Kommentar – Eröffnung des Ärztetags
Können nur Ärzte können, was Ärzte können?
Vorschlagen, debattieren, entscheiden. Das, was die einen bissig als eine besondere Form der Erwachsenen-Hyperaktivität bezeichnen, ist für Jens Spahn Programm.
Veröffentlicht:Vorschlagen, debattieren, entscheiden. Das, was die einen bissig als eine besondere Form der Erwachsenen-Hyperaktivität bezeichnen, ist für Jens Spahn Programm. Ein Problem zu erkennen aber nicht zu lösen, wäre für ihn keine Option. Auch auf die Gefahr, am Ende die Torte im Gesicht zu haben, übernimmt er Verantwortung, selbst in einem so heiklen Bereich wie bei der gematik.
Und mitunter scheint es so, als ob der Bundesminister wie im Fußball versucht, seinen Gegner , schwindelig zu spielen. Die Frage: Liegt es an Spahn oder möglicherweise am schlechten Tag seines Gegenspielers?
Es war am Dienstag bei der Eröffnung des 122. Deutschen Ärztetags nicht die erwartete große Abschiedsrede des scheidenden Präsidenten Professor Frank Ulrich Montgomery. Warum auch? Montgomery macht weiter, nur nicht in Berlin, sondern auf europäischer und weltpolitischer Bühne.
Kostprobe: Gleich zu Beginn seiner Rede rechnet er mit dem – ebenfalls scheidenden – EU-Kommissions-Chef Jean-Claude Juncker ab. Noch nie habe eine EU-Kommission mehr enttäuscht. Das war ein erstes Signal des neuen Präsidenten des Ständigen Ausschusses der Ärzte der europäischen Union (CPME).
Montgomery kommt dann auf die gesundheitspolitische Agenda des Ministers zu sprechen, findet hier und da lobende Worte. Dann wettert er über „Auftragsverwaltung“, zu der der Minister die Selbstverwaltung degradiert habe. Er beklagt das Infragestellen ärztlicher Profession, wobei er auf den Entwurf für ein Psychotherapeutengesetz verweist.
Schließlich beklagt er den mangelnden Willen der Politik, seiner staatlichen Daseinsvorsorge gerecht zu werden – Stichwort Klinikinvestitionen. Ein bunter Strauß an Kritik, der bei den Delegierten gut ankommt und zusammenschweißt, wie die Diskussion am Nachmittag zeigt.
Dennoch sei die Frage gestattet, ob die scharfe Grenzziehung zu den nichtärztlichen Heilkundlern sinnvoll ist. Die Trennlinie zwischen psychologischen und ihren ärztlichen psychotherapeutischen Kollegen ist gestern wieder hart gezogen worden. Die Akademisierung der Hebammenausbildung wird nicht nur strikt abgelehnt. Montgomery hält es sogar für sinnvoller, wenn eine Hebamme immer einen Arzt bei der Entbindung hinzuzieht. Gute Gründe dafür bleibt er dabei schuldig.
Und schließlich hat die Kompetenz beim Impfen nur einer: der Arzt. Möglicherweise ein bisschen zu dick aufgetragen. In einer Zeit, in der in allen Gesundheitsberufen Personal händeringend gesucht wird.
Macht es nicht eher Sinn, Kräfte zu bündeln? Waren wir nicht längst weiter? Plötzlich stünde nicht mehr der umtriebige Minister im Fokus. Es ginge vielmehr um das ärztliche Selbstverständnis.
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