AOK-Chef zu Telematikinfrastruktur

gematik neu denken

Zu viele Regularien und zu wenig Handlungsspielraum: AOK-Chef Martin Litsch hält die Entscheidungsstrukturen in der gematik für gescheitert und fordert ein Umdenken in Sachen Telematikinfrastruktur.

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BERLIN. "Irgendjemand steht hier offensichtlich auf der Bremse." Der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands. Martin Litsch, zeigte sich auf dem gevko-Symposium "Digitales Gesundheitswesen 2021" in Berlin sichtlich enttäuscht über den Stand bei der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) und ihrer Datenautobahn, der Telematikinfrastruktur (TI). Es könne nicht sein, "dass wir alle Smartphones mit uns herumtragen und mit Geräten in der Küche kommunizieren, und wir doktern an einer E-Card herum, die heute genauso wenig kann, wie in Zeiten der Magnetstreifenkarte", monierte er.

Die Telematikinfrastruktur bleibt laut dem AOK-Chef auch mit den Fristen aus dem E-Health-Gesetz eine Dauerbaustelle. "An die Fristen glaubt sowieso keiner mehr", so Litsch. Dabei bleibe ausgerechnet das Kernelement der TI, die elektronische Patientenakte, auf der Strecke.

Auch die Prozesse in der Kommunikation der Leistungserbringer im Gesundheitswesen hätten sich nichtwirklich verändert: "Wir arbeiten hier sehr unstrukturiert zusammen", lautet das Fazit des AOK-Chefs.

Eines der Hauptprobleme liegt für ihn innerhalb der Betreibergesellschaft der TI, der gematik, innerhalb derer die einzelnen Vertreter der Selbstverwaltung eben eher eigene Interessen als das gemeinsame Ziel vertreten würden. Während die Ärzte vielleicht die neue Transparenz fürchteten, wollten die Kassen die Versorgung steuern. Litsch: "Ich halte die Entscheidungsstrukturen in der gematik tatsächlich für gescheitert." Er stellte allerdings klar, dass er keine Institution oder Person diskreditieren wolle "Die Handlungsspielräume der gematik sind in der Tat sehr begrenzt." Ihm schwebt daher ein Betreiber in unabhängiger Trägerschaft ähnlich der Bundesnetzagentur vor.

Litsch sieht aber auch den Gesetzgeber in der Pflicht. Denn das E-Health-Gesetz ist seiner Meinung nach zu eng und zu operational gefasst. Das Gesundheitswesen benötige keine zentral vorgedachten Anwendungen, sondern Rahmenbedingungen für bestimmte Nutzergruppen. Produktentscheidungen dürften nicht alleine von der Selbstverwaltung oder staatlichen Stellen getroffen werden, forderte er. Das könne der Markt besser regeln: "Es sind technische Modelle entstanden, die viel weiter sind als die Telematikinfrastruktur." Er appellierte zudem an alle Beteiligten, nicht die Interessen und Ansprüche der Versicherten aus dem Blick zu verlieren. Der Versicherte wolle am Ende schnelle und unkomplizierte Daten und Anwendungen. Litsch: "Das müssen wir berücksichtigen."

Litsch verteidigte den Vorstoß vieler Kassen, eigene E-Patientenakten zu entwickeln. "Es ist nicht unser Ziel neue Datenberge zu schaffen. Die Daten sind da, wir müssen sie nur gut aufbereiten – für den Versicherten, nicht für Ärzte und nicht für die Kassen", sagte er. Geldverschwendung sind die E-Akten-Modelle aus seiner Sicht nicht. Er sieht sie eher als Möglichkeit – durch die Vernetzung der Akteure –, mehr Zug in die Digitalisierung zu bekommen. Dass Gesundheitsakten die Adhärenz steigern, belegen laut Dr. Alexander Schachinger, Geschäftsführer der EPatient RSD GmbH, bereits einige Studien. Sie zeigten aber auch, warum solche Akten scheitern. "Das sollten wir uns ebenfalls genau ansehen." Gerade bei multimorbiden Patienten sei die Adaption oft die größte Hürde. (reh)

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