Gastbeitrag

Qualitätssicherung - am Ende nur Symbolpolitik?

Was sollte man gegen Qualitätssicherung haben? - Eigentlich nichts! Doch die Forschung zur Wirkung von Qualitätsindikatoren ist eher ernüchternd, der Effekt gering. Am Ende könnte die Demotivation vor allem der Ärzte stehen.

Von Norbert Schmacke Veröffentlicht:
Bekommt mit dem IQTiG eine Schwester: das Kölner IQWiG.

Bekommt mit dem IQTiG eine Schwester: das Kölner IQWiG.

© IQWiG

BREMEN. Koalitionen unterschiedlicher Couleur haben sich während der letzten Legislaturperioden hingebungsvoll dem Thema "Qualitätssicherung" verschrieben. Es fällt etwas schwer, gegen diesen wohlklingenden Ansatz zu polemisieren, aber es wird allmählich erforderlich.

Immer phantastischere Ideen finden Einzug in das Sozialgesetzbuch. Nun will die Große Koalition im Verbund mit den Ländern die Krankenhausbedarfsplanung daran knüpfen, in welchem Umfang Kliniken noch zu entwickelnde Sätze von Qualitätsindikatoren befolgen.

Zuschläge und Abschläge sollen Druck machen, am Ende steht wohl die Idee, auf diese Weise Abteilungen unterhalb einer definierten Qualitätsschwelle schließen zu können.

Nun hat man im Inneren der Selbstverwaltung gerade angefangen, über eine sinnhafte Begrenzung der Entwicklung von Qualitätsindikatoren nachzudenken, gerade weil deren Wirkung in der Praxis noch nicht erkennbar ist - und jetzt glaubt die Politik in allem Ernst, mit Qualitätsindikatoren Bewegung in die Krankenhauslandschaft bringen zu können. Oder glaubt sie es gar nicht?

Manches spricht dafür, dass es sich eher um Symbolpolitik handelt: man verkündet wohlklingende Ziele und präsentiert große Entschlossenheit, statt zu handeln. Dass die bisherige Krankenhausbedarfsplanung nicht zukunftsfest ist, ist kein Geheimnis.

Statt die politische Debatte um eine Änderung der bisherigen Machtverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen zu führen wird jetzt der elegante Weg über wissenschaftlich hergeleitete und messbare Indikatoren verkündet.

Unterschiedliche Spielregeln sind das Problem

Der schwarze Peter liegt damit erst einmal für einige Jahre beim Gemeinsamen Bundesausschuss: denn so lange wird es dauern, bis ein wie auch immer vom BMG forcierter Kompromiss der Bänke vorliegen wird. Dann ist die nächste Regierung gewählt, die sich in Ruhe anschauen kann, wie die Selbstverwaltung sich mit der Umsetzung der neuen Qualitätsregeln quält.

Und bis dahin hat sich vielleicht die Aufmerksamkeit in der Gesundheitspolitik wieder anderen Themen zugewandt.

Zeit, daran zu erinnern, was Qualitätssicherung sein kann und was nicht. Es geht - technisch gesprochen - in der Medizin darum, das Richtige für die richtigen Patientinnen und Patienten mit den richtigen Methoden und Prozessen zu tun.

Und zu diesen scheinbar simplen Fragen muss die Diskussion jetzt zurückkehren, wenn wir nicht in einer sinnlosen Datenflut von endlos kontrovers diskutierten Qualitätsindikatoren stecken bleiben wollen.

Das Richtige: hier geht es vor allem um die Bewertung von Innovationen in der Medizin. So sehr auch hier der Kampf um die Interpretationshoheit zwischen Industrie, Leistungserbringern und Kassen tobt: hier kann man auf ein solides Fundament an Methoden zurückgreifen.

Ungelöst ist bisher das Problem, dass für den stationären und den ambulanten Bereich unterschiedliche Spielregeln gelten: auch dies will die Politik bisher nicht anpacken. Die richtigen Patienten: es geht vor allem um die Indikationsstellung und das daran hängende Thema Unter-, Über- und Fehlversorgung.

Hier ist man schon in schwerem Fahrwasser, weil es nur ganz langsam gelingen will, selbst klare Leitlinienempfehlungen in der Praxis zu verankern: man denke an die Frage des Umgangs mit unkompliziertem Rückenschmerz. Zur Veranschaulichung von medizinisch nicht erklärbaren Unterschieden in der Versorgung sind Qualitätsindikatoren wichtig und hilfreich.

Sie können - eingebunden in praxisnahe Ansätze des Qualitätsmanagements - auch in gewissem Umfang Qualität verbessern - die Pharmakotherapiezirkel hatten hier eine Vorbildfunktion. Eine systematische Nutzung von Qualitätsindikatoren durch die Praxis steht demgegenüber aus - und ohne deren Akzeptanz geht es am Ende nicht.

Neue Koalitionen nötig

Mit den richtigen Methoden und Prozessen: hier scheint die Qualitätssicherung ihr Hauptaufgabenfeld gefunden zu haben, man denke an die beliebten Qualitätsbeauftragten und die wachsende Zahl von Qualitätsberichten.

Nun führt aber leider die Forschung zum Nutzen des Einsatzes von Qualitätsindikatoren und anderer Instrumente der Qualitätssicherung international zu ausgesprochen ernüchternden Ergebnissen.

Das heißt nicht, dass alles sinnlos wäre, aber man kann den Kurs des Tankers damit nicht ändern. Dazu müssten wohl auf der Brücke neue Koalitionen geschlossen werden.

Oder die Defizite in der Versorgung müssen so groß werden, dass überfällige Reformschritte gegen Widerstände von Industrie, Leistungserbringern und Kassen von der Politik durchgesetzt werden, auch unter Hintanstellen der Partikularinteressen von Landräten und Ministerien.

Symbolpolitik aber muss nicht allein entlarvt werden, weil sie nicht hilft, sondern vor allem, weil sie die Akteure in der Praxis demotiviert, die nötigen Schritte zu besserer Qualität in der Versorgung unverzagt weiter zu gehen.

Professor Dr. Norbert Schmacke ist Mitglied des Instituts for Public Health und Pflegeforschung an der Universität Bremen

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