Arztbewertungen

jameda muss Arztprofil löschen – Das ist die Urteilsbegründung

Urteil des Bundesgerichtshofs zum Arzt-Bewertungsportal jameda: Am Dienstag entschieden die Karsruher Richter zugunsten einer klagenden Ärztin. Ihr Profil muss gelöscht werden – die Richter schränken ihr Urteil allerdings ein.

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Auf Bewertungsportalen wie Jameda bewerten Patienten Ärzte. Der BGH urteilte jetzt darüber, ob eine Ärztin die Löschung ihres jameda-Profils verlangen kann.

Auf Bewertungsportalen wie Jameda bewerten Patienten Ärzte. Der BGH urteilte jetzt darüber, ob eine Ärztin die Löschung ihres jameda-Profils verlangen kann.

© fotogestoeber / Fotolia

KARLSRUHE. Der Bundesgerichtshof hat entschieden: Eine klagende Ärztin darf in einem Fall die Löschung ihres Profils erzwingen. Die Hautärztin aus Köln hatte verlangt, dass das Bewertungsportal ihr Profil kompett löscht, was dieses verweigerte.

Der Bundesgerichtshof störte sich in der Urteilsbegründung insbesondere an der Unterscheidung zwischen zahlenden und nicht-zahlenden Arztpraxen auf jameda. Auf dem Profil dieser Premiumkunden sahen User bisher keine Liste mit Konkurrenz-Praxen in der näheren Umgebung – im Gegensatz zu den nicht-zahlenden Praxen, in deren Profilen diese Anzeige ausgespielt wurde.

Während bei nicht-zahlenden Kunden lediglich Basisdaten und Patientenbewertungen angezeigt werden, erhalte der Internetnutzer auf den Profilen zahlender Praxen weiterhin mehr Informationen.

jameda kein "neutraler" Mittler?

Insbesondere durch die unterschiedliche Listenausspielung sei jameda nicht mehr ein rein "neutraler" Informationsmittler und könne sich nicht voll auf das Grundrecht der Meinungs- und Medienfreiheit stützen (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 10 EMRK). Das Recht der klagenden Ärztin auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten überwiege deshalb in diesem Fall (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG).

Der BGH verwies gleichzeitig darauf, dass eine Speicherung der personenbezogenen Daten mit Bewertung der Ärzte durch Bewertungsportale zulässig sei (VI ZR 358/13 (BGHZ 202, 242)). Jameda bezog sich in einer Reaktion auf das Urteil auch mit Wohlwollen auf diese Tatsache.

Gleichzeitig sagte das Bewertungsportal, dass Ärzte "sich nach wie vor nicht aus jameda löschen lassen“ können, so jameda-Geschäftsführer Dr. Florian Weiß in einer Mitteilung. Aufgrund des Urteils habe man aber die vom BGH monierten Anzeigen auf allen Profilen entfernt. (ajo)

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Kommentare
Peter Gorenflos 10.06.201814:24 Uhr

Sollen drei Alibis unlauteren Wettbewerb vertuschen?

Nun gibt es also drei Jameda-Kunden, die wegen schlechter Bewertungen gegen Jameda geklagt haben und zumindest teilweise verloren haben. Man fragt sich, weshalb sie zahlende Kunden einer Firma sind, die ihre Interessen so gravierend verletzt, dass sie prozessieren. Sie könnten den Vertrag doch fristgerecht kündigen. Liegt hier ein abgekartetes Spiel vor, ein Täuschungsmanöver?
Tatsache ist, dass die Statistik zählt und nicht drei Einzelfälle, die bestenfalls als Alibi dienen. Allein die zwangsrekrutierte Dermatologin aus Köln, Astrid Eichhorn, hatte wegen siebzehn (!!!) Bewertungen juristische Auseinandersetzungen mit Jameda und sie ist nur eine von vermutlich einigen hunderten von prozessierenden Kollegen (oder sogar noch mehr? Man müsste das statistisch genau untersuchen!), die bei Jameda zwangsrekrutiert sind, also ohne Einwilligung und vermutlich unter Verletzung der DSGVO beim Portal aufgeführt werden.
Statistik ist das Stichwort und deren Ergebnisse lassen sich mit drei Einzelfällen, drei Alibis, nicht aufheben. Prüfen Sie das bitte selbst. Innerhalb der Web-Page Jamedas kann man beliebige Arztgruppen in beliebigen Städten nach den offensichtlich manipulierten Bewertungs-Durchschnitten 4, 5 und 6 sortieren. Nur mit sehr viel Glück finden Sie dann einen Jameda-Kunden, leicht erkennbar am Profil-Foto. Der inakzeptablen Wettbewerbsverzerrung durch Kombinations-Portale Werbung/Bewertung muss endlich – auf der Grundlage des Artikels des ehemaligen BGH-Vorsitzenden Wolfgang Büscher - eine Absage erteilt werden, juristisch, politisch und gesellschaftlich. Andernfalls versinkt das Gesundheitswesen der Bundesrepublik in Korruption.

Peter Gorenflos 02.06.201821:15 Uhr

Konstruiertes Echtheits-Postulat, manipulierte Bewertungs-Durchschnitte und unlauterer Wettbewerb

Nach dem Urteil gegen die Profillöschung bei Jameda 2014 erklärte Wolfgang Büscher, Vorsitzender Richter des Bundesgerichtshofes und zuständig in der Angelegenheit, ausdrücklich, dass der Werbe-Aspekt des Portals unberücksichtigt geblieben war. In einer juristischen Fachzeitschrift, deren Herausgeber er auch ist – GRUR Prax – veröffentlichte er daraufhin einen langen, grundlegenden Artikel zum Thema „Soziale Medien, Bewertungsplattformen & Co“. Er kommt in Kapitel 3 (S. 8 ff) zu dem Ergebnis, dass bei Bewertungsportalen mit Präsentations- und Werbemöglichkeiten – genau das ist Jameda - das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb Anwendung findet. Deshalb dürfen bei Kombinations-Portalen Profile nicht ohne ausdrückliche Genehmigung aufgestellt werden, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung überwiegt die Kommunikations-Freiheit des Portalbetreibers und eine Zwangsrekrutierung kann Schadenersatz-Forderungen nach sich ziehen. Auch die aktuelle DSGVO muss nun berücksichtigt werden. Die Kölner Dermatologin Astrid Eichhorn hatte aber nicht deshalb geklagt. Sie sah völlig zu Recht ihre Persönlichkeitsrechte verletzt, durch das Einblenden von Profilen zahlender Jameda-Kunden in ihrem eigenen Profil. Dass diese zahlende Konkurrenz in der Regel auch die besseren Bewertungsdurchschnitte hatte, blieb bei diesem Urteil unberücksichtigt, denn das war nicht Gegenstand der Auseinandersetzung.
Aber genau darum geht es. Die Wettbewerbsbehörde kann nicht von Einzelpersonen angerufen werden, sehr wohl aber von der Ärzte- und Zahnärztekammer. Die ZEIT-Statistik mit 6.500 Fällen vom 18. Januar, beliebige Stichproben, die Analyse der schlecht bewerteten Ärzte und Zahnärzte innerhalb von Jamedas Web-Page selbst, sprechen eine so klare und deutliche Sprache, dass die Kammern auf der Grundlage von Wolfgang Büschers Artikel Klage bei der Wettbewerbsbehörde einreichen sollten. Das gehört zu ihren originären Aufgaben. Unterlassen sie dies, dann nehmen sie die bereits weit fortgeschrittene Täuschung von Patienten und die Korrumpierung der Kollegenschaft nach dem Motto: „Wer zahlt, gewinnt“ zumindest billigend in Kauf. Solange Jameda sein Werbeportal nicht strikt von einem nicht-kommerziellen Bewertungsportal - mit gleichen Spielregeln für alle Teilnehmer – trennt, kann von Neutralität auf keinen Fall die Rede sein. Die fragwürdige Kombination beider Portaltypen ist das Geschäftsmodell von Jameda, die „manipulative Systemarchitektur“, wie die ZEIT das nennt. Der Wirtschaftsstatistik-Professor Walter Krämer in Dortmund hat gerade eine Master-Arbeit zum Thema ausgelobt. Sie wird die Arbeit von dem ZEIT-Redakteur Tin Fischer weiter vertiefen und wissenschaftlich fundieren. Auf deren Ergebnisse sollten wir aber nicht warten, denn es besteht Gefahr in Verzug.
Auch Jamedas Echtheits-Postulat der Bewertungen ist konstruiert. Wie „gefaket“ diese Bewertungen sind, beweist eine WDR Sendung vom 8.11.2017 und eine RBB Sendung vom 7.5. diesen Jahres. Beliebige Passanten einer Einkaufsstraße in Köln und Berlin haben Ärzte bewertet, die sie gar nicht kannten, und diese Bewertungen sind im Profil der Ärzte tatsächlich veröffentlicht worden. Wenn das Echtheits-Postulat ernst gemeint wäre, dann würde man bei jeder Bewertung einen Behandlungs-Nachweis verlangen. Das ist ganz einfach: man legt der Bewertung ein Smartphone-Foto von einem Rezept, einer Krankschreibung oder einer Überweisung bei und bei Nachfrage des betroffenen Arztes/Zahnarztes leitet man es anonymisiert an diesen weiter. Bewertungsfabriken sind nur die Spitze des Eisberges und wenn Jameda gegen diese vorgeht, macht man sich nur vom Bock zum Gärtner. Denn der ZEIT-Artikel legt nicht nur nahe, dass Bewertungsdurchschnitte manipuliert werden sondern auch, dass zahlende Kunden selbst für zahlreiche Positiv-Bewertungen sorgen. Es bleibt dabei: Bewertungsportale und Werbeportale müssen getrennt werden, andernfall

Dr. Karlheinz Bayer 20.02.201816:09 Uhr

wenn Jameda das Arztprofil der Klägerin löschen muß ...


... wie sieht es dann aus für jeden x-beliebigen Arzt, z.B. mich, dem es einfach stinkt, bei Jameda (oder auch bei der AOK!) aufgeführt zu werden?
Ich würde gern auch meine Einträge gelöscht bekommen, unabhängig, wie ich dort beurteilt werde.
Ich würde ja auch nicht auf die Idee kommen, besonders auffällige Patienten im Internet zu beurteilen - mit dem hehren Ziel, Kolleginnen und Kollegen zu warnen. Ich dürfte es auch nicht. Hier macht das Arztgeheimnis zu Recht einen Strich.
Ich halte weder etwas davon, daß Patienten schlechte Noten austeilen, noch - und genauso wenig - wenn es Lobeshymnen sind. Wer das braucht, sollte sich überlegen, warum.
Kann die Ärztezeitung hierüber eine Art Gebrauchsanleitungsartikel zum Ausstieg aus unseriösen Bewertungsplattformen?

Christoph Polanski 20.02.201815:40 Uhr

BGH-Urteil wird von Jameda belächelt

Jetzt müssten alle Ärzte zusammenhalten und versuchen die Profile auf Jameda zu löschen.
Es kann doch nicht sein, dass BGH-Urteil von der Jameda ignoriert wird und jeder muss individuell klagen.

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