Report Mainz
Neue Contergan-Studien an Kindern entdeckt
Das Politikmagazin „Report Mainz“ berichtet von einem „neuen dunklen Kapitel“ im Contergan-Skandal, als das Mittel an kranken Kindern getestet worden sein soll. Knackpunkt aus heutiger Sicht sind die damaligen defizitären Zulassungsmodalitäten.
Veröffentlicht:Aachen/Mainz. Haben die Journalisten des ARD-Politikmagazins „Report Mainz“ tatsächlich ein „neues, dunkles Kapitel“ im Contergan-Skandal recherchiert? Konkret geht es um bisher unbekannte Studien mit Säuglingen und kranken Kindern, die im Zeitraum vor 1961 durchgeführt worden waren, bevor Thalidomid vom Markt genommen worden ist.
„Unser Kenntnisstand ist, dass vor der Markteinführung von Contergan auch Studien an Kindern vorgenommen wurden. Diese Studien waren zur damaligen Zeit nicht unüblich. Anwendungsbeobachtungen in Kliniken und Heilstätten wurden nach der Markteinführung von Contergan in Deutschland, nach unserer Kenntnis, vereinzelt durchgeführt“, heißt es in der Grünenthal-Stellungnahme zu dem Beitrag von „Report Mainz“, die der „Ärzte Zeitung“ vorliegt.
Wie das Fernsehmagazin berichtet hat, wurden in der Caritas-Lungenheilanstalt „Maria Grünewald“ in Wittlich in Rheinland-Pfalz der Einfluss von Contergan an über 300 tuberkulosekranken Kindern getestet. Dabei seien, so der Vorwurf, zwei bis vierzehn Jahre alten Kindern teilweise gezielt Überdosen verabreicht worden. Ob Kinder dadurch geschädigt wurden, sei nicht bekannt.
Die Ergebnisse der entsprechenden Studie wurden Ende des Jahres 1960 veröffentlicht. Zu diesem Zeitpunkt, so „Report Mainz“ weiter, habe es schon seit mehr als einem Jahr zahlreiche Hinweise auf Nebenwirkungen von Contergan gegeben.
Regulatorische Rahmenbedingungen fehlten
Grünenthal verweist darauf, dass sein Handeln in dem damaligen regulatorischen Kontext nicht zu beanstanden gewesen sei – heute sei das anders zu bewerten. „Aus heutiger Sicht sind Medikamentenerprobungen an Kindern, wie sie in Kinderheimen in den 1950er- bis 1960er-Jahren durchgeführt wurden, nicht mehr nachzuvollziehen und entsprechen nicht den aktuellen strengen, ethischen Grundsätzen der Arzneimittelforschung und -entwicklung“, heißt es in der Stellungnahme.
Ergänzend stellt Grünenthal klar: „Die Studien an Kindern geschahen in einer Zeit, die sich von der heutigen grundlegend unterscheidet. Das Wissen um Sicherheit von Medikamenten war längst nicht so stark entwickelt: Es gab beispielsweise keine Arzneimittelgesetze, die Tests von Medikamenten regelten. Die Entwicklung und Testung von Contergan entsprachen nach unserem Kenntnisstand dem damals gültigen Wissen und Standards.“
Gleichzeitig weist Grünenthal darauf hin, dass auch heute noch die Wirksamkeit und Sicherheit eines Arzneimittels in klinischen Studien mit Kindern erprobt würden, wenn eine Zulassung für Kinder vorgesehen sei.
Grünenthal: Sind uns der Verantwortung bewusst
Grünenthal betont in der Stellungnahme, das Kapital Contergan nicht unter den Teppich kehren zu wollen – im Gegenteil: „Die Contergan-Tragödie wird immer Teil unserer Firmengeschichte bleiben. Wir werden niemals vergessen, was geschah, und bedauern die weitreichenden Folgen für die betroffenen Menschen und deren Familien zutiefst. Es ist Teil unserer Verantwortung, die Betroffenen heute zu unterstützen.“
Dies geschehe unter anderem unter dem Dach der Grünenthal-Stiftung zur Unterstützung Thalidomid-betroffener Menschen.