Start-up
Per Mausklick in die Sprechstunde
Ein Lübecker Unternehmer will die Online-Sprechstunde in Deutschland etablieren. Einige Ärzte hat er bereits dafür begeistert, doch die Abrechnung steht auf wackeligen Beinen.
Veröffentlicht:LÜBECK. "Was Google noch in den USA testet, ist in Deutschland schon auf dem Markt: die Online-Video-Sprechstunde." Mit dieser Aussage sorgte das Lübecker Unternehmen Patientus kürzlich für Aufsehen.
Die von ihm angebotene gleichnamige Video-Sprechstunde steht theoretisch allen Ärzten mit Sitz in Deutschland zur Verfügung. Praktisch das Angebot aber erst wenige Mediziner. Das Unternehmen spricht von rund 100 Ärzten, die demnächst mit dem System arbeiten könnten.
Die meisten von ihnen sind in zwei Ärztenetzen organisiert. Diese Netze schalten das Angebot aber erst frei, wenn alle Netzpraxen technisch in der Lage sind, mit dem System zu arbeiten. Arzt und Patient würden keine besonderen PC-Kenntnisse benötigen.
Ärzte können im Erstkontakt mit Patienten zu allgemeinen Fragen Stellung beziehen und Auskünfte über Therapiemöglichkeiten, Kostenübernahmen und den Behandlungsverlauf geben. Bei schon bestehenden Patienten-Kontakten können auch weiterführende Diagnose- und Therapiebesprechungen abgehalten werden.
Anders als beim Skypen kommunizieren Arzt und Patient bei Patientus in einem geschützten Bereich, in den sie sich einloggen müssen. Die Terminierung erfolgt über Patientus. Hinter dem Start-Up-Unternehmen stecken drei Jungunternehmer aus Lübeck.
Geschäftsführer Nicolas Schulwitz hat die Idee 2011 nach seiner Tätigkeit bei der Knappschaft in Eigenregie weiter entwickelt und mit seinen Partnern kürzlich auf den Markt gebracht. "Patientus soll den Arztbesuch auf keinen Fall ersetzen, sondern nur sinnvoll ergänzen", so der 31-Jährige im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".
Ehrgeizige Pläne
Er hat ehrgeizige Pläne: Nach Deutschland will er das System im kommenden Jahr auch auf dem französischen Markt etablieren. 500 bis 1000 Ärzte will er bis dahin ausgestattet haben. Auch mit Krankenhäusern will Schulwitz ins Gespräch kommen.
Der Jungunternehmer sieht gute Chancen, dass sich das System durchsetzt. Zum einen, weil Patienten seiner Erfahrung nach diese Form der Kommunikation zunehmend begrüßten. Zum anderen, weil Ärzte erkennen, dass sich Patienten bei Laien oder im Internet häufig völlig unzureichend informieren.
Schulwitz: "Ich glaube nicht, dass sich damit die Zahl der physischen Patientenkontakte verringert. Aber Fragen von Patienten, die keine Präsenz beim Arzt erforderlich machen, lassen sich damit beantworten". Besonders unter Ärzten, die neue Patienten ansprechen wollen oder die viele Hausbesuche machen, sieht Schulwitz einen Markt.
Fragen wirft noch die Abrechnung auf. Nach Angaben des Unternehmens kann der Arzt die Video-Sprechstunde wie eine telefonische Beratung nach EBM abrechnen. Telemedizinische Leistungen finden sich derzeit zwar noch nicht im EBM wieder.
Telefonat mit Bild - für Abrechnung kein Unterschied
Es gibt aber die Ziffer 01435, für die laut KV Schleswig-Holstein einmal im Behandlungsfall (bei Kindern zwei Mal) 8,80 Euro angesetzt werden können. Hierbei handelt es sich um eine vom Patienten ausgehende telefonische Beratung, wenn dieser den Arzt in Zusammenhang mit einer Erkrankung anruft.
Dass es sich um ein "Telefonat mit Bild" handelt, mache für die Abrechnung dieser Ziffer keinen Unterschied, teilte die KVSH auf Anfrage mit. "Konkret sind diese Fragen aber bisher nicht an uns herangetragen worden", so die Körperschaft.
Sie würde es aber befürworten, "wenn Vergütungsregeln geschaffen würden, die den Einsatz dieser Techniken ermöglichen". Denn insbesondere in Flächenregionen eröffne moderne Technik Chancen für die ärztliche Versorgung.
Das Patientus-Angebot kostet den Arzt 189 Euro im Monat, Schulwitz kündigt aber Sondertarife an. Für die Patienten ist das Angebot kostenlos. (di)