Pro und Contra

Homöopathie – harsche Debatte kurz vor dem Ärztetag

Diese Woche beim Deutschen Ärztetag steht die Zusatzbezeichnung Homöopathie auf der Agenda: Befürworter wollen sie erhalten; Gegner abschaffen – ein Schlagabtausch beider Seiten, exklusiv bei der "Ärzte Zeitung".

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Nicht nur um die Zusatzbezeichnung wird gestritten, sondern auch über die Homöopathie selbst.

Nicht nur um die Zusatzbezeichnung wird gestritten, sondern auch über die Homöopathie selbst.

© Ideenkoch/stock.adobe.com

ERFURT. Eines haben Freunde und Gegner der Homöopathie diese Woche gemeinsam – den Blick nach Erfurt. Geht es nach dem Münsteraner Kreis, so wird der 121. Deutsche Ärztetag einen Schlussstrich ziehen unter die Zusatzbezeichnung Homöopathie.

Auf Basis seines vor Kurzem veröffentlichten "Münsteraner Memorandums Homöopathie" versuchte der Kreis um die Münsteraner Medizinethikerin Professor Bettina Schöne-Seifert, die Bundesärztekammer (BÄK) im Vorfeld des Ärztetages für seinen Kampf gegen die Homöopathie einzuspannen und in Stellung zu bringen.

"Schluss mit esoterischer Heilslehre"

"Der Ärztetag ist eine gute Gelegenheit, dem eigenen Anspruch an Wissenschaftlichkeit gerecht zu werden und endlich mit der Adelung der esoterischen Heilslehre Homöopathie Schluss zu machen", heißt es in dem Memorandum.

Das Expertengremium sieht es als kritisch an, wenn Ärzte komplementäre und alternative Medizin (KAM) – "nichtwissenschaftliche Heilslehre" – anbieten. In der thüringischen Kapitale soll dann der – aus Sicht der Wissenschaftler im Sinne einer evidenzbasierten Medizin notwendige – Präemptivschlag gegen die Homöopathie-Ärzte erfolgen.

Homöopathen wollen Zusatzbezeichnung erhalten

Schärfster Gegner einer Abschaffung der Zusatzbezeichnung Homöopathie ist der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ), der die Interessen der rund 7000 ärztlichen Träger dieser Zusatzbezeichnung vertritt. Er verweist seinerseits auf die Evidenz, mit der der Nachweis der Seriosität homöopathischen Handelns in Arztpraxen geführt werden könne.

"Die von den Ärztekammern verliehene Zusatzbezeichnung Homöopathie hat sich seit Jahrzehnten in der deutschen Ärzteschaft bewährt. Mit Blick auf die Qualitätssicherung und die Patientensicherheit ist die Zusatzbezeichnung Homöopathie ein Garant für eine gute und sichere Versorgung der Patienten", konterte die DZVhÄ-Vorsitzende Cornelia Bajic.

Bajic und Professor Michael Frass, Internist und Vorsitzender der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Homöopathie (WissHom) liefern sich in der "Ärzte Zeitung" vereint einen Schlagabtausch zur Zusatzbezeichnung Homöopathie mit Schöne-Seifert und Dr. Christian Weymayr, Mitverfasser des Münsteraner Memorandums Homöopathie.

Pro

Ein Garant für die Patientensicherheit

Die von den Ärztekammern verliehene Zusatzbezeichnung Homöopathie hat sich seit Jahrzehnten bewährt. Immer mehr Ärzte führen sie, aktuell sind es rund 7000 Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen.

Cornelia Bajic, Erste Vorsitzende des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte (DZVhÄ).

Cornelia Bajic, Erste Vorsitzende des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte (DZVhÄ).

© Julia Unkel

Die Patienten-Nachfrage ist in den letzten Jahren enorm gestiegen. Laut Forsa (2017) nutzt rund die Hälfte der Bevölkerung homöopathische Arzneimittel, 72 Prozent sind mit der Wirksamkeit und Verträglichkeit sehr zufrieden oder zufrieden, und 65 Prozent fordern, dass sich die Politik mehr für sie einsetzen soll.

Kurz gesagt: Mit Blick auf die Qualitätssicherung und die Patientensicherheit ist die Zusatzbezeichnung Homöopathie ein Garant für eine gute und sichere Versorgung der Patienten. Die mit der Bundesärztekammer eng abgestimmten Lehrinhalte gewährleisten eine kompetente Behandlung der Patienten.

Wer heute behauptet, es gebe keine qualitativ hochwertigen Studien, die den therapeutischen Nutzen der ärztlichen Homöopathie belegten, liegt falsch. Insbesondere große Beobachtungsstudien, die die Wirksamkeit von Interventionen in der alltäglichen medizinischen Praxis messen, zeigen in der Summe ein relativ einheitliches Bild: Bei Patienten, die sich homöopathisch behandeln lassen, treten im klinischen Alltag relevante Verbesserungen auf – ähnlich stark ausgeprägt wie in der konventionellen Therapie.

Ein Netzwerk aus Wissenschaftlern und Ärzten, die Wissenschaftliche Gesellschaft für Homöopathie (WissHom), hat darüber hinaus auch die Grundlagenforschung, Meta-Analysen sowie individualisierte RCT zur Homöopathie untersucht. Bereits Mitte 2016 kam WissHom zum Ergebnis: "Eine zusammenfassende Betrachtung klinischer Forschungsdaten belegt hinreichend einen therapeutischen Nutzen der homöopathischen Behandlung. Die Ergebnisse zahlreicher placebo-kontrollierter Studien sowie Experimente aus der Grundlagenforschung sprechen darüber hinaus für eine spezifische Wirkung potenzierter Arzneimittel."

Prof. Michael Frass, Internist und Vorsitzender der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Homöopathie (WissHom).

Prof. Michael Frass, Internist und Vorsitzender der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Homöopathie (WissHom).

© Boisits

In der Schweiz wurde Mitte 2017 bestätigt, dass die Homöopathie die Kriterien der wissenschaftlich belegten Wirksamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit erfüllt. Das ist die gesetzliche Voraussetzung, um in den Leistungskatalog der obligatorischen Grundversicherung aufgenommen zu werden (Art. 32, Voraussetzungen des KVG). Für die ärztliche Homöopathie gilt dies nun zeitlich unbegrenzt. Bei der Betrachtung der Studienlage in der Schweiz wurden auch Beobachtungsstudien berücksichtigt.

Die moderne Evidenzbasierte Medizin (EbM) stützt sich per Definition auf drei Säulen: auf die klinische Erfahrung der Ärzte, die Werte und Wünsche des Patienten und den aktuellen Stand der klinischen Forschung (Sackett).

Wir wehren uns gegen den einseitigen Evidenzbegriff der Kritiker, der Evidenz allein auf die Säule der klinischen Forschung bzw. ausschließlich auf RCT verengen möchte und die anderen beiden Säulen ausblendet. Experten schätzen, dass bei einer solchen Auffassung von EbM rund 70 Prozent der Leistungen der GKV nicht evidenzbasiert sind. Nötiger als eine Homöopathie-Debatte hat die deutsche Ärzteschaft eine klare Verständigung darüber, welcher Evidenzbegriff gilt.

Contra

Wissenschaft statt Mogelpackung!

Es geht dem Münsteraner Kreis nicht etwa darum, die Homöopathie abzuschaffen. Er dringt vielmehr darauf, dieser 200 Jahre alten "Heilkunde" endlich das Mäntelchen der Seriosität abzunehmen, das ihr mit der ärztlichen Zusatzbezeichnung verliehen wird. Die Homöopathie-Lehre ist wissenschaftlicher Unsinn: Bloßen Zuckerkügelchen eine spezifische und immaterielle Heilkraft zuzugestehen, die sie durch Verdünnen und Schütteln von Ausgangssubstanzen erlangt haben sollen, ist ähnlich absurd wie der Glaube, man könne sein Heil durch Vergraben ritueller Gegenstände bei Mondschein finden.

Professor Bettina Schöne-Seifert, Medizinethikerin an der Uni Münster und Initiatorin des Münsteraner Kreises.

Professor Bettina Schöne-Seifert, Medizinethikerin an der Uni Münster und Initiatorin des Münsteraner Kreises.

© privat

Wohl wahr: Es gelten hierzulande, zum Glück, Glaubensfreiheit und Respekt vor der Selbstbestimmung von Patienten. Patienten können sich Heilern anvertrauen, und Ärzte dürften im Namen der Therapiefreiheit sogar Voodoo-Rasseln schwingen. Es kann aber doch nicht unser Ernst sein, mit einer Art amtlicher Prüfplakette den Eindruck zu erwecken, es gäbe bei der Homöopathie eine ärztlich seriöse und erlernbare Behandlungsqualität.

Just das tut aber die Musterweiterbildungsordnung: Die Zusatzbezeichnung Homöopathie darf erst führen, wer sechs Monate Weiterbildung oder 100 Stunden Fallseminare sowie 160 Stunden Kurs-Weiterbildung nachweisen kann. In dieser kostbaren Zeit büffelt der angehende Homöopath, wie er etwa Küchenzwiebeln durch Verdünnen und Schütteln geistartige Wirkkräfte entlocken und welche Malaisen aus dem Katalog der homöopathischen Parallelwelt er damit behandeln kann.

Warum sollte es für Patienten auch nur den allergeringsten Unterschied machen, ob der homöopathische Arzt 100 Stunden oder eine Minute lang Fälle studiert hat?

Dr. Christian Weymayr, Wissenschaftsjournalist, Mitglied im Münsteraner Kreis und Mitverfasser des „Münsteraner Memorandums Homöopathie“.

Dr. Christian Weymayr, Wissenschaftsjournalist, Mitglied im Münsteraner Kreis und Mitverfasser des „Münsteraner Memorandums Homöopathie“.

© privat

Der Ärztetag hat immer wieder betont: Das moderne Verständnis guter Medizin ist wissenschaftsorientiert. Es geht darum, wissenschaftliche Einsichten über die jeweils besten bekannten Möglichkeiten der Heilung, Linderung, Vorbeugung in den Dienst des Patientenwohls zu stellen. Idealerweise heißt das: Was sich innerhalb unserer immer komplexer werdenden Erkenntnis von Krankheitsentstehung und Krankheitsbehandlung als theoretisch plausibel herausstellt, wird weiter verfolgt. Und was sich dann in aufwendigen klinischen Studien als wirksam, als überlegen erweist, wird angeboten – und umgekehrt.

Stichwort Evidenzbasierte Medizin: Nach diesen Maßstäben, darin sind sich international sämtliche damit befassten unabhängigen Wissenschaftsgremien einig, ist an der Homöopathie nicht mehr dran als Zuwendung und Plazebowirkungen. Nur die Lobby der Homöopathen bestreitet das.

Dann aber ist es mit Blick auf Transparenz und auf das Budget der öffentlichen Hand unverantwortlich, wenn in Deutschland homöopathische Ärzte mit amtlicher Prüfplakette geadelt werden und die Krankenkassen deren Behandlungen aus Gefälligkeit zu einem großen Teil erstatten. Oder sollte die Wissenschaftsorientierung, die wir im Klimaschutz, in der Flugsicherheit oder beim Brückenbau für selbstverständlich halten, ausgerechnet vor der Medizin haltmachen? Die Delegierten des Ärztetags sollten die Zusatzbezeichnung Homöopathie schleunigst weg-schütteln.

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