Telemedizin kann sich noch nicht voll entfalten

BERLIN (hom). Rein technisch gesehen ist in der Telemedizin heute vieles möglich. Der praktischen Umsetzung der Anwendungen stehen in Deutschland jedoch eine Vielzahl rechtlicher Hürden im Weg. Darauf weist ein neues Rechtsgutachten im Auftrag des Vereins "Initiative Gesundheitswirtschaft" (IGW) hin.

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"Rechtliche Einschränkungen, insbesondere des Berufs- und Standesrechts sowie des Datenschutzes, lassen den Einsatz telemedizinischer Anwendungen nur schleppend vorankommen", erklärte der Hamburger Rechtsanwalt Peer-Ulrich Voigt bei der Vorstellung der Studie. Große Probleme bereite regelmäßig das Verbot der so genannten "ausschließlichen Fernbehandlung" gemäß Paragraf 7 Absatz 3 der Muster-Berufsordnung für deutsche Ärztinnen und Ärzte (MBO-Ä).

Danach darf die ärztliche Betreuung eines Patienten nicht ausschließlich virtuell oder aber in Form einer Fernbehandlung erfolgen. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass sich der Arzt von den Leiden des Patienten ein eigenes Bild macht, bevor er diesen behandelt. Außerdem soll der persönliche Kontakt das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient befördern.

Das Fernbehandlungs-Verbot gehe an der medizinischen Realität völlig vorbei, kritisierte Professor Jörg Debatin, Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) und Mitglied in der IGW. "Kein Laborarzt und kein Pathologe kennt beispielsweise seinen Patienten persönlich - trotzdem sind beide tätig."

Berufsrecht, Datenschutz und ärztliche Schweigepflicht müssten deshalb möglichst rasch dem technischen Fortschritt und den realen Gegebenheiten des Medizinalltags angepasst werden. "Nur dann kommt es zu einer erfolgreichen Verbreitung telemedizinischer Lösungen, und nur dann können wir die Möglichkeiten der Technik voll ausschöpfen", betonte Debatin. In den USA und auch in Skandinavien sei man bei der Umsetzung der Telemedizin wesentlich weiter als in Deutschland. Profitieren würden von der Technik sowohl Ärzte wie auch Patienten, betonte der Klinikarzt.

Der Vorsitzende der IGW, der Hamburger Gesundheitsunternehmer Professor Heinz Lohmann, erklärte, die Telemedizin bringe gerade für Patienten, "die außerhalb großer Ballungszentren und fernab medizinischer Kompetenzzentren" behandelt werden müssten, eine Reihe von Vorteilen mit sich. "Lange Anfahrtswege, etwa zur nächsten Radiologie, entfallen, weil aus der Ferne befundet wird." Für die Krankenkassen wiederum bedeute der Einsatz telemedizinischer Anwendungen Einsparpotenziale "in Milliardenhöhe".

www.initiative-gesundheitswirtschaft.de

Medizinische Befunde aus der Ferne

Unter dem Begriff Telemedizin wird die Anwendung moderner Kommunikations- und Informationstechnologien im Gesundheitswesen zwischen Teilnehmern verstanden, die sich an verschiedenen Orten befinden. Zentrales Feld der Telemedizin ist das Telemonitoring. Darunter wird die gerätegestützte, fortlaufende Überwachung von Vitalfunktionen - etwa die eines chronisch kranken Patienten - verstanden. (hom)

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