Schlaganfall
"Meister Proper" poliert Thrombektomie auf
Kathetereingriffe bei Schlaganfall-Patienten sind seit Langem umstritten. Die Studie "MR CLEAN" poliert dieses Image nun auf: Sie weist erstmals den Nutzen der Thrombektomie mit modernen Stent-Retrievern nach.
Veröffentlicht:ISTANBUL. Erstmals konnte in einer großen Studie der Nutzen der Katheterbehandlung bei bestimmten Formen des ischämischen Schlaganfalls nachgewiesen werden. Zwar erscheint es plausibel, dass Patienten davon profitieren, wenn man ihnen größere Blutgerinnsel aus den intrakraniellen Arterien zieht, jedoch sind Kathetereingriffe mit Risiken verbunden.
Das zeigte sich denn auch in drei im vergangenen Jahr veröffentlichten Studien. Im Vergleich zu einer alleinigen oder zusätzlichen I.v.-Thrombolyse mit rt-PA führte der Kathetereingriff weder zu einer geringeren Sterberate noch zu einer geringeren Rate von bleibenden Behinderungen - die Sterberate war mit Embolektomie tendenziell sogar höher.
Mittlerweile ist über die Studienergebnisse viel gestritten worden: Die Auswahl der Patienten war nicht geeignet, in der Kathetergruppe wurde zum Teil ein Sammelsurium an unterschiedlichen Systemen getestet, die Thrombektomie verzögerte sich durch zweifelhafte Untersuchungen.
Gefäße bei 80 Prozent rekanalisiert
Vor allem aber waren in den drei Studien noch keine modernen Stent-Retriever verwendet worden, sondern ältere Systeme, mit denen sich viel geringere Rekanalisationsraten erzielen lassen.
Dass die neuen Systeme Thromben besser entfernen können, das hatten erste Studien bereits gezeigt. Ob die Patienten auch etwas von der besseren Rekanalisation haben, dieser Beweis stand bisher noch aus.
Mit den Ergebnissen der niederländischen Studie MR CLEAN, die kürzlich auf der Welt-Schlaganfall-Konferenz in Istanbul präsentiert wurden, dürfen Verfechter der mechanischen Thrombektomie aufatmen (World Stroke Conference Istanbul 2014, oral presentation WSC 1158).
Bei MR CLEAN war der Name Programm: Das Akronym steht für "Multicenter randomized clinical trial of endovascular treatment for acute ischemic stroke in the Netherlands", die Studienautoren hatten bei der Namensgebung wohl aber einen Haushaltsreiniger gleichen Namens vor Augen, in Deutschland als "Meister Proper" bekannt.
Insgesamt nahmen 500 Patienten an der Studie teil. Alle hatten einen schweren ischämischen Schlaganfall mit einem Thrombus im vorderen Teil der Hirnarterien.
Dort ist er für die Korkenzieher-Technik besonders gut zugänglich. Bei etwa 30 Prozent war die Carotis interna betroffen, knapp zwei Drittel hatten einen M1-Verschluss. Der Befund wurde anhand einer CT-Angiografie festgestellt.
Geringeres Infarktvolumen
Fast alle Patienten bekamen eine rt-PA-Lyse, bei der Hälfte wurde zudem in den ersten sechs Stunden nach Symptombeginn eine Rekanalisierung per Katheter versucht, die auch bei 80 Prozent gelang, bei einem Viertel ließ sich das verstopfte Gefäß sogar komplett reinigen. Dagegen konnten die Ärzte mit alleiniger Alteplase-Therapie weniger als 40 Prozent der Gefäße öffnen.
In MR CLEAN wurden, anders als in den 2013 publizierten Untersuchungen, zumeist die modernen Stent-Retriever verwendet, bei denen der Thrombus mit einer Art Maschendrahtröhrchen aus dem Gefäß gezogen wird: "Die neuen Katheter verbessern die Chance, das gesamte Blutgerinnsel komplikationsfrei aus dem Blutgefäß zu entfernen", so Professor Joachim Röther von der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) in einer Pressemitteilung.
Nach 90 Tagen wurde verblindet die Funktionsfähigkeit der Patienten anhand der modified Rankin-Scale (mRS) erfasst. Deutlich mehr Patienten (33 versus 19 Prozent) in der Gruppe mit Katheter-Behandlung zeigten einen Wert von zwei mRS-Punkten oder darunter, sie konnten also noch ohne fremde Hilfe ihren Alltag bewältigen.
"Der Unterschied war statistisch signifikant, was angesichts der relativ kleinen Patientengruppen ein starkes Signal für die Effizienz der Thrombektomie ist", so Röther.Auch war nach einer Woche das Schlaganfall-Residual-Volumen mit 50 versus 80 ml bei den Katheter-Patienten deutlich geringer.
Keine Unterschiede bei der Sterberate
Allerdings gab es bei der Sterberate nach drei Monaten zwischen den Gruppen keine signifikanten Unterschiede, auch kam es mit der endovaskulären Therapie etwas öfter zu schweren unerwünschten Wirkungen (47 versus 42 Prozent).
Vor allem erneute ischämische Schlaganfälle (5,6 versus 0,4 Prozent) traten damit häufiger auf, auch etwas mehr parenchymale Hirnblutungen wurden beobachtet.
Wichtig für den Erfolg der niederländischen Studie war die rasche und gezielte Zuweisung der akuten Schlaganfallpatienten in eine Klinik mit Thrombektomie-Bereitschaft, so Professor Hans-Christoph Diener vom Uniklinikum Essen.
"Die Ergebnisse der MR-CLEAN-Studie stimmen sehr optimistisch, und Ergebnisse aus weiteren Studien werden in Kürze erwartet."
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