Zytostatika-Herstellung
Warum Apotheker und Ärzte wieder im Fokus von Ermittlungen stehen
Der Vorwurf, dass Apotheker bei der Zytostatika-Herstellung ihre marktbeherrschende Stellung ausbauen, indem sie enger mit Ärzten kooperieren als erlaubt, ist nicht neu. In Hamburg ist nun ein besonderes Konstrukt ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten.
Veröffentlicht:Die Großrazzia der Hamburger Polizei bei Ärzten, Apothekern und Pharma-Herstellern in Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein zieht Kreise. Unter anderem wurden die Geschäftsräume des Hamburger Zytostatika-Herstellers ZytoService Deutschland GmbH durchsucht. Der Verdacht: Die Firma soll Onkologen finanzielle Vorteile verschafft haben. Als Gegenleistung hätten diese ihre Onkologika-Infusionen von Apotheken aus dem Umfeld von ZytoService Deutschland GmbH herstellen lassen.
Neben den Firmenräumen haben laut Hamburger Staatsanwaltschaft 420 Polizisten auch die Praxen und Geschäftsräume von zusammen 47 Objekten in Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen durchsucht. Die Ermittlungen richteten sich gegen zusammen 14 Beschuldigte, darunter neun Ärzte, drei Apotheker und zwei Geschäftsführer von Pharmafirmen, hieß es.
- Was ist bislang bekannt? Der Handel soll nach Informationen der „Ärzte Zeitung“ so funktioniert haben: Die Hamburger Antares Apotheken OHG soll zum einen Onkologen finanzielle Vorteile verschafft haben, um sie dazu zu bewegen, Zytostatika-Rezepte ihrer Patienten alleinig bei Apotheken der OHG einzulösen. Über die ZytoService GmbH lässt die Apotheken OHG dann die rezeptierten Infusionslösungen herstellen. Darüber hinaus soll Antares „über Strohmannfirmen“, so die Staatsanwaltschaft, die Hamburger SKH Stadtteilklinik Mümmelmannsberg mit 15 Betten gekauft haben und damit auch die 13 MVZ, die zum Krankenhaus gehören.
Eine Sprecherin der Hamburger Staatsanwaltschaft spricht daher von „zwei Tatvarianten“. „Wir ermitteln auch, weil Apotheken keine MVZ betreiben dürfen“, so die Sprecherin. Mit dieser Regelung aus dem Jahr 2012 wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass die Eigentümer der Praxen am Patientenwohl und an der Gesundheit der Bevölkerung interessiert sind, nicht nur an wirtschaftlichen Interessen. Das Komplizierte an der Sache: Krankenhäuser dürfen anders als Apotheken oder Herstellbetriebe wie ZytoService MVZ gründen oder kaufen. Nur wer letztlich hinter einem Krankenhaus mit MVZ als Investor steht – etwa eine Apotheke – das wird nicht geprüft. Ein weiterer Vorwurf der Staatsanwaltschaft, der damit zusammenhängt: Die Apotheken hätten durch diese MVZ-Konstruktion Einfluss auf das Verordnungsverhalten der Ärzte Einfluss nehmen können.
Offiziell gehört das SKH Krankenhaus der Hamburger Alanta Health-Group, ebenso wie jener Zytostatika-Hersteller ZytoService Deutschland. Alle drei, die Klinik, ZytoService und über die Stadtteilklinik und damit auch die MVZ, führen ihre Gewinne an die Alanta Health-Group ab.
Äußerlich sind die Apotheken und Alanta nicht verbunden. Aber zwei der drei Geschäftsführer der Alanta Health-Group sind identisch mit den Geschäftsführern der Antares Apotheken OHG. Die mögliche Folge der Konstruktion: Die Ärzte, die in den 13 MVZ arbeiten, könnten nicht mehr frei und ohne wirtschaftliche Erwägungen verordnen.
Am Mittwochnachmittag war von der Antares Apotheken OHG sowie von ZytoService keine Stellungnahme zu den Beschuldigungen zu bekommen.
- Ist Patienten Schaden entstanden? Die gesetzliche Krankenkasse DAK Gesundheit fürchtet ebenfalls, dass die Unabhängigkeit der Ärzte in den besagten MVZ gefährdet sein könnte. Darüber hinaus sei es möglich, so Jörg Bodanowitz, Sprecher der Krankenkasse, „dass die Ärzte in den MVZ nicht erprobte Therapien gewählt haben könnten oder teurer als nötig verschrieben haben könnten“. Die DAK hat für ihre Versicherten daher eine Hotline eingerichtet, um aufzuklären .
Inwieweit diese Verdächtigungen zutreffen, ist indessen völlig offen. Klar ist aber, dass Patienten nicht durch gepanschte Medikamente zu Schaden gekommen sind. Der Fall liegt hier offenbar anders als bei der Bottroper Apotheke, in der Zytostatika gestreckt worden sind.
Die Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelt nun vorrangig wegen des Verdachts auf Betrug und Bestechung, so die Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Sie geht von mehr als acht Millionen Euro Schadensumme für die Kassen aus. Der Schaden sei entstanden, weil „Mitbewerber von der Abrechnung der Zytostatika ausgeschlossen worden“ seien und die Kassen kein Geld für illegale Geschäfte zahlen wollen – was allerdings nicht heißt, dass die beteiligten Apotheken falsch bzw. betrügerisch abgerechnet haben, sondern der Weg, wie sie an die Rezepte kamen, war womöglich nicht rechtens – etwa durch Umgehung der freien Arztwahl und/oder Kickback-Zahlungen an die verschreibenden Ärzte. (Mitarbeit: Ruth Ney)
Wie Apotheker an der Zytostatika-Herstellung verdienen
- Die Hilfstaxe bildet im Prinzip den Einkaufspreis der Wirkstoffe ab und mit welchen Abschlägen auf den Einkaufspreis Leerbeutel und andere Primäpackmittel zu bepreisen sind. Allerdings können Apotheker ihre tatsächlichen Einkaufspreise bei Wirkstoffen und Packmitteln mit den Herstellern frei verhandeln.
- Neben der Herstellungskomponente gibt es noch eine zweite, die das Honorar bestimmt: die Dienstleistungspauschale. Diese liegt zwischen 39 und 81 Euro, je nachdem wie aufwendig die Anfertigung ist.
- In der zuletzt per Schiedsstellenbeschluss im vergangenen Jahr neu gefassten Hilfstaxe wurden diese Abschläge von im Schnitt 30 auf 50 Prozent angehoben. Der Abrechnungspreis für den Wirkstoff ist zum Beispiel bei nicht patentgeschützten Wirkstoffen im Grundsatz der zweitgünstigste Apothekeneinkaufspreis – abzüglich eines Abschlags von 50 Prozent. Zuvor waren es 30 Prozent. Es gibt einige Ausnahmen, die noch höhere Abschläge vorsehen (knapp 84 % bei Doxirubicin etwa)
- Im Vergleich zu den generischen Produkten fallen die Abschläge für patentgeschützte Wirkstoffe sowie biotechnologisch hergestellte Wirkstoffe viel geringer aus.
- In einem ersten Entwurf zum Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) war vorgesehen, dass Zytostatika herstellende Apotheken nicht mehr über Preise verhandeln dürfen. Vielmehr sollten die Apotheker bei der Abrechnung mit den Kassen nur noch den tatsächlichen Einkaufspreis erhalten. Preisverhandlungen sollten Kassen und Herstellern vorbehalten sein. Im Gegenzug sollte der Arbeitspreis der Apotheker als Fixhonorar in einer Höhe von 110 Euro gezahlt werden. Dieser Passus hat am Ende nicht den Weg ins Gesetz gefunden. (run)