Studie
„Nur jeder dritte junge Erwachsene weiß, wie gesunde Ernährung funktioniert“
Gesunde Ernährung ist in Deutschland auch eine Frage der Bildung und des Einkommens. Eine aktuelle AOK-Studie zeigt „alarmierende Ergebnisse“.
Veröffentlicht:Berlin. Mehr als die Hälfte der Bundesbürger verfügt über eine problematische oder gar inadäquate Ernährungskompetenz. Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Während über die Hälfte der Frauen (53 Prozent) eine ausreichende Ernährungskompetenz besitzt, sind es bei den Männern gerade einmal 38 Prozent. Nur jeder dritte junge Erwachsene zwischen 18 und 24 Jahren weiß, wie gesunde Ernährung funktioniert. Dagegen schätzen rund 60 Prozent der 60- bis 69-Jährigen ihre Ernährungskompetenz als ausreichend oder exzellent ein.
Zu diesen Ergebnissen kommt eine repräsentative Studie des AOK-Bundesverbandes, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Für die von der Agentur „Facit Digital“ durchgeführte Erhebung wurden knapp 2.000 Personen im Alter von 18 bis 69 Jahre online zu acht Themenfeldern befragt (Gesund vergleichen, selbst zubereiten, Wahl der Vorräte, Mahlzeiten planen, gesund haushalten, gemeinsam essen, widerstehen können, smart snacken).
Junge Leute kochen kaum noch selbst
„Nur jeder dritte junge Erwachsene weiß, wie gesunde Ernährung funktioniert. Das ist alarmierend“, kommentiert Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbands am Dienstag die Studienergebnisse.
Professor Berthold Koletzko, Vorsitzender der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin und praktizierender Pädiater, kennt die Entwicklung aus der Praxis: „Generell sehe ich bei jungen Eltern einen zunehmenden Rückgang der Fähigkeiten zur selbstständigen Zubereitung von Mahlzeiten aus Grundnahrungsmitteln.“ Als Alternative würden häufig Fertigprodukte genutzt. Deshalb sei die Befähigung der Menschen zu einer gesunden Auswahl von Speisen und Getränken zum Schutz ihrer Gesundheit heute noch wichtiger als jemals zuvor.
Größte Schwierigkeit: Vergleichen
Fertigprodukte erhalten oftmals deutlich mehr Salze, gesättigte Fette und Zucker, als von Ernährungswissenschaftlern empfohlen. Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) hat sich für ihre Amtszeit deshalb unter anderem die Einführung eines erweiterten Nährwertkennzeichnungs-Modells für Fertignahrungsmitteln auf die Fahne geschrieben. Noch in diesem Jahr soll der Nutri-Score – zumindest national und auf freiwilliger Basis – auf Fertigprodukten eingeführt werden. Die entsprechende Verordnung liegt derzeit zur Notifizierung bei der Europäischen Kommission.
Tatsächlich bereitet unter den acht untersuchten Kompetenzfeldern der AOK-Studie „gesundes Vergleichen“ die größten Schwierigkeiten. Rund 72 Prozent der Befragten geben an, es fehle ihnen an den notwendigen Werkzeugen, um beispielsweise Entscheidungen über die richtige Produktwahl zu treffen. Litsch fordert deshalb eine Verpflichtung für die Unternehmen. Es bringe nichts, „wenn die Lebensmittelindustrie die Kennzeichnung von Nährstoffen nach Lust und Laune auf ihren Produkten platzieren darf“.
Eine Frage des Geldes und der Bildung
Die AOK-Erhebung zeigt außerdem einen positiven Zusammenhang von höheren Bildungsabschlüssen und besserer Ernährungskompetenz. Nur 37,2 Prozent der Menschen mit einem Haupt- oder Volksschulabschluss können der AOK-Studie zufolge eine ausreichende Literalität vorweisen, bei Menschen mit Abitur liegt der Anteil bei 56,4 Prozent. Gleichzeitig steigt die Ernährungskompetenz dem Einkommen an. Rund 60 Personen der Personen mit einem Nettohaushaltseinkommen in Höhe von bis zu 1999 Euro haben den Studienergebnissen zufolge inadäquates bis problematisches Wissen über gesunde Ernährung.
Die Stärkung der Ernährungs- und allgemein der Gesundheitskompetenz müsse nach Auffassung der AOK als gesamtgesellschaftlich Aufgabe verstanden werden. Entsprechend müsse die Politik, insbesondere in den Bereichen Bildung, Ernährung und Gesundheit die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen. (Mitarbeit hom)