Turbo-Spahn

Drei Gesetze auf einen Streich

Am Dienstag noch als neuer Verteidigungsminister gehandelt, läuft Gesundheitsminister Jens Spahn einen Tag später schon wieder zur Höchstform auf: Dem Kabinett präsentierte er am Mittwoch gleich drei ambitionierte Reformpläne. Die wurden abgenickt. Doch nach der Sommerpause berät der Bundestag darüber. Und dort dürfte es turbulenter zugehen.

Von Thomas Hommel Veröffentlicht:
Stellte sich nach der Kabinettssitzung in seinem Ministerium den Fragen der Presse: Jens Spahn. Pedersen/dpa

Stellte sich nach der Kabinettssitzung in seinem Ministerium den Fragen der Presse: Jens Spahn. Pedersen/dpa

© Britta Pedersen / dpa-Zentralbil

Berlin. Das Bundeskabinett hat am Mittwoch drei Gesundheitsgesetze auf den Weg gebracht: das Masernschutzgesetz, das Vor-Ort-Apothekengesetz und das MDK-Reformgesetz. Wir erläutern Details:

Impfpflicht mit deftigen Strafen

  • Vor der Aufnahme in eine Kindertagesstätte, Schule oder andere Gemeinschaftseinrichtung müssen Kinder nachweisen, dass sie die von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Impfungen gegen Masern erhalten haben.
  • Personen, die in den genannten Einrichtungen arbeiten wollen, haben ebenfalls eine vollständige Masern-Schutzimpfung nachzuweisen. Dies gilt auch für alle, die bei medizinischen Einrichtungen anheuern möchten. In Asylbewerber- und Flüchtlingsunterkünften müssen Bewohner wie Beschäftigte die Impfungen nachweisen.
  • Gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission sind Menschen mit medizinischen Kontraindikationen und Personen, die vor 1970 geboren sind, von der Impfpflicht ausgenommen. Das gilt auch für Menschen, die die Krankheit bereits durchlitten haben.
  • Der Nachweis kann durch den Impfausweis, das gelbe Kinderuntersuchungsheft oder – insbesondere bei bereits erlittener Krankheit – in Form eines ärztlichen Attests erbracht werden.
  • Kinder, die schon in einer Gemeinschaftseinrichtung betreut werden, und Personen, die dort bereits tätig sind, müssen den Nachweis bis spätestens Ende Juli 2021 erbringen.
  • Nicht geimpfte Kinder können vom Besuch der Kindertagesstätte ausgeschlossen werden. Nicht geimpftes Personal darf in Gemeinschafts- oder Gesundheitseinrichtungen keine Tätigkeiten aufnehmen.
  • Eltern, die ihre in Gemeinschaftseinrichtungen betreuten Kinder nicht impfen lassen, müssen mit Bußgeldern von bis zu 2500 Euro rechnen. Das Bußgeld kann auch gegen Kitas verhängt werden, die nicht geimpfte Kinder zulassen. Gleiches gilt für nicht geimpftes Personal in Gemeinschafts- und Gesundheitseinrichtungen und Asylbewerberunterkünften sowie für nicht geimpfte Bewohner solcher Unterkünfte.
  • Alle Ärzte, außer Zahnärzte, dürfen die Schutzimpfungen vornehmen.

Extra Geld für neue Leistungen

  • Für gesetzlich Versicherte soll künftig der gleiche Preis für verschreibungspflichtige Arzneimittel gelten – unabhängig davon, ob sie diese in einer „Vor-Ort-Apotheke“ oder über eine EU-Versandapotheke beziehen. Versandapotheken dürfen gesetzlich Versicherten keine Rabatte mehr auf rezeptpflichtige Arzneimittel gewähren.
  • Apotheker erhalten für zusätzliche Dienstleistungen extra Geld. Dazu zählen etwa eine pharmazeutische Betreuung bei einer Krebstherapie oder die Arzneimittelversorgung pflegebedürftiger Patienten in häuslicher Umgebung. Hierfür sollen durch eine Änderung der Arzneimittelpreis-Verordnung 150 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden.
  • Ärzte können schwer chronisch kranken Patienten, die immer die gleiche Medikation benötigen, ein speziell gekennzeichnetes Rezept ausstellen. Auf dieses Rezept können Apotheker bis zu drei weitere Male das Arzneimittel abgeben.
  • Damit sich mehr Menschen gegen Grippe impfen lassen, bekommen Apotheker die Möglichkeit, im Rahmen von regionalen Modellvorhaben Erwachsene gegen Grippe zu impfen. Sie sollen dafür von Ärzten geschult werden.
  • Um den Apothekerberuf weiterzuentwickeln, werden auch zwei Verordnungen überarbeitet. Diese bedürfen – anders als der Gesetzentwurf – auch der Zustimmung des Bundesrates.
  • In der sogenannten Apothekenbetriebsordnung soll unter anderem der Botendienst der Vor-Ort-Apotheke gestärkt werden. Er soll nicht mehr nur auf den Einzelfall begrenzt, sondern grundsätzlich auf Kundenwunsch zulässig sein. In der Arzneimittelpreisverordnung wiederum sollen der Festzuschlag für Apotheken-Notdienste – hierfür werden insgesamt 50 Millionen Euro jährlich bereitgestellt – und der Betrag, den Apotheken für die Abgabe von Betäubungsmitteln erhalten (15 Millionen Euro) erhöht werden. Ziel der Erhöhung der Notdienst-Vergütung ist es laut Gesetzentwurf, die Vor-Ort-Apotheken insbesondere in Regionen, in denen es nicht so viele Apotheken gibt, zu stärken.

Komplettumbau der Prüfdienste

  • Die bundesweit 15 Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) sollen künftig keine Arbeitsgemeinschaften der Krankenkassen mehr darstellen. Stattdessen werden sie als eigenständige Körperschaft des öffentlichen Rechts einheitlich unter der Bezeichnung „Medizinischer Dienst“ (MD) geführt.
  • Auch der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) soll vom GKV-Spitzenverband organisatorisch gelöst werden. Er firmiert künftig unter „MD Bund“.
  • Die Besetzung in den MD-Verwaltungsräten wird erweitert. Künftig sollen dort neben Versicherten- und Arbeitgebervertretern auch Vertreter der Patienten, der Pflegebedürftigen und der Verbraucher sowie der Ärzteschaft und der Pflegeberufe sitzen. Die Stimmenmehrheit liegt bei Versicherten- und Arbeitgebervertretern.
  • Neu geregelt wird mit dem MDK-Reformgesetz auch die Prüfung von Krankenhausabrechnungen durch die Kassen. Künftig soll die Abrechnungsqualität eines Krankenhauses den Umfang der zulässigen Prüfungen durch die Kassen bestimmen. Dazu wird ab dem Jahr 2020 eine maximale Prüfquote je Krankenhaus bestimmt, die den Umfang der Prüfungen begrenzt.
  • Ab 2021 soll die Höhe der quartalsbezogenen Prüfquote dann vom Anteil der unbeanstandeten Abrechnungen eines Krankenhauses im vorvergangenen Quartal abhängig sein. Heißt in der Konsequenz: Ein hoher Anteil beanstandeter Abrechnungen zieht eine höhere Prüfquote nach sich.
  • Der Katalog für „ambulante Operationen und stationsersetzende Eingriffe“ soll erweitert werden. Auf diese Weise sollen ambulante Behandlungsmöglichkeiten in den Krankenhäusern künftig konsequenter genutzt und dem heute noch häufigsten Prüfanlass entgegengewirkt werden.
  • Eine Aufrechnung mit Rückforderungen der Krankenkassen gegen Vergütungsansprüche der Krankenhäuser soll künftig grundsätzlich nicht mehr zulässig sein.
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