Kommentar – Schwangerschaftsabbruch

Paragraf 219 a – Politik am Zug

Wolfgang van den BerghVon Wolfgang van den Bergh Veröffentlicht:

Nach dem Urteil gegen die Gießener Gynäkologin ist es still geworden. Im November 2017 wurde sie wegen unerlaubter Werbung für Schwangerschaftsabbrüche auf ihrer Internetseite verurteilt. Dagegen hat sie Berufung eingelegt. Seit heute stehen zwei weitere Ärztinnen in Kassel vor Gericht. Die Vorwürfe ähneln sich. Man fragt sich: Wann handelt die Politik?

Seit zehn Monaten wird diskutiert, aber ein Ergebnis ist nicht in Sicht. Die Vorschläge reichen von einer Streichung des Paragrafen 219a bis hin zu einer Modifikation. Bundesrat und Rechtsausschuss des Bundestags haben sich in der Debatte verhakt. Das trifft wohl auch auf die Spitzen von drei Ministerien (Justiz, Familie, Gesundheit) und Kanzleramtschef Helge Braun zu.

Für Justizministerin Katarina Barley sind die Eckpunkte unverrückbar: Rechtssicherheit für Ärzte und die Möglichkeit für betroffene Frauen, sich beraten zu lassen, hieß es am Mittwoch im Ministerium.

Es geht nicht um Werbung, sondern um sachliche Information. Warum kann man das nicht so glasklar formulieren? Zumindest wird eine Einigung in Aussicht gestellt. Vielleicht hat die Verzögerung aber auch einen ganz profanen Hintergrund: die Angst der "C"-Parteien vor einem klaren Votum vor den Wahlen in Hessen und Bayern.

Lesen Sie dazu auch: Erneut zwei Ärztinnen wegen Paragraf 219a vor Gericht

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Kommentare
Dipl.-Med Gesine Liesong 30.08.201813:51 Uhr

Verlogenheit

Es ist diese Verlogenheit, die mich so empört. Ich bin in Deutschland geboren, in der DDR aufgewachsen und gearbeitet und ich glaube sagen zu können, dass das Gros der Frauen in der DDR sehr verantwortungsvoll mit der Interruptio umgegangen sind.
Ich hätte mir damals gewünscht, dass diese Regelung aus dem Osten übernommen worden wäre, zumindest sollten über so etwas nur Frauen abstimmen, die einmal schwanger waren, unabhängig davon, ob ausgetragen. Die gehen nämlich anders mit so einer Entscheidung um.
Wir Ärzte sind zwar angetreten, Leben zu erhalten und zu verlängern. Aber was nutzt das Leben einer Frau, die nicht Mutter sein will dem ungeborenen Kind? Gehört dazu nicht auch die Annahme in Liebe und Geborgenheit des ungeborenen Lebens?

Dr. Thomas Georg Schätzler 29.08.201817:20 Uhr

Geht dieser juristische Unsinn denn jetzt schon wieder los?

Nicht nur Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter (BGM) Jens Spahn (CDU), sondern auch dem Bundesministerium für Justiz und den Verbraucherschutz (BMJV) bzw. gestandenen Juristen sollte spätestens jetzt dämmern, dass der Paragraf 219a Strafgesetzbuch (StGB) ein Werbeverbot und k e i n e Informationssperre beinhaltet. Von daher sind Hinweise auf Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen keine Spielwiese für Staatsanwaltschaften mit Profilneurosen und RichterInnen, die bestehende Gesetzte zwar lesen, aber nicht verstehen wollen oder können.

Ist es etwa bezeichnend für juristische Semiotik und Sprachkultur, unter intellektueller Missachtung der unterschiedlichen Begrifflichkeiten von „Information“ und „Werbung“ Ärztinnen und Ärzten vorzuwerfen, gegen §219a StGB zu verstoßen, welcher expressis verbis lediglich Werbung für einen Schwangerschaftsabbruch verbietet?

"§ 219a Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft
(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise
1. eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs oder
2. Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zum Abbruch der Schwangerschaft geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung
anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekanntgibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Absatz 1 Nr. 1 gilt nicht, wenn Ärzte oder auf Grund Gesetzes anerkannte Beratungsstellen darüber unterrichtet werden, welche Ärzte, Krankenhäuser oder Einrichtungen bereit sind, einen Schwangerschaftsabbruch unter den Voraussetzungen des § 218a Abs. 1 bis 3 vorzunehmen.

(3) Absatz 1 Nr. 2 gilt nicht, wenn die Tat gegenüber Ärzten oder Personen, die zum Handel mit den in Absatz 1 Nr. 2 erwähnten Mitteln oder Gegenständen befugt sind, oder durch eine Veröffentlichung in ärztlichen oder pharmazeutischen Fachblättern begangen wird."

Das Thema „Vermögensvorteil“ in § 219 a führt sich für Ärzte von selbst ad absurdum:
EBM-Ziffer „01900 Beratung wegen geplanter Abruptio – Beschreibung
Beratung über die Erhaltung einer Schwangerschaft und über die ärztlich bedeutsamen Gesichtspunkte bei einem Schwangerschaftsabbruch
Obligater Leistungsinhalt
Leistungen gemäß den Richtlinien zur Empfängnisregelung und zum Schwangerschaftsabbruch des Gemeinsamen Bundes­aus­schusses,
Fakultativer Leistungsinhalt
Schriftliche Feststellung der Indikation für den Schwangerschaftsabbruch,
Klinische Untersuchung,
Immunologische Schwangerschaftstests,
Abrechnungsbestimmung
einmal im Behandlungsfall …
Gesamt (Punkte) 81 - Gesamt (Euro) 8,63“
Als Praxis-U m s a t z!
Quelle: Kassenärztliche Bundesvereinigung Berlin, Stand 2018/3, erstellt am 04.07.2018
http://www.kbv.de/tools/ebm/html/01900_2903699096148569414976.html

Leserinnen und Leser der Ärzte Zeitung mögen sich bitte dazu ein eigenes Urteil bilden...

Mf + kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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