Neuer Therapieansatz im Fokus
Per Asthmaspray das Parkinsonrisiko mindern
Bestimmte Asthma-Medikamente reduzieren möglicherweise das Risiko, an Parkinson zu erkranken. Zu diesem überraschenden Ergebnis kommt eine vor wenigen Tagen in "Science" veröffentlichte Studie.
Veröffentlicht:WÜRZBURG. Beta2-Adrenozeptor-Agonisten wie Salbutamol reduzieren offenbar die Transkription des Gens für Alpha-Synuklein. Ablagerungen von pathologischem Alpha-Synuklein werden vielfach als ursächlich für die Parkinson-Krankheit betrachtet.
"Diese Entdeckung wirft ein neues Licht auf die Pathogenese der Parkinson-Krankheit und sollte unbedingt in klinischen Studien auf ihre Praxisrelevanz überprüft werden", äußert sich Professor Jens Volkmann vom Uniklinikum Würzburg und Zweiter Vorsitzender der Deutschen Parkinson-Gesellschaft in einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Die Ergebnisse und Konsequenzen der Studie für die zukünftige Therapie von Parkinson-Patienten sind auch Thema des derzeit laufenden DGN-Kongresses.
Die vor Kurzem in der Fachzeitschrift "Science" publizierte Studie (DOI: 10.1126/science.aaf3934) sollte klären, ob es möglich ist, schon auf der Ebene des Alpha-Synuklein-Gens (SNCA) in die Produktion des krankheitsauslösenden Proteins einzugreifen. Dafür kombinierten die Autoren pharmakologische und molekularbiologische Untersuchungen mit einer großen epidemiologischen Studie.
Reduzierte Transkription von SNCA
Ein Forscherteam um Studienleiter Clemens Scherzer von der Harvard Medical School in Boston/USA screente zunächst in Kulturen menschlicher Nervenzellen 1126 Testsubstanzen – neben Naturprodukten, Vitaminen und Nahrungsergänzungsmitteln auch gängige Medikamente. Es zeigte sich, dass Agonisten des ß2-Adrenozeptors, dazu zählt zum Beispiel Salbutamol, die Transkription von SNCA signifikant erniedrigen, während der entgegengesetzt wirkende Betablocker Propranolol sie signifikant erhöht.
Zudem fanden die Wissenschaftler bei Mäusen unter ß2-Agonisten eine signifikante Reduktion der Alpha-Synuklein-Bildung in der Substantia nigra, was auf eine funktionelle Relevanz für die Parkinson-Krankheit schließen lässt, wie die DGN berichtet.
33 Prozent niedrigeres Erkrankungsrisiko
Ob sich ihre Beobachtung von Zellkulturen und Mäusen auch auf Menschen übertragen lässt, überprüften die Forscher dann im dritten Schritt. Anhand einer Datenbank, in der die Verschreibungen sämtlicher Arzneimittel an alle Einwohner Norwegens erfasst sind, suchten sie nach einem möglichen Zusammenhang.
Sie fanden etwa 300.000 Patienten, die das Asthma-Medikament Salbutamol eingenommen hatten. Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung war ihr Risiko, an Parkinson zu erkranken, in den nachfolgenden elf Jahren um 33 Prozent verringert. Mehr als 9000 Menschen hatten Propranolol erhalten, und in dieser Gruppe war das Risiko, Parkinson zu entwickeln, mehr als verdoppelt.
"Die Studie ist hochinteressant, da sie einen neuen krankheitsmodifizierenden medikamentösen Behandlungsansatz der Parkinson-Krankheit vorstellt, der früher in den Krankheitsprozess eingreift als alle bisher verfügbaren Therapien und theoretisch mit weitverbreiteten und recht gut verträglichen Arzneimitteln möglich wäre", kommentiert Professor Volkmann weiter in der DGN-Mitteilung. Zugleich warnt er vor verfrühter Euphorie: "Bevor man diese Arzneien Parkinson-Patienten empfiehlt, muss der Nutzen in großen prospektiven Studien bewiesen werden." (run)