Brustkrebs
Das Geschäft mit der Angst blüht
Eine individualisierte Therapie wird auch bei Patientinnen mit einem Mammakarzinom angestrebt. Viele Tests zur Steuerung der Therapie werden angeboten. Welche Tests braucht man nicht? – Thema beim Krebskongress in Berlin.
Veröffentlicht:BERLIN. Über das Internet werden Tests für Brustkrebspatientinnen bekannt gemacht, die eine hohe Sicherheit für Prognose oder Therapie suggerieren. Nicht alles, was plausibel klingt, ist aber auch sinnvoll und gesichert.
Das wird besonders dann problematisch, wenn Patienten aufgrund der selbst bezahlten Testergebnisse die vom Tumorboard ausgesprochene Therapieempfehlung verweigern, berichtete Privatdozent Dr. Marc Thill vom Brustzentrum der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe des Markus Krankenhauses in Frankfurt. So stufte er die Chemoresistenztestung immer noch als experimentell ein. Auch Ärzten wird im Internet versprochen, so zu 100 Prozent Resistenzen erkennen zu können und damit die Sicherheit bei der Therapiewahl zu verbessern.
Relativ wenig klinische Studien zur Chemosensitivitätstestung
Für den ATP-Tumorchemosensitivitätsassay (ATP-TCA) zeigte eine Studie allerdings nur einen geringen, statistisch nicht signifikanten Vorteil auf das progressionsfreie Überleben und keinen Effekt auf das Gesamtüberleben, wenn nach den Testergebnissen behandelt wurde. Ansonsten gebe es zur Chemosensitivitätstestung relativ wenig klinische Studien, die zudem nur geringe Patientenzahlen aufweisen, betonte Thill beim Krebskongress in Berlin.
Das hindert allerdings auch Kliniken nicht daran, solche Tests schon anzuwenden. Und weil das Konzept, vor der Therapie Tumorzellen auf eine Resistenz gegen bestimmte Zytostatika zu testen und so unnütze Therapien auszuschließen, plausibel klinge, ließen Patienten, die es sich leisten können, den ATO-TCA-Test für 1500 Euro oder einen anderen Chemosensitivitätstest (CTR) für 1,748 Euro auf eigene Kosten machen, berichtete Thill.
Die US-amerikanische Krebsgesellschaft ASCO gesteht der Methode derzeit nur ein Potenzial für die Zukunft zu, die Anwendung sollte zunächst auf Studien beschränkt werden, um die Datenlage zu verbessern.
Auf zirkulierende Tumorzellen testen?
Finden sich vor Therapie zirkulierende Tumorzellen im Blut von Brustkrebspatientinnen, ist das ein prognostisch schlechtes Zeichen. Aber die Prognose lässt sich schon bisher gut auch anhand anderer Parameter bestimmen.
Der Nachweis, dass die zirkulierenden Tumorzellen auch bei der Therapieentscheidung helfen, steht noch aus, berichtete Thill. In einer Studie beim metastasierten Mammakarzinom führte der Wechsel der Chemotherapie aufgrund der noch im Blut zirkulierenden Tumorzellen nicht zu einem besseren Gesamtüberleben als das Beibehalten der bisherigen Therapie.
Die DETECT-Studien untersuchen derzeit in Deutschland einen möglichen prädiktiven Wert des Tests CellSearch beim metastasierten Brustkrebs. Patientinnen mit Nachweis zirkulierender Tumorzellen in der "flüssigen Biopsie" erhalten je nach ihren Tumormerkmalen stratifiziert eine Standard- oder eine intensivierte Therapie. Ob das von Vorteil ist, muss sich erst zeigen. Die Kommission Mamma der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) rät aktuell ausdrücklich von einer Therapieentscheidung auf Basis der CTC-Phänotypen ab. Auch hier sind kommerzielle Anbieter allerdings deutlich forscher und suggerieren, mit dem Test ließe sich mehr Sicherheit für die Therapiewahl erreichen.
Tamoxifen-Test ja oder nein?
Die Wirksamkeit einer Tamoxifen-Therapie soll ein Test abschätzen können, der die Funktionalität des Leberenzyms Cytochrom P450 2D6 überprüft. Tamoxifen ist ein Prodrug und wird durch CYP 2D6 zu der eigentlich wirksamen Substanz Endoxifen verstoffwechselt. Etwa 7 bis 8 Prozent der europäischen Bevölkerung verfügen allerdings über kein funktionsfähiges CYP 2D6 und 15 bis 43 Prozent nur über eine geringe CYP 2D6-Aktivität. Es klingt plausibel, dass diese Patienten weniger von der endokrinen Therapie mit Tamoxifen profitieren, als die "extensive Metabolizer". Ein entsprechender Test kostet knapp 400 Euro und wird Patientinnen per Internet auch direkt angeboten.
Beurteilung der Studienergebnisse ist schwierig
Die Studienlage ist allerdings nicht eindeutig. Neben Studien, die eine Assoziation von Tamoxifen-Verstoffwechselung und Therapieergebnis bei Brustkrebs nahelegen, gibt es auch solche, die gar keine Assoziation von CYP 2D6-Typ und Ansprechen oder Überleben fanden. Zudem scheint es im Therapieverlauf zu einem Verlust von genetischer Information zu kommen – auch am Chromosomenbereich 22p13.1 mit dem CYP 2D6-Gen, sodass Polymorphismen verschwinden können. Zudem haben die meisten Studien die Tamoxifeneinnahme nicht ausreichend kontrolliert. Die Beurteilung der Studienergebnisse ist also schwierig.
Die vom Bundesforschungsministerium geförderte Studie Tamendox soll nun prüfen, ob eine individuell angepasste Tamoxifentherapie mit Supplementierung von Endoxifen bei unzureichender Tamoxifenmetabolisierung die endokrine Therapie bei Brustkrebs verbessern kann. Aktuell wird eine CYP D26-Testung weder von ASCO noch AGO empfohlen.