Transplantations-Prozess
Schwere Vorwürfe gegen Ex-Chef der Gastroenterologie
Vorgesetzter soll Ärzte aufgefordert haben, Blutgerinnungswerte zu manipulieren.
Veröffentlicht:GÖTTINGEN. Im Prozess um den Transplantationsskandal am Göttinger Universitätsklinikum haben am Montag mehrere Zeugen über Manipulationen von Patientendaten berichtet.
Diese Vorkommnisse sollen sich allerdings nicht im Bereich des angeklagten Transplantationsmediziners, sondern in der Gastroenterologie abgespielt haben.
Zwei Ärzte, die direkt nach ihrem Medizinstudium in dieser Abteilung gearbeitet hatten, berichteten, dass der damalige Direktor sie aufgefordert habe, bei der Blutabnahme sogenannte Citratröhrchen zusammenzuschütten, um so die Blutgerinnungswerte zu verändern.
Auf diese Weise sollten die betreffenden Patienten auf einen höheren Platz auf der Warteliste für ein Spenderorgan gehievt werden.
In dem Prozess muss sich allein der frühere Leiter der Transplantationschirurgie verantworten. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat den 43-jährigen Mediziner wegen versuchten Totschlags in elf Fällen und vorsätzlicher Körperverletzung mit Todesfolge in drei Fällen angeklagt.
Gegen den ehemaligen Leiter der Gastroenterologie läuft ebenfalls ein Verfahren, hier sind die Ermittlungen jedoch noch nicht abgeschlossen. Die Göttinger Universitätsmedizin hat ihm wegen der schweren Vorwürfe die Führung der Dienstgeschäfte untersagt.
Mitarbeiter fühlten sich vom Chef bedrängt
Nach Angaben der Zeugen soll der Leiter der Gastroenterologie einen sehr autoritären und schroffen Führungsstil gehabt und keinen Hehl aus seiner Auffassung gemacht haben, dass er das derzeitig gültige MELD-Score-Verfahren für die Organverteilung ablehnt.
Ein Oberarzt berichtete, dass sein Chef ihn einmal aufgefordert habe, einem Patienten auf seiner Privatstation auf eine bestimmte Art und Weise Blut abnehmen zu lassen.
Auf seine Frage, wie das zu verstehen sei, habe sein Chef "sehr schwammig" beschrieben, dass die Blutröhrchen zusammengekippt werden sollten. Darüber sei er sehr erbost gewesen. Er habe sich geweigert und dies auch den Kollegen auf der Station kundgetan.
Ein anderer Mediziner gab zu, auf Aufforderung seines Chefs in drei Fällen solche Manipulationen vorgenommen zu haben. Er begründete dies damit, dass er unter einem starken Druck gestanden habe und von seinem Chef abhängig gewesen sei.
Dieser allein habe darüber entschieden, ob und an welchen Fort- und Weiterbildungen er teilnehmen durfte, die für seine Facharzt-Ausbildung erforderlich seien.
"Ich habe keinen Weg gesehen, mich dem zu entziehen", sagte der Mediziner, der sichtlich betroffen und mitgenommen wirkte. In einem Fall habe er auch mitbekommen, dass bei einem Patienten die Blutwerte eines anderen Patienten ins Meldesystem eingegeben wurden.
Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt.