CIRS in Arztpraxen
QM-Tool stärkt Willen, in der Praxis über Fehler zu reden
Ein institutionalisiertes Fehlermanagement sorgt für mehr Patientensicherheit in der Arztpraxis, so das Fazit einer Studie zu Critical Incident Reporting System (CIRS) in Praxen.
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Fehleranalyse gehört auch in die Teambesprechung.
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Frankfurt/Main. Praxisteams mit einem strukturierten Fehlermanagement (Critical Incident Reporting System/CIRS) gelingt es, Schwachpunkte und Risiken in ihren Arbeitsabläufen zu identifizieren und aus dem offenen Austausch über Fehler oder andere kritische Ereignisse zu lernen. So können Arztpraxen einen entscheidenden Beitrag zur Patientensicherheit leisten.
So lautet das Fazit der gemeinsamen CIRSforte-Studie des Instituts für Allgemeinmedizin der Goethe-Universität in Frankfurt, der Techniker Krankenkasse (TK) sowie dem Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) und weiteren Partnern. Diese hatten über einen Zeitraum von drei Jahren bundesweit insgesamt 184 Arztpraxen bei der Einführung eines Fehlerberichts- und Lernsystems begleitet. Die Ergebnisse der Studie wurden jetzt in einer Online-Abschlussveranstaltung vorgestellt.
In stationärer Versorgung bereits fest etabliert
Während CIRS in der stationären Versorgung fest etabliert ist, hadern immer noch viele Haus- und Facharztpraxen mit einem solchen Qualitätsmanagement-System. Allein aufgrund der hohen Zahl der Patientenkontakte sollten aber auch Arztpraxen die Vorteile eines strukturierten Fehlermanagements nutzen, mahnt die TK Hessen. In dem Bundesland kämen die rund 13 .000 niedergelassenen Haus- und Fachärzte jedes Jahr fast 48 Millionen Behandlungsfälle.„Patienten vertrauen auf eine gute und sichere Behandlung. Um dieses Vertrauen nicht zu gefährden, ist es wichtig, dass sich die Praxen mit vorhandenen Risiken auseinandersetzen und Prozesse noch sicherer gestalten“, verdeutlicht Dr. Barbara Voß, Leiterin der TK-Landesvertretung in Hessen. „Viele Praxisteams fanden das Projekt sehr hilfreich und haben eine hohe Motivation zu lernen, wie sie Fehler vermeiden können. Das ist ein großer Erfolg“, ergänzt Voß. Sie rekurriert dabei auf die Angaben zur Studie, wonach zu Beginn der Untersuchung 45 Prozent der 184 Praxen bereits ein CIRS-Tool eingerichtet hatten, am Ende seien es 91 Prozent gewesen.
Praxen nehmen Fehlermanagement auf die Tagesordnung
„In den Praxen, die wir im CIRSforte-Projekt während der 17-monatigen Studienphase begleitet haben, hat sich vieles positiv verändert“, konstatiert auch Dr. Beate Müller, Projektleiterin der Studie und Leiterin des Arbeitsbereichs Patientensicherheit am Institut für Allgemeinmedizin der Goethe-Universität. Das Wissen der Praxisteams, wie einem Fehler vorgebeugt werden könne, habe sich signifikant verbessert.
Die Aufarbeitung von Schwachstellen sei strukturierter verlaufen, und die Qualität des Austauschs mit dem gesamten Praxisteam habe sich erhöht. 95 Prozent der Praxen hätten das Fehlermanagement als festen Tagesordnungspunkt in die Teamsitzungen integriert. Zwei von drei Praxen (70 Prozent) hätten Verantwortlichkeiten für das Thema benannt. Die teilnehmenden Praxen sahen in diesen festen Strukturen einen enormen Zugewinn für ihre gemeinsame Fehleraufarbeitung, wie es weiter heißt.
Fehler lauern überall
Müller weist darauf hin, dass Fehler überall im Behandlungskontext auftreten könnten und alles andere als banal seien: „Wenn Praxisteams sich fragen, wo im Praxisalltag kritische Ereignisse auftreten können, dann lautet die Antwort: Überall. Jede einzelne Handlung bei der Behandlung eines Patienten ist risikoanfällig.“
Beispielsweise könnten Patienten verwechselt werden, weil der Aufruf im Wartezimmer akustisch nicht eindeutig ist oder es einen weiteren Patienten mit gleichem Vor- und Nachnamen gibt. Oder es werde einem Patienten irrtümlich Blut entnommen oder ein falsches Dokument oder fehlerhaftes Rezept ausgehändigt.
Wenn so etwas passiere, hülfen Appelle, beim nächsten Mal besser aufzupassen, nicht weiter. Machten sich die Praxismitarbeiter nicht auf die Suche nach diesen Ursachen und änderten sie an den internen Strukturen nichts, sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich ein Fehler in gleicher oder ähnlicher Weise wiederhole.
Auf die Strukturen kommt es an
Die Entwicklung einer guten Sicherheitskultur sei daher unumgänglich, damit die nachhaltige Verbesserung von Arbeitsabläufen und Strukturen funktioniere.
Das meine konkret einen offenen Umgang mit Fehlern innerhalb des Praxisteams und das Vertrauen der Mitarbeiter, dass sie nicht fürchten müssten, für einen Fehler bestraft zu werden. Oft werde auch übersehen, dass in den meisten Fällen nicht eine einzelne Person, sondern eine Verkettung unglücklicher Umstände und ein Versagen im System zu einem Fehler geführt hätten. Idealerweise sollten Mitarbeiter in einer vertrauensvollen Atmosphäre ohne Angst berichten können, was vorgefallen sei, mahnt Müller.