor das Bundesverfassungsgericht. Mitte März hat er dort Verfassungsbeschwerde eingereicht. Daschner ist Bundesvorsitzender des Verbandes Deutsche Nierenzentren.
Streitfall um Dialyse-Praxis in Saarbrücken
Seit den 1990er Jahren betreibt er in Saarbrücken eine Dialyse-Praxis. Zusammen mit zwei Kollegen darf er bis zu 150 Dialyse-Patienten behandeln. 2002 expandierte sein Konkurrent - nur rund drei Kilometer entfernt.
KV und Zulassungsausschuss genehmigten diesem per Sonderbedarfszulassung einen dritten Nephrologen. "Der zusätzliche Kollege wurde zugelassen, obwohl die Praxis des Mandanten noch gar nicht ausgelastet war und kein Sonderbedarf bestand", kritisiert Daschners Anwalt, der Saarbrücker Fachanwalt für Medizinrecht, Frank Schmidt.
"Es dürfen aber nur Wettbewerber dazukommen, wenn tatsächlich Bedarf besteht". Darauf seien gerade Dialyse-Praxen angewiesen. "Ohne ausreichende Auslastung gehen die auf Dauer pleite."
Schon zwei Schlappen vor Gericht
Daschner legte unmittelbar nach Kenntnis Widerspruch gegen die Sonderbedarfszulassung ein, zog erst vors Saarbrücker Sozialgericht, dann vors Landessozialgericht. Nach Auffassung beider Gerichte sollte er gar nicht klagebefugt sein.
2012 entschied nun das BSG. Es widersprach zwar den Vorinstanzen, wies Daschners Revision aber dennoch zurück. Begründung: Die erst mehrere Jahre nach der Zulassung eingelegten Rechtsmittel seien zu spät gekommen.
Auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnis komme es nicht an. Wer nach zwölf Monaten den neuen Konkurrenten noch nicht am eigenen Umsatz gespürt und sich dagegen gewehrt habe, könne nicht ernsthaft in seinen Erwerbschancen beeinträchtigt sein (Az.: B 6 KA 42/11 R).
Entscheidung hätte grundsätzliche Bedeutung
Dagegen hat Daschner jetzt Verfassungsbeschwerde eingereicht. Die Ein-Jahres-Frist hält er für zu kurz. "Es ist ist zwar sehr erfreulich, dass das BSG unser Anfechtungsrecht festgestellt hat. Das wird aber durch die knappe Frist de facto wieder ausgehöhlt", so Schmidt.
Auch zurückgehende Umsatzzahlen seien kein ausreichender Hinweis auf einen neuen Konkurrenten. "Das kann 100 andere Gründe haben", so Schmidt.
Und selbst wenn man von einem neuen Kollegen in der Nachbarschaft weiß, könnte es sich ja auch nur um einen Job-Sharer handeln. Auch bei der KV Saarland habe man sich um Auskunft bemüht. "Aber die hat uns die Informationen verweigert", klagt Anwalt Schmidt.
Schmidt hofft nun, dass das Verfassungsgericht Daschners Beschwerde zur Entscheidung annimmt. "Eine Entscheidung aus Karlsruhe hätte auch grundsätzliche Bedeutung", sagt der Medizinrechtler.
Denn bis der Konkurrent die Situation erkannt und die erforderlichen Informationen recherchiert habe, sei die Frist häufig schon verstrichen. Und das könne jeden Kassenarzt treffen.