Nach Fusion
Uniklinik Marburg hadert mit der Privatisierung
Rund zehn Jahre nach der Fusion mit der Uniklinik Gießen und der zugehörigen Privatisierung wird in Marburg die ungleiche Entwicklung der Kliniken beklagt. Das ehemals vor der der Schließung stehende Gießener Klinikum hat Marburg in mehreren Bereichen überholt.
Veröffentlicht:MARBURG/GIESSEN. Zehn Jahre nach der Fusion und der Privatisierung der mittelhessischen Universitätskliniken fühlt sich Marburg mit seinem Großkrankenhaus im Vergleich zur Nachbarstadt Gießen zunehmend abgehängt.
Dass sich die beiden Standorte unterschiedlich entwickeln, erklärt der kaufmännische Geschäftsführer der Uni-Klinik, Gunther Weiß, mit der Ausgangslage: "Die Gießener haben mit der Privatisierung ihren Standort gesichert", so Weiß: "In Marburg ist die Privatisierung wie ein Unwetter über die Stadt gekommen."
Und dieses Gefühl herrsche bis heute vor. Bereits die Fusion der Klinik-Standorte Gießen und Marburg bezeichnete Weiß als "Sündenfall". Damit sei eigentlich etwas "Unlösbares" geschaffen worden, weil es zwar ein gemeinsames Klinikum, aber auch zwei Fachbereiche und zwei Universitäten mit oft unterschiedlichen Interessen gebe.
Investiert wurde vor allem in Gießen
Tatsächlich steckte die defizitäre Universitätsklinik Gießen vor zehn Jahren in derart großen Existenznöten, dass die Schließung drohte. Da sich das Gießener Großkrankenhaus allein nicht verkaufen ließ, trieb die konservative Landesregierung die Fusion mit Marburg voran. Dort wurden nämlich schwarze Zahlen geschrieben.
Seitdem gab es vor allem in Marburg Proteste von Beschäftigten, Gewerkschaftern, Ärzten und Patienten. Und inzwischen beklagen Kommunalpolitiker auch die ungleiche Entwicklung der beiden Standorte.
Der Rhön-Konzern, der das fusionierte Klinikum im Januar 2006 für 112 Millionen Euro kaufte, investierte nämlich vor allem in Gießen, wo mit mehr als 100, zum Teil sehr alten Klinik- und Institutsgebäuden ein großer Investitionsstau herrschte. 2011 wurde dort ein neues zentrales Klinikgebäude eröffnet.
Zuwachs bei den Fallzahlen
Die Investitionen haben spürbare Auswirkungen. So stieg die Zahl der stationären Fälle seit der Privatisierung in Gießen um 18 Prozent, in Marburg um 14 Prozent.
Die Drittmittel kletterten in Gießen von 16,9 Millionen (2006) auf 30,1 Millionen Euro (2012) und damit stärker als in Marburg (von 16,9 Millionen auf 25,5 Millionen in 2013).
"Der Forschungs- und Lehrstandort Gießen prosperiert", so Weiß. Dagegen gibt es in Marburg mehr Überlastungsanzeigen von den Beschäftigten.
Immerhin wird das bereits 2011 fertig gestellte und vom Abbau bedrohte Partikeltherapiezentrum auf den Lahnbergen nun doch in Betrieb gehen. Mehrheitsgesellschafter mit 75,1 Prozent wurde die Uni-Klinik Heidelberg, die ebenfalls ein Partikeltherapiezentrum betreibt.
Marburgs Oberbürgermeister Egon Vaupel hat jedoch kein Verständnis dafür, dass die geplanten dualen Studiengänge zur akademischen Qualifizierung von Gesundheitsberufen der Technischen Hochschule Mittelhessen trotz des großen Marburger Engagements in Gießen eingerichtet werden. Er fordert mehr Einsatz für den Standort Marburg.
Auch das finanzielle Ergebnis hat sich gedreht. In Gießen gibt es nun mehr Einnahmen als in Marburg. Für beide Standorte zusammen machte das mittelhessische Uni-Klinikum nach Angaben von Weiß bis 2011 ein Plus von bis zu 15,2 Millionen Euro.
Danach gab es einen Einbruch. Für 2015 stellt sich das Universitätskrankenhaus auf ein ausgeglichenes Ergebnis ein. Im Gegensatz zu anderen Uni-Kliniken seien Marburg und Gießen jedoch durch Abschreibungen und Zinsen aus den Investitionen belastet.
Nach Angaben von Weiß stieg die Zahl der Mitarbeiter im Ärztlichen Dienst und beim Pflegepersonal seit der Privatisierung um mehr als 400 Vollzeitstellen. Danach hat sich auch die Relation zwischen Pflegekräften und belegten Betten verbessert.
Diese Zahlen werden jedoch vom Aktionsbündnis "Gemeinsam für unser Klinikum" bezweifelt.
Im Vergleich mit den anderen Universitätskliniken in Deutschland liegt das privatisierte mittelhessische Uni-Klinikum nach der Darstellung von Weiß bei Liegezeit und Arbeitsbelastung sowie bei Betten- und Patientenzahlen im Durchschnitt. Es gebe auch keinen erhöhten Krankenstand und keine erhöhte Fluktuation.