Fachkräftemangel

Pflege-Debatte: Uniklinik-Chef kritisiert geringe Berufsperspektiven

Essens Uniklinik-Direktor Werner kritisiert die geringen Aufstiegschancen in Pflegeberufen. Dies sei ein Grund, dass der Beruf für junge Leute oft unattraktiv sei. Er sieht aber Auswege.

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Haupteingang des Uniklinikums Essen: Dessen Leiter Professor Jochen A. Werner setzt sich für bessere Aufstiegschancen in der Pflege ein, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.

Haupteingang des Uniklinikums Essen: Dessen Leiter Professor Jochen A. Werner setzt sich für bessere Aufstiegschancen in der Pflege ein, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.

© Marcel Kusch/picture alliance

Essen. Neben der hohen Arbeitsbelastung sieht der Direktor des Universitätsklinikums Essen mangelnde Aufstiegschancen und zu wenig Qualifizierungsangebote als Ursachen für den Pflegenotstand in Deutschland. „Die Perspektive für die Pflegekräfte ist von zentraler Bedeutung für die Zukunft dieses Berufs“, sagte Professor Jochen A. Werner der Deutschen Presse-Agentur.

„Wir haben uns zu wenig gekümmert um eine lebenslange Planung. Pflegekräfte verlassen eindeutig zu früh ihren Beruf, um eine andere Tätigkeit auszuüben“, stellte der Mediziner fest. „Personalentwicklung und Aufstiegsmöglichkeiten kommen daher höchste Bedeutung zu.“

Das Problem betreffe vor allem Frauen, die in der Pflege weit häufiger arbeiten als Männer. Der 63-jährige Mediziner betonte, dass Ärzte und Ärztinnen an Krankenhäusern vergleichsweise viel bessere Karriere-Möglichkeiten hätten. „Da ist es anders: Assistenzärztin, Stationsärztin, Funktionsoberärztin, Oberärztin, Leitende Oberärztin, Chefärztin. Das ist geregelt, aber in der Pflege gibt es das nicht.“

Aufstiegschancen für Pfleger „sehr, sehr begrenzt“

Werner machte das Problem an einem Beispiel deutlich: „Wie ist es im Moment? Da ist eine 18-jährige Person, Mann oder Frau, die bis 65 oder 70 arbeiten soll. Mit Erreichen des 30. Lebensjahres sind viele Pflegekräfte dann am Ende ihrer beruflichen Entwicklung“, kritisierte er. Die Aufstiegschancen seien „sehr, sehr begrenzt“.

Um den Pflegeberuf attraktiver zu machen, plädiert Werner für „eine stärkere Personalentwicklung, angepasst an unterschiedliche Lebensphasen und gesundheitliche Aspekte“. So könnten Pflegende gut als Lehrkräfte für den Unterricht von Krankenschwestern und Pflegern weiterqualifiziert und eingesetzt werden, wenn sie körperlich oder seelisch in der Pflege selbst nicht mehr arbeiten könnten.

Mittlere Verweildauer im Beruf liegt bei 18 Jahren

Laut einer im März 2022 von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) vorgestellten Studie liegt die mittlere Verweildauer von Gesundheits- und Krankenpflegenden in NRW bei etwa 18 Jahren, in der Altenpflege bei 13 Jahren. „Alarmierend“ ist für Laumann, dass nur etwa 50 Prozent der befragten Pflegekräfte tendenziell zufrieden oder sehr zufrieden in ihrem Beruf waren. Etwa die Hälfte gab an, dass sich die Wertschätzung ihrer Arbeit durch die Arbeitgeber im Laufe der Berufsjahre verschlechtert habe. Zwei Drittel nahmen eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen wahr.

Fernab jeglicher Realität sei der Glaube, dass Frauen beispielsweise nach der Geburt ihrer Kinder zurückfinden in den Pflegeberuf, sagte Werner: „Es gibt ja die Idee, dass 300.000 bis 600.000 ehemalige Pflegekräfte aus ihrem anderen Leben in die Krankenhäuser zurückströmen, dass sie zurückkommen in den Schichtbetrieb eines Krankenhauses.“ Das aber werde sicher nicht passieren, meint der Klinikchef. „Was wir brauchen, ist eine stärkere Durchlässigkeit verschiedenen Berufsbilder, die geplant auch spätere Wiedereinstiege vorsehen.“ Es sei sehr wichtig, dass „wir die Kräfte, die wir haben, im Beruf halten. Und denen müssen wir Weiterbildung ermöglichen.“

Bedarf an Arbeitskräften steigt, Markt ist leergefegt

In Essen habe man mit der FOM-Hochschule, einer staatlich anerkannten privaten Hochschule für gesundheitswissenschaftliche Studiengänge für Berufstätige und Auszubildende, einen Studiengang „Pflege und Digitalisierung“ entwickelt. „Wir müssen weitere Spezialisierungen anbieten, sonst verlassen die Pflegekräfte den Beruf.“

Auch der seelischen Gesundheit Pflegender müsse mehr Beachtung geschenkt werden. „Wer immer mit Leid zu tun hat, der muss es auch verarbeiten können. Und das gelingt nicht zwischen zwei Schichten“, so Werner.

Ende 2020 arbeiteten in Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamts (Destatis) knapp 486.100 Beschäftigte im Pflegedienst der Krankenhäuser. Etwas weniger als ein Viertel davon (113.326) war in NRW tätig. Seit Jahren steigt laut den Statistikern der Bedarf an Arbeitskräften in der Pflege stetig, doch der Markt ist leer gefegt. (dpa)

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Kommentare
Kurt-Michael Walter 18.07.202214:18 Uhr

Pflege-Debatte: Geringe Berufsperspektiven für Pfleger: innen. Diese Argumentation wird immer dann vorgeschoben, um von dem eigentlichen Thema abzulenken. Die beruflichen Aufstiegschancen für Pfleger: innen sind gut, es liegt eindeutig an den Arbeitsbedingungen und der schlechten Entlohnung.

Wer von Anfang an gut verdient und gerecht beurteilt wird und wenn die notwendigen Hygiene-Faktoren im Personalmanagement angewendet werden, haben Arbeitgeber: innen kein Problem, genügend Pfleger: innen auf dem Arbeitsmarkt zu finden.

Dass der Arbeitsmarkt für "schlecht bezahlte Jobs" nichts mehr hergibt und leergefegt ist, ist wohl allzu gut nachvollziehbar. Das Narrativ von dem Pflegenotstand taugt nur noch bedingt medial als Begründung.

Fakt ist: Pflegefachkräfte und -assistenzkräfte sind weisungsgebundene Mitarbeiter: innen, die am Menschen eine Dienstleistung verrichten. Es nutzt deshalb wenig diese Dienstleistung zu akademisieren. Fort- und Weiterbildung zu Spezialisierungen wäre hier der richtigere Weg.

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