Anlagen-Kolumne
Steuerfreie Dividende mit Pferdefuß
Stattliche 57 Milliarden Euro haben deutsche Aktiengesellschaften dieses Jahr an Dividenden ausgeschüttet. Was viele Aktionäre freut: Bei einigen Unternehmen unterliegen die Dividendenzahlungen ganz oder in Teilen weder der Kapitalertragssteuer, noch dem Solidaritätszuschlag von zusammengenommen 26,375 Prozent.
Bei den Ausschüttungen der Deutschen Post und der Deutschen Telekom hat der Fiskus komplett das Nachsehen. Bei Dividenden von Unternehmen wie Deutsche Euroshop, DIC Asset und Deutsche Wohnen muss nur ein Teilbetrag versteuert werden. Denn bei diesen Konzernen gelten die Dividenden ganz oder teilweise als Rückzahlungen aus Eigenkapital. Die sind für Aktionäre steuerfrei, solange sie am Unternehmen beteiligt bleiben.
Letztere Klausel ist der Pferdefuß. Trennt sich der Anleger irgendwann von den Aktien, werden die bis dahin nicht besteuerten Dividenden auf den Verkaufspreis addiert und der dadurch erhöhte Gesamtgewinn unterliegt komplett der Steuer. Beispiel: Ein Aktionär erwirbt eine Aktie für 100 Euro, erhält drei Jahre lang eine steuerfreie Dividende von jeweils drei Euro und verkauft das Papier danach für 130 Euro. Besteuert wird nun nicht der reine Kursgewinn von 30 Euro, sondern – inklusive der zuvor steuerfrei kassierten Dividenden – der Betrag von 39 Euro.
Die Steuerlast ist damit genauso hoch, als wenn die jährliche Dividende gleich besteuert worden wäre. Das können Anleger verhindern, indem sie Aktien mit steuerfreier Dividende ewig halten. Das kann zum Problem werden, wenn der Kurs des Papiers fällt oder die Dividende gekappt wird, so dass die Ausschüttung unattraktiv wird. Beides ist möglich. Die Deutsche Telekom hat jüngst bekannt gegeben, ihre Dividende von 0,70 Euro pro Aktie in diesem Jahr auf 0,60 Euro in 2020 zu senken. Das Papier verlor am Tag der Ankündigung in der Spitze 3,5 Prozent.
Richard Haimann ist freier Wirtschaftsjournalist in Hamburg. Er schreibt über Finanzthemen für in- und ausländische Publikationen.